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Kein „Bankert“ mehr

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Am 1. Juli 1971 tritt ein Gesetz in Kraft, das — im Nationalrat einstimmig verabschiedet — die rechtliche Stellung des unehelichen Kindes entscheidend verbessern wird. Kann auch die Diskriminierung des unehelich geborenen Kindes, bisher mißachtet und als „Bankert“ bezeichnet, nicht gänzlich beseitigt werden, so soll es doch zumindest in rechtlicher Hinsicht dem ehelichen Kind in etwa gleichgestellt werden.

Dabei geht die Zahl der Unehelichen ständig zurück: Waren 1937 noch 22,8 Prozent aller Lebendgeborenen unehelich, sank diese Zahl bis zum Jahre 1969 auf 12,2 Prozent Von den 1969 in Österreich geborenen Kindern waren 14.863 unehelich, wobei die Steiermark mit 3046 den stärksten Anteil hatte, gefolgt von Ober- Österreich mit 2712 unehelichen Geburten. In Wien waren es im genannten Jahr nur 1725 Kinder. In den Jahren 1962 bis 1967 pendelte sich der Prozentsatz unehelicher Kinder auf die bisher tiefste Marke ein: durchschnittlich 11,3 Prozent.

Neue Erbrechtsregelung

Kann auch die soziologische Situation dieser Kinder, die sich meist in einer nicht intakten Familie mani festiert, durch das vorliegende Gesetz nicht beseitigt werden, so sollen die rechtlichen Fragen, nämlich Unterhalt, Vormundschaft und Erbrecht, geregelt werden. Hatte bisher das unehelich geborene Kind seinen Eltern gegenüber Anspruch auf eine „deren Vermögen angemessene Verpflegung, Erziehung und Versorgung“, so hat es nunmehr Anspruch auf Unterhalt, Versorgung und Erziehung, gemessen an den Bedürfnissen des Kindes. Die Neuregelung des Erbrechtes sieht vor, daß das uneheliche Kind am Nachlaß der Mutter und ihrer Verwandten ein gesetzliches Erbrecht hat — fast wie ein eheliches Kind; dem Vater gegenüber sind die Erbansprüche nach wie vor sehr eingeschränkt, erst nachdem die Ansprüche der ehelichen Nachkommen und diesen Gleichgestellten sowie die der Witwe befriedigt sind, kommt das uneheliche Kind zum Zug.

Der Mutter steht nach wie vor die Sorge für Pflege und Erziehung zu, die, sollte die Mutter dazu nicht imstande oder ihr dieses Recht vom Gericht entzogen worden sein, auf den Vater übergeht. Als Neuerung sieht das Gesetz vor, daß der Vater, sorgt die Mutter für das Kind, viel umfassendere Rechte hat als bisher: In allen wichtigen Angelegenheiten, wie etwa Fragen der Schulbildung, der Berufsausbildung, Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland, Übergabe in fremde Pflege oder Einwilligung zur Eheschließung, hat die Mutter das Einvernehmen des Vaters zu pflegen — seine Zustimmung einzuholen. Doch auch die Rechtsstellung der Mutter wurde erweitert: Über eigenen Antrag kann sie nun zum Vormund bestellt werden, allerdings nur dann, wenn sie dazu geeignet erscheint und ihr die Sorge für die Pflege und Erziehung des Kindes zusteht. Wenn es dem Wohle des Kindes mehr entspricht, bleibt jedoch die Amtsvormundschaft weiter bestehen.

Dieses nach mehr als siebenjähriger Debatte zustandegekommene Gesetz läßt zwar sicher verschiedene Wünsche offen und läßt manche juristische Konstruktionen entstehen, die in der Realität nur schwer durchzuführen sein werden; immerhin aber scheint es geeignet, die völlig unberechtigte Diskriminierung derjenigen Kinder, die nicht das Glück haben, in geordneten Verhältnissen geboren und aufgezogen zu werden, zu beseitigen.

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