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Wer einen geschiedenen Mann heiratet, heiratet auch dessen Schulden

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Die Scheidungsreform, von der es neuerdings heißt, sie werde nicht vor dem Frühjahr 1978 die Bühne des Parlamentsplenums passieren, ist wieder ins Gerede gekommen: diesmal geht es weniger um die Frage, ob eine Ehefrau weiterhin ihren Widerspruch gegen das Scheidungsbegehren des Mannes geltend machen kann oder nicht, momentan wird die Frage heftigst diskutiert, ob die geschiedene erste Frau in jedem Falle ein Recht auf Unterhalt haben soll oder ob in bestimmten Fällen der Unterhaltsan spruch der ersten Frau hinter den einer späteren zurücktreten soll. Wenn man bedenkt, daß laut Statistik ungefähr jeder vierte Wiener im heiratsfähigen Alter geschieden ist, versteht man auch, daß diese Frage die Gemüter sehr bewegen kann. Da zuletzt der Eindruck entstanden war, die politisierenden Frauen seien nicht ganz der Meinung ihrer männlichen Kollegen, führte die FURCHE ein Gespräch mit der Bundes vorsitzenden der ÖVP- Frauenbewegung, Herta Haider über die Scheidungsreform.

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Die Scheidungsreform, von der es neuerdings heißt, sie werde nicht vor dem Frühjahr 1978 die Bühne des Parlamentsplenums passieren, ist wieder ins Gerede gekommen: diesmal geht es weniger um die Frage, ob eine Ehefrau weiterhin ihren Widerspruch gegen das Scheidungsbegehren des Mannes geltend machen kann oder nicht, momentan wird die Frage heftigst diskutiert, ob die geschiedene erste Frau in jedem Falle ein Recht auf Unterhalt haben soll oder ob in bestimmten Fällen der Unterhaltsan spruch der ersten Frau hinter den einer späteren zurücktreten soll. Wenn man bedenkt, daß laut Statistik ungefähr jeder vierte Wiener im heiratsfähigen Alter geschieden ist, versteht man auch, daß diese Frage die Gemüter sehr bewegen kann. Da zuletzt der Eindruck entstanden war, die politisierenden Frauen seien nicht ganz der Meinung ihrer männlichen Kollegen, führte die FURCHE ein Gespräch mit der Bundes vorsitzenden der ÖVP- Frauenbewegung, Herta Haider über die Scheidungsreform.

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HAIDER: Da ist vielfach ein Widerspruch und ein Streit in unsere Partei hineininterpretiert worden, den es nicht gibt. Ich hatte ein Gespräch mit Justizsprecher Hauser, um mit ihm die Linie der Volkspartei abzustecken. Dabei hat sich herausgestellt: Im Grundsätzlichen sind wir völlig d’ac-’ cord. Auch Hauser ist grundsätzlich für den Vorrang des Unterhaltsanspruchs der ersten Frau.

FURCHE: Sie sagen, der Vorrang des Unterhaltsanspruchs der ersten Frau gelte „grundsätzlich”. In welcher Form soll das Türl für diejenigen Fälle offengehalten werden, wo Sie auch ein schutzwürdiges Interesse einer späteren Ehefrau anerkennen?

HAIDER: Das müßte im Gesetz genau festgelegt werden. Für den absoluten Vorrang der ersten Frau muß Voraussetzung sein, daß die Ehe eine gewisse Zeit aufrecht war oder daß Kinder aus dieser Ehe vorhanden sind. In der Praxis ist es natürlich möglich und denkbar, daß sich etwa eine 20jährige Frau nach recht kurzer Ehe, aus der keine Kinder stammen, Schuldlos scheiden lassen muß. Weiters ist es denkbar, daß eine spätere Ehe des selben Mannes viele Jahre aufrecht ist, daß auch Kinder vorhanden sind. Der Anspruch der ersten Frau soll also nur dann hinter jenen der zweiten zurücktreten, wenn der ersten Frau das Verdienen eines Lebensunterhaltes selbst zugemutet werden kann. Ich gebe zu, daß es nicht leicht sein wird, diesen Gedanken klar im Gesetz zum Ausdruck zu bringen.

FURCHE: Was hat Sie eigentlich bewogen, in ähnlicher Weise wie die Frauen in der Sozialistischen Partei, sich, innerparteilich dafür stark zu machen, daß die geschiedene erste Frau grundsätzlich auf dem „stärkeren Ast” sitzt?

HAIDER: Wenn eine Frau einen bereits einmal geschiedenen Mann heiratet, dann ist das genauso, als würde sie einen Mann mit Schulden heiraten. Diese Frau muß wissen, was sie tut. Es ist ja auch so, daß ein Mann allen seinen privatrechtlichen Verpflichtungen und Schulden immer nachkommen muß, unabhängig davon wie oft er sich verheiratet. Ich sehe wirklich nicht ein, warum der Unterhaltsanspruch der ersten Frau weniger gelten soll als privatrechtliche Ansprüche von irgendwelchen Firmen.

FURCHE: Auf der sozialistischen Seite wollen aber die Frauen das „Hin- tertürl”für die späteren Ehefrauen, die in Ausnahmefällen auch einen vorrangigen Anspruch haben sollen, in einer anderen Form offenhälten als Sie

HAIDER: Die von den Sozialisten als neue Version vorgeschlagene „flexible Lösung” sieht vor, daß der Richter im Einzelfall zu entscheiden hat, welche Frau schutzbedürftiger ist. Diese Rechtsunsicherheit für die erste Frau kann nur vermieden werden, wenn, wie gesagt, das Gesetz klare Verhältnisse schafft Beide Betroffenen, die geschiedene Frau und die zweite Frau, sollen bereits bei der Scheidung bzw. bei Eingehen einer neuen Ehe wissen, wie ihre finanzielle Situation aussehen wird. Im übrigen möchte ich dazu sagen, daß nach meinen Informationen die Einkommenseinbuße, die die erste Frau erleidet, wenn ihr der Vorrang im Unterhaltsanspruch nicht eingeräumt wird, sich bei maximal fünf Prozent bewegen dürfte.

FURCHE: Ist Ihre Forderung - und die der ganzen Volkspartei -, wonach der Widerspruch der schuldlosen Ehefrau in gewissen Fällen im Rahmen der „immateriellen Härteklausel” weiter beachtlich sein soll, eine unabdingbare Forderung?

HAIDER: Da bin ich ganz auf der Linie Hauser, den ich persönlich sehr schätze, zumal er sich von Anfang an für eine Härteklausel ausgesprochen hat und davon, trotz seiner liberalen Auffassung, die man ihm nachsagt, nicht abgerückt ist. In dieser Frage hat’s in unserer Partei Übehaupt keine Debatte gegeben. Wenn Broda hier nicht mitgeht, dann müssen die Sozialisten die Scheidungsreform halt mit ihren Stimmen allein beschließen. Wo besondere Härtefaile vorhanden sind, hat der Staat natürlich die Unauflöslichkeit der Ehe zu schützen.

FURCHE: Wieweit ist Ihrer Ansicht nach der Staat verpflichtet, die Ehe zu schützen?

HAIDER: Man sollte vom Gesetz her zumindest keinen Anreiz schaffen, daß die Ehen leichtfertig geschieden werden. Denn die Ehe soll auch für den Staat mehr sein als ein Vertrag Wenn wir von der Volkspartei das nicht festzuhalten versuchen, wer soll’s denn dann tun ? Die Leidtragenden der vielen leichtfertig geschiedenen Ehen sind ja zumeist die Kinder!

FURCHE: Läßt sich diese Aussage mit dem Wunsch vereinbaren, in Hinkunft eine „einvernehmliche Scheidung” möglich zu machen?

HAIDER: Wenn der beiderseitige Wille zur Auflösung vorhanden ist, dann soll eine solche einvernehmliche Scheidung erlaubt sein. Voraussetzung sollte aber sein, daß die Ehe doch eine gewisse Zeit bestanden hat, was die Sozialisten freilich nicht akzeptieren wollen.

FURCHE: Wie sieht der weitere Fahrplan bis zur Beschlußfassung der Scheidungsreform im Parlament aus? Viele Nebenfragen sind ja noch nicht geklärt. Etwa die, wie viele Pensionen Jur ein und denselben Mann gezahlt werden sollen.

HAIDER: Mit einer Verabschiedung noch vor dem Frühjahr 1978 ist nicht zu rechnen. Die ganzen Fragen im Be- reiclt der Sozial- und Penstonsversi- cherung sind noch völlig ungeklärt. Da müssen noch Lösungen gefunden werden. Bei der derzeitigen finanziellen Lage der Kassen kann ich mir nämlich schlecht vorstellen, daß nach einem Mann gleich mehrere Frauen pensionsberechtigt sein sollen, was ja erst mit den Beiträgen von uns allen bezahlt werden muß.

Das Gespräch mit Frau Herta Haider führte Alfred Grinschgl.

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