6902190-1980_31_04.jpg
Digital In Arbeit

Im Namen der Frauen: Eherecht noch liberaler

19451960198020002020

Justiz- und Innenministerium basteln an Korrekturen zum Ehegesetz. Durch Abschaffung gewisser Eheverbote soll der Zugang zur Wiederverehelichung erleichtert werden.

19451960198020002020

Justiz- und Innenministerium basteln an Korrekturen zum Ehegesetz. Durch Abschaffung gewisser Eheverbote soll der Zugang zur Wiederverehelichung erleichtert werden.

Werbung
Werbung
Werbung

Justizminister Christian Broda setzt Akzente. Nach dem Kreisky-Vorstoß, fünf weibliche Staatssekretäre in die Regierungsriege zu schleusen, kümmert sich nun Rechts-Altvater Broda um die politische Umsetzung des sozialistischen Schachzuges: Frauendiskriminierende Strukturen sollen in der österreichischen Rechtsszene Zug um Zug beseitigt werden.

Gesetzesbastler nützen denn auch die Sommerpause, um die von Staatssekretärin Johanna Dohnal eingebrachten Reformvorschläge - wie etwa zum Ehegesetz - in Paragraphenform zu gießen.

Dohnal zufrieden: „Wir haben uns durchgesetzt".

Bei Durchforstung der Gesetze nach Diskriminierungsaspekten der Frau stießen nämlich Dohnal-Helferinnen auf die zehnmonatige Wartezeit, die Witwen und geschiedene Frauen verstreichen lassen müssen, ehe sie sich wiederverheiraten dürfen.

Nach Dohnal- und Broda-Wollen soll nun diese Bestimmung aus dem Reichsehegesetz 1938 ersatzlos gestrichen werden.

Ursprünglicher Grund für das Eheverbot auf Zeit: die Vaterschaftsfrage.

Da nämlich grundsätzlich der Ehemann als Vater Tür jedes in der Ehe geborene Kind gilt, hatte der Gesetzgeber mit dieser Ehefrist eine Sicherheitsklausel des zukünftigen Ehepartners eingebaut: Mit der Frist von zehn Monaten sollte verhindert werden, daß die ehewillige Frau in Kenntnis oder Unkenntnis einer Schwangerschaft vom verstorbenen, geschiedenen oder „einem dritten" Mann (so ein Justizbeamter) eine neue Ehe eingeht.

Dies freilich ruft Frau Dohnal auf den Plan: „Man unterstellt also der Frau, daß sie den Mann betrügt und eine mögliche Schwangerschaft geheimhält!"

Inzwischen hat der medizinische Fortschritt für eine Lösung gesorgt: „Der Wahrscheinlichkeitsgrad, den Vater mittels medizinischer Untersuchung festzustellen, ist auf fast 100 Prozent (99,97 Prozent) gestiegen", offeriert der Chef der österreichischen Anwaltskammer, Walter Schuppich, Erfahrungswerte aus seiner Berufspraxis. Für ihn ist demnach dieser Grund „überholt".

Staatssekretärin Dohnal rekurriert zudem auf den Gleichheitsgrundsatz, gilt doch die Wartezeit explizit nur für Frauen: „Dann müßte die Frau vom Mann eine schriftliche Bestätigung verlangen, daß er nirgendwo heimliche Kinder hat".

Auch Anwalt Schuppich sinniert über die Interpretation von Gleichheit: „Vielleicht ist dieser Paragraph wirklich eine Gleichheitsverletzung. Die Konservativen in unserer Kammer haben sich jedenfalls gegen die Abschaffung der Wartefrist ausgesprochen", gibt sich der Senior progressiv.

Und die ÖVP-Abgeordnete Marga Hubinek kann sich vollends nicht mit den Neuerungswünschen ihrer SPÖ-Kollegin anfreunden: „Das liegt nicht in unserer Intention. Die Wartezeit beinhaltet ein eheerhaltendes Moment".

Die oppositionelle Obmann-Stellvertreterin ortet Minister-Linie: „Das ist genau die Absicht des Christian Broda - die Ehe kündbarer zu machen, um schneller ein neues Eheverhältnis zu ermöglichen".

Hubinek verweist überdies auf den Stellenwert einer Bedenkzeit: „Ich sehe in der Wartefrist die Möglichkeit, daß Geschiedene zur Ruhe kommen und über die Gründe ihrer gescheiterten Ehe nachdenken".

Dagegen freilich wehrt sich Gesetzesmann Schuppich: „Diese Frage liegt im außergesetzlichen Bereich. Das ist nicht die Aufgabe des Gesetzgebers. Er muß Schwierigkeiten ausräumen", entkoppelt Schuppich die Gesetzgebung von der gesellschaftsformenden Polit-Ebene, um dann in das bekannte Klagelied einzustimmen: „Es gibt ohnehin so viele Formalismen".

Noch ein zweites Verbot soll bei der Novellierungsaktion fallen: Nach bestehendem Recht darf eine Ehe nicht geschlossen werden „zwischen einem wegen Ehebruchs geschiedenen Ehegat-' ten und demjenigen, mit dem er den Ehebruch begangen hat, wenn dieser Ehebruch in dem Scheidungsurteil als Grund der Scheidung festgestellt ist" (9, Ehegesetz 1938).

Bislang wurde von dieser Vorschrift fast immer Befreiung bewilligt. Jetzt soll der Paragraph eliminiert werden.

Brodas Justizgehilfen wollen freilich den Fragenkomplex bloß als Anhängsel zur Änderung des Personenstandsgesetzes (Ressort: Innenministerium) verstanden wissen: „Wir wollen bei dieser Gelegenheit jene Aspekte prüfen, bei denen immer Dispens gewährt wurde. Es werden keine revolutionären Neuerungen in Angriff genommen werden", will Ministerialrat Herbert Ent jedem Oppositionswiderspruch den

Wind aus den Segeln nehmen.

Nach dem Reformentwurf zum Personenstandsbuch soll das Aufgebotsverfahren (Bekanntmachung der Eheschließung durch Aushang am schwarzen Brett, damit im Falle von Ehehindernissen die Bevölkerung der Behörde Mitteilung machen kann) beseitigt werden. Künftig wird die Vorlage der Dokumente durch die Verlobten genügen.

Dies trifft auf allgemeine Zustimmung: „Das Aufgebot ist völlig überflüssig. Es schaut eh' niemand aufs schwarze Brett", kennzeichnen Standesbeamte das Bürgerverhalten.

Problemreicher freilich läßt sich die geplante Abschaffung des Ehefähig-keitszeugnisses für Ausländer an.

Jeder fremdländische Ehewillige mußte bislang eine Bestätigung seiner Heimatgemeinde beibringen, worin die Behörde seine Ehefähigkeit (beispielsweise: daß kein Ehestand bereits vorliegt) attestiert.

Während Juristin Hubinek hierin die Begünstigung zum Mißbrauch wittert, stellt Rechtsvertreter Schuppich die Gewissensfrage: „Soll man eheliberal

sein?".

Der ministerielle Familien- und Ehejurist Ent skizziert die politische Strategie des Ministers. Er kalmiert: „Man nimmt ein bißchen mehr in den Entwurf hinein. Wenn sachliche Gegenargumente kommen, läßt man dann das eine oder andere fallen".

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung