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Ehe, Familie, Recht

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Die Österreichischen Anwaltstage, die alle zwei Jahre von den Österreichischen Rechtsanwaltskammern veranstaltet werden, befassen sich nun schon traditionsgemäß mit den jeweils aktuellen Problemen der Gesetzgebung und Rechtspflege. So war der Anwaltstag 1960 der Strafrechtsreform gewidmet und konnte zu diesem ernsten Anliegen wesentliche Anregungen und Vorschläge erarbeiten. Thema des Anwaltstages 1962 waren „Probleme des Familienrechtes“. Unmittelbarer Anlaß hierzu war ein vom Bundesministerium für Justiz ausgearbeiteter Entwurf für die Neuordnung des gesetzlichen Erbrechtes der Ehegatten und des ehelichen Güterstandes. Der Anwaltstag befaßte sich aber bewußt nicht nur mit diesem Entwurf, sondern stellte ihn in den großen Zusammenhang der „Probleme des Familienrechts“, womit auch gezeigt werden sollte, daß der Entwurf nicht eine Generallösung offener Probleme des Familienrechts sein kann noch auch sein will, sondern lediglich versucht, Neuregelungen auf einem, wenn auch sehr wichtigen, Teilgebiet zu schaffen. Dementsprechend war auch das Arbeitsprogramm des Anwaltstages gegliedert. Es umfaßte einen einleitenden Vortrag von Universitätsprofessor Dr. Franz Gschnitzer über „Probleme des Familienrechtes“ und dann drei Arbeitskreise, und zwar „Eheschließung und Eheauflösung“, „Vermögensrechtliche Probleme während'und nach der Ehe“ und schließlich „Kindschafts- und Jugendrecht“. Univ.-Prof. Dr. Gschnitzer betonte vor allem den Wert des organisch Gewachsenen im Rechtsleben und faßte zusammen :

„Mag unser Familienrecht in vielem einzelnen erneuerungsbedürftig sein, ein Anlaß zu einer Neuorientierung, zu einer Generalreform bestellt nicht. Die Grundprinzipien des ABGB sind aufrecht, sowohl die, welche das Wesen der Ehe ausmachen, als die, welche das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, aber auch die, welche das Verhältnis von Mann und Frau in Ehe und Familie bestimmen. Auch wenn der Eintritt der Frau ins Erwerbsleben die materielle Basis vieler Ehen und Familien verändert hat, ist die Autorität des Mannes für die Erhaltung von Ehe und Familie und auch das Vorbild für die staatliche Autorität nicht gering zu achten. Aber auch wenn die Rechtsstellung des unehelichen Kindes verbessert werden muß, verbietet sich seine Gleichstellung mit den ehelichen schon im Interesse des unehelichen Kindes selbst.

Es handelt sich also darum, das organisch Gewachsene organisch, das heißt allmählich und stetig weiterzuentwickeln. Nirgends sind Eingriffe gefährlicher als in gewachsene Gemeinschaften wie die Familie. Sie müssen wohlüberlegt und behutsam durchgeführt werden. Auch darf sich der Gesetzgeber nicht zuviel anmaßen und zumuten. Bei Ehe und Familie ist seine Rolle verhältnismäßig bescheiden, weil er auf ordnende Kräfte (Sitte, Moral, Religion) stößt, die seinem Einfluß nicht unterliegen. Gesetzliche Maßnahmen können hier wenig gut-, aber viel schlechtmachen. Zum Wesen des Privrfreehtes gehören Beständigkeit und Ordnung.“

Der Entwurf des Bundesministeriums für Justiz enthält vor allem zwei grundsätzliche Abänderungsvorschläge: im Gegensatz zu der bisherigen Rechtslage wird dem überlebenden Ehegatten ein Pflichtteilsrecht eingeräumt und werden die Quoten seines gesetzlichen Erbrechtes gegenüber der bisherigen Rechtslage erhöht. Für den Fall der Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe soll dem Ehegatten, dessen Vermögen zwischen Beginn und Endigung der Ehe weniger angewachsen ist als das des anderen, ein Anspruch auf Ausgleich des Vermögenszuwachses gewährt werden, und zwar in der Höhe der Hälfte des Zuwachses. Falls ein Ehegatte sein Vermögen und damit den Zuwachsanspruch durch Verschleuderung gefährdet, kann der andere Ehegatte den Anspruch auf Ausgleich sogar schon während der aufrechten Ehe geltend machen. Voraussetzung für die Geltendmachung des Ausgleichsanspruches ist es. daß der Ehegatte zur Erhaltung oder Vermehrung des Vermögens beigetragen hat, wobei als solcher Beitrag nicht nur die Mitwirkung im Erwerb, sondern auch die Führung des Haushaltes, die Pflege und Erziehung der Kinder oder jeder sonstige Beistand zu berücksichtigen ist. Abgesehen von diesen Bestimmungen über den Vermögensausgleich bleibt auch nach dem Entwurf der bestehende gesetzliche eheliche Güterstand der Gütertrennung aufrecht; ebenso die grundsätzliche Vertragsfreiheit für die Abschließung von Ehepakten, das heißt, daß auch in Zukunft Ehepartner durch Vertrag vom Gesetz abweichende Regelungen für ihre Vermögensverhältnisse treffen können. Ehe und Vermögen

Im Sinne des Bemühens, die finanzielle Situation der Frau besserzustellen, werden im Entwurf auch einige als veraltet angesehene Bestimmungen,wie das bisherige Recht des Mannes auf Verwaltung des Frauenvermögens und die Vermutung, daß der Eigentumserwerb während aufrechter Ehe grundsätzlich vom Manne stammt, fallengelassen beziehungsweise neu geregelt.

Dieser Gesetzentwurf, der zum Teil auf schon mehr als zehn Jahre zurückliegende Vorarbeiten und Richtlinien einer Kommission für eine gesetzliche Neuordnung des Familienrechtes zurückgeht und zum Teil die Bestimmungen des deutschen „Gleichberechtigungsgesetzes“ für Österreich übernehmen will, lag dem Auwaltstag in einer zweiten, verbesserten Fassung vor, nachdem gegen die erste Fassung von zahlreichen vorliegenden Gutachten beträchtliche Einwendungen erhoben worden waren.

Auf dem Anwaltstag befaßt sich der zweite Arbeitskreis, „Vermögensrechtliche Probleme während und nach der

Fhe“, vorwiegend mit diesem Entwurf. Univ.-Prof. Dr. Gschnitzer hatte schon in seinem einleitenden Vortrag dazu bemerkt:

„Zu den vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe liegen Entwürfe des Justizministeriums vor. Sie werden im einzelnen diskutiert werden. Ihre Berechtigung ist aber auch grundsätzlich zur Diskussion zu stellen. Mit der sogenannten Zugewinngemeinschaft als geplantem gesetzlichen Güterstand folgen wir der Neuregelung in der Deutschen Bundesrepublik, doch stehen die Vorzüge dieser Regelung keineswegs außer Zweifel. Um so mehr sollten wir beim bestehenden gesetzlichen Güterstand bleiben, der auf echt österreichische Art behutsam die rechtliche Trennung der Güter durch rechnungsfreie Mannesverwaltung bis auf Widerruf der Frau überbrückt.“

Univ.-Prof. Dr. Gschnitzer stellt also den Entwurf des Justizministeriums nicht in einzelnen Punkten, die einer Verbesserung bedürften, sondern grundsätzlich zur Debatte, wobei er betonte, daß er die geplante Zugewinngemeinschaft nicht für einen Gewinn ansehen könne.

Auch in den Ausführungen der Berichterstatter, Referenten und Diskussionsredner zu diesem Thema kamen, wie das ja in der Natur der Sache liegt, wenn ein bereits vorliegender Entwurf behandelt werden soll, grundsätzliche Einwendungen und Bedenken gegen einzelne Teilgebiete zur Sprache.

Zum Pflichtteilsrecht des Ehegatten wurde darauf verwiesen, daß diese Frage schon in der Vergangenheit Gegenstand wiederholter und ernster Erwägungen war, die schließlich nach allem Für und Wider dazu geführt hatten, daß das ABGB wohl ein gesetzliches Erbrecht des Ehegatten und ein privilegiertes Recht des überlebenden Ehegatten auf Unterhaltsanspruch gegenüber dem Nachlaß kennt, aber kein Pflichtteilsrecht. In der Debatte hierzu ergab sich, daß in einem noch nicht veröffentlichten dritten Entwurf des Bundesministeriums für Justiz die bisherigen Vorschriften des Paragraphen 796 ABGB, welche dem überlebenden Ehegatten das Recht auf den mangelnden anständigen Unterhalt gegenüber dem Nachlaß zubilligen, neben dem Anspruch auf Pflichtteilsrecht aufrechterhalten werden sollen; auch die Frage der Enterbungsgründe wurde ausführlich erörtert. Im übrigen ergaben sich aber in der Debatte zu den erbrechtlichen Vorschriften keine grundsätzlichen Einwendungen gegen den Entwurf.

Weit schärfer umstritten war die Frage des Rechts auf Vermögensausgleich. Auch in der Debatte wurden die von Herrn Univ.-Prof. Doktor Gschnitzer angemeldeten Einwendungen gegen den Entwurf als Ganzes wiederholt; auch im Hinblick darauf, daß das Recht auf Zuwachsausgleich dem österreichischen Rechtsleben fremd sei und daß sich der bestehende gesetzliche Güterstand der Gütertrennung in Österreich klaglos eingelebt habe, was auch darin zum Ausdruck käme, daß in Österreich, im Gegensatz zu vielen anderen Rechtsgebieten, Ehepartner, abgesehen von bäuerlichen Gütergemeinschaften, kaum vom Recht, Ehepakte abzuschließen, Gebrauch machen.

Es wurde darauf verwiesen, daß die Frage des Zuwachsausgleiches für den Fall der Scheidung nicht geregelt werden könne, wenn nicht gleichzeitig die Aufteilung der Lasten des Familienunterhaltes einer zeitgemäßen Regelung zugeführt werde. Es gehe nicht an, daß die Lasten des Familienunterhaltes allein der Mann tragen muß, die Frau aber für den Fall der Scheidung Sonderrechte habe. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Regelung des Entwurfes zu erheblichen Härten führen könnte, so daß der Einbau einer Generalklausel zur Milderung derartiger Resultate geboten wäre.

Wiederholte Bedenken wurden schließlich gegen die Absicht ausgedrückt, die Neuregelung zwangsweise auch für bestehende Ehen vorzusehen. Während in Hinkunft Ehepartner die Möglichkeit hätten, wenn sie die neuen Bestimmungen ablehnen, diese durch entsprechende Ehepakte auszuschließen, würde diese Möglichkeit bei bestehenden Ehen unter Umständen nicht gegeben sein. Die Rücksichtnahme auf Härtefälle im Falle von Scheidungen bestehender Ehen dürfen nicht dazu führen, rückwirkende Regelungen zu treffen.

Der Herr Bundesminister für Justiz, der dankenswerterweise den Beratungen und Diskussionen beigewohnt hat, verteidigte in der Debatte temperamentvoll den Entwurf des Ministeriums, betonte aber, daß es sich nur um einen Entwurf handle. Die Sachbearbeiter des Ministeriums und Hochschulprofessoren gaben Aufklärungen und Stellungnahmen zu verschiedenen umstrittenen Punkten.

Der Anwaltstag hat zu dem vorliegenden Entwurf keine Resolutionen gefaßt oder Stellungnahmen abgegeben. Er sah seine Aufgabe nur darin, die bestehenden Probleme aufzuzeigen, zu erörtern und in freier Diskussion Anregungen und Vorschläge zu erstatten; denn, wie der Initiator und Vorsitzende der Anwaltstage, Präsident der Rechtsanwaltskammer für Wien, Dr. Emmerich Hunna, ausführte: „Diskussion ist ein unentbehrliches Gut und eine Voraussetzung der Demokratie.“

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