6723851-1965_23_04.jpg
Digital In Arbeit

Das uneheliche Kind

Werbung
Werbung
Werbung

Nicht nur auf dem Gebiet des Strafrechts, sondern auch auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts konnte man in den letzten Jahren eine beachtliche Aktivität des Justizministeriums entdecken. Vor zwei Jahren wurde auch ein erster Entwurf betreffend die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes zur Stellungnahme verschickt. Im Juli vergangenen Jahres erging ein neuer, verbesserter Gesetzentwurf, der nun zur Debatte steht.

Der Entwurf stellt fest, daß Unehelichkeit immer ein Abweichen von den normalen Lebensbedingungen eines ehelichen Kindes mit sich bringt. Eheliche Kinder haben die Gemeinschaft der Familie, die ihnen Geborgenheit und Ruhe während des Kindesalters gewährleistet. Die Kindheit des unehelichen Kindes dagegen ist gekennzeichnet durch Unruhe und Unstetigkeit, durch „ein

gewisses Maß an Familienlosigkeit“. Diesem Abweichen der Verhältnisse unehelicher Kinder von denen ehelicher Kinder muß die Rechtsordnung Rechnung tragen. Die erläuternden Bemerkungen des Entwurfes führen dazu aus: „Die Rechtsordnung darf nicht einfach die Rechtsstellung des unehelichen Kindes mit der des ehelichen gleichsetzen, sie muß im Gegenteil versuchen, den Mangel ausreichender Familienbeziehungen möglichst durch besondere rechtliche Vorsorgen wettzumachen.“ Die Rechtsordnung muß also die Rechtsstellung des unehelichen Kindes seiner besonderen Lage anpassen.

Nicht im Widerspruch dazu, aber gleichsam über allen diesen Erörterungen muß i die Unantastbarkeit der ehelichen Familie gewährt sein, so daß die Familie vor jeder Abwer-freigehalten wird.

Umstrittene Formulierungen

Das scheint aber dem Justizministerium nicht geläufig zu sein, und es nimmt auch seinen eigenen Grundgedanken von der besonderen Stellung und Behandlung unehelicher Kinder nicht ernst, wenn es nichts Eiligeres zu tun hat, als im neuen Gesetzentwurf jenen Satz des 155 ABGB auszulassen, der jene unterschiedliche Stellung festhält: „Die unehelichen Kinder genießen nicht die gleichen Rechte mit den ehelichen.“ Die Erläuterungen des Entwurfes begründen die Streichung damit, daß diese rechtliche Unterscheidung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern der heutigen Auffassung widerspricht und der Satz bloß programmatische Bedeutung hat. Damit aber setzt sich der

Entwurf selbst In Widerspruch zu dem in den Erläuterungen angegebenen Grundgedanken. Man kann nicht einerseits die Forderung aufstellen, daß die Rechtsordnung der Verschiedenheit der Verhältnisse bei ehelichen und unehelichen Kindern Rechnung tragen muß, und auf der anderen Seite gerade jenen Satz im geltenden Recht streichen, der jenen Grundsatz verkündet. Man kann nun vielfach hören, daß jener erste Satz des 155 eine gesellschaftliche Diskriminierung des unehelichen Kindes darstellt. Daß das gerade nicht in der Absicht des damaligen Gesetzgebers lag, zeigt der 162 ABGB deutlich, der ausdrücklich feststellt: „Die uneheliche Geburt kann einem Kinde an seiner bürgerlichen Ach-

tung und an seinem Fortkommen keinen Abbruch tun“ .. .!

Was wollte also der Gesetzgeber von 1811 mit dem 155 ABGB zum Ausdruck bringen? Doch nur das, was auch in den erläuternden Bemerkungen von 1964 zu lesen ist, nämlich daß in familienrechtlicher Beziehung, also in der Beziehung der Kinder zu ihren Eltern, uneheliche Kinder nicht die gleichen Rechte mit ehelichen genießen, was schließlich aus der Überschrift zu den 155 ff. hervorgeht, die lautet: „Rechtsverhältnis zwischen unehelichen Eltern und Kindern“. Diese ungleiche Rechtsstellung ergibt sich eben als selbstverständliche Folge der besonderen Verhältnisse, unter denen uneheliche Kinder aufwachsen, Familienlosigkeit, Unstetigkeit ... Daher können uneheliche Kinder in Konkurrenz mit ehelichen nicht gleiche Rechte genießen.

Wenn wir also am Institut der Familie festhalten, die die Grundlage des Staates, somit auch unserer Rechtsordnung ist, so- muß der erste Satz des 155 (geltendes Recht) beibehalten werden, weil sonst die Gefahr der Auflösung aller sittlichen Bande der Familie besteht. Sollte aber das Justizministerium daran festhalten, daß die derzeitige sprachliche Fassung des ersten Satzes des 155 eine Diskriminierung nicht ausschließt, so soll man nach einer anderen sprachlichen Form suchen, die das festgehaltene Faktum, daß unehelicher Kinder in der Familie grundsätzlich den ehelichen nicht gleichgestellt sind, ausdrückt, aber einer ersatzlosen Streichung ist entschieden entgegenzutreten.

Die biologische Vaterschaft

Was die Änderungen nun im einzelnen betrifft, so ist positiv hervor-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung