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Der Kampf um das neue Eheredit

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Bundesminister Dr. Tichadek hat auf der Familienrechts - Enquete am 19. November erklärt, daß über das Eherecht neue Verhandlungen im Gange seien. Von amtlicher Seite wurde auch ein Gesetzentwurf vorgelegt, durch den einige Bestimmungen des geltenden reichsdeutschen Eherechts und Personenstandsrechts abgeändert werden sollen. Der Entwurf enthält einige anerkennenswerte Fortschritte, aber auch Vorschläge, die keineswegs geeignet sind, unser Eherecht auf der Verfassungsgrundlage der Glaubens- und Gewissenfreiheit zu regeln.

Zu. den Fortschritten zählt die Bestimmung, daß nunmehr der Standpunkt der Pflichtziviltrauung aufgegeben wird und die im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 76, sowie die im kanonischen Recht verankerte Eheschließung durch Stellvertretung, die dem reichsdeutschen Eherecht unbekannt ist, wiedereingeführt werden soll. Der Hauptnachteil des Entwurfes ist, daß sich seine Schöpfer offensichtlich nicht zu einer Gesamtreform des Eherechts entschließen konnten, wie sie etwa Professor Köstler in seinem .Entwurf für ein österreichisches Ehegesetz“ (Korallenverlag, Wien 1951) angeregt hat. Wenn es also bei der geplanten Einengung bleibt, würde bloß ein Stückwerk geschaffen und vor allem der Grundtendenz der Bundesregierung widersprochen werden, reichsdeutsche Gesetze überhaupt zu eliminieren und durch österreichische Bestimmungen zu ersetzen.

Daneben erheben sich aber noch andere schwere Bedenken gegen den Entwurf. Nach der vorgeschlagenen Neufassung des § 15 des reichsdeutschen Ehegesetzes darf gemäß Abs. 4 der Seelsorger einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft (denn nur dieser ist gemäß Abs. 3 zur Vornahme einer Trauung berufen) »die Eheschließung... nur auf Grund einer vom Standesamt ausgestellten Bescheinigung vornehmen“. Die einzige Ausnahme bildet Abs. 5, die lebensgefährliche Erkrankung eines der Verlobten, die einen Aufschub nicht gestattet. Zunächst sei festgehalten, daß der Seelsorger keine Eheschließung, sondern eine Trauung vornimmt, denn die Ehe wird von den Brautleuten geschlossen. Die Ausnahmebestimmung entspricht ungefähr dem § 67, Abs. 2, PStG. Er berücksichtigt jedoch nicht den sittlichen Notstand, wie er beispielsweise durch das deutsche Reichskonkordat anerkannt und auch heute noch in der Deutschen Bundesrepublik angewandt • wird. Der sittliche Notstand wird dort ausdrücklich folgendermaßen formuliert,

„... daß, außer im Falle einer lebensgefährlichen, einen Aufschub nicht gestattenden Erkrankung eines Verlobten, auch im Falle schweren sittlichen Notstandes ... die kirchliche Einsegnung der Ehe vor der Ziviltrauung vorgenommen werden darf.“

Gerade aus diesem Notstand aber resultieren erfahrungsgemäß die schwersten Härten und Gewissenskonflikte. Aus der Praxis der bisherigen Prozesse gegen Geistliche geht immer wieder hervor, daß sie einer Trauung assistierten, weil sie die Brautleute aus einem solchen Gewissenskonflikt befreien wollten. Es war zum Beispiel infolge der Schwierigkeiten der heutigen Zeit und der wenig einsichtsvollen Haltung der Standesbehörden nicht immer möglich, ausländische Dokumente beizubringen; aus anderen Beweismitteln ging jedoch klar hervor, daß Ehehindernisse nicht vorlagen. Der Staat gibt sich in solchen Fällen formalistischer und härter als die Kirche, die der Gewissensfreiheit weitaus mehr Rechnung trägt. Durch die Verpflichtung für die konfessionelle Oberbehörde, das Vorliegen eines sittlichen Notstandes zu bestätigen, könnten Willkür und Mißbrauch weitgehend ausgeschaltet werden.

Ein zweiter Einwand betrifft die Bescheinigung des Standesbeamten. Wohl ist das Wort „Ermächtigung“ zur konfessionellen Eheschließung, das in einem früheren Ministerialentwurf enthalten war, gefallen, der Geist ist jedoch geblieben. Das geht deutlich aus dem neu vorgeschlagenen § 15 a hervor, der im Abs. 1 besagt:

„Wollen die Verlobten die Ehe vor dem Seelsorger schließen, so ist ihnen vom Standesbeamten über ihren Antrag eine Bescheinigung zur Vornahme einer konfessionellen Eheschließung auszustellen ...“

Würde diese Bestimmung etwa so lauten, daß es sich hier um eine „Bescheinigung über das Nichtvorhandensein staatlicher Ehehindernisse“ handelt, so fiele der Ermächtigungscharakter, allerdings wäre dann auch § 15 a, Abs. 2, abzuändern. Nach dem Entwurf lautet er: „Der Standesbeamte darf die Bescheinigung erst nach Ablauf der Aufgebotsfrist oder nach der Befreiung vom Aufgebot ausstellen, fall6 ihm bis zum Zeitpunkt der Ausstellung kein Ehehindernis bekanntgeworden ist.“

Der Entwurf stellt keine Frist auf, innerhalb welcher der Standesbeamte die Bescheinigung auszustellen hat. Damit ist in die Hand des Standesbeamten eine gefährliche Macht gegeben, ja es könnte durch tendenziöse Auslegung die kirchliche Eheschließung geradezu erschwert werden. Es müßte also eine Bestimmung eingefügt werden, wonach der Standesbeamte verpflichtet ist, die Bescheinigung binnen längstens acht Tagen nach Ablauf der Aufgebotsfrist oder der rechtskräftigen Befreiung vom Aufgebot auszustellen.

Der neue § 18 a behandelt die Eheschließung durch Stellvertretung. Er ist gesetzestechnisch unklarer als der alte § 76 ABGB. Warum nicht auf eine altösterreichische Bestimmung zurückgreifen, die sich seit jeher bewährt hat? Es hätte lediglich die dort geforderte Bewilligung der Landesstelle zu entfallen, die durch eine einfache Prüfung der Vollmacht durch den trauungsberechtigten Standesbeamten oder Seelsorger zu ersetzen wäre.

Schwerste Vorbehalte ergeben sich gegen den neu vorgeschlagenen Art. IV des Gesetzentwurfes, der die Trauungsurkunden betrifft. Er stellt ein legisti-sches Unikum dar. Dort heißt es nämlich: „1. Eine Eheschließung, die nach den Bestimmungen dieses Bunde6ge6etzes vorgenommen wurde, kann, gleichgültig, ob die Ehe vor dem Standesbeamten oder dem Seelsorger geschlossen wurde, für den staatlichen Rechtebereich nur durch Urkunden bewiesen werden, die der Standesbeamte ausstellt. 2. Andere Bescheinigungen über Eheschließungen müssen an deutlich sichtbarer Stelle den Vermerk .Nicht gültig für den staatlichen Bereich!' tragen.“

Die Forderung, daß eine Eheschließung für den staatlichen Rechtsbereich nur durch Urkunden des Standesbeamten bewiesen werden kann, widerspricht allen Grundsätzen der Beweismittel der österreichischen Zivil-und Strafprozeßordnung sowie des österreichischen Verwaltungsverfahrens. Außerdem würden dadurch die auch weiterhin vom Gesetzentwurf geforderten zwei Trauzeugen überflüssig.

Art. V betrifft die Strafbestimmungen. Während der ganzen Dauer der Ehereditsdiskussion in Österreich wurde von kirchlicher und weltlicher Seite gegen den § 67 PStG angekämpft, der seine Wurzeln im Bismarckschen Kulturkampf hat und uns durch die nationalsozialistische Ära aufgedrängt wurde. Bundesminister Dr. H u r d e s hat in seinem Aufsatz „Ein Wort zur Ehefrage“ („Die österreichische Furche“ vom 20. Jänner 1951, Nr. 4, Seite 4) diese Bestimmung abgelehnt. Auch die österreichische Bischofskonferenz hat sie verurteilt.

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