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Die neue Frauenfront

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Ihr Weg in die Regierung ist mit vielen guten Vorsätzen gepflastert: Die 38jährige Salzburger Arbeiterkammerreferentin Elfriede Karl übersiedelt am 4. November — dem Tag ihrer Angelobung — als Staatssekretärin im Bundeskanzleramt nach Wien. „Ich gehe von Salzburg nicht sehr gern weg“, gibt sie zu, „aber wenn einem die Chance geboten wird, greift man zu.“ Mit ihrer Stellung hofft sie Zug um Zug auch die Stellung der Frau allgemein zu verbessern. Das Hauptaufgabengebiet des familienlosen Staatssekretärs: die Familienpolitik.

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Ihr Weg in die Regierung ist mit vielen guten Vorsätzen gepflastert: Die 38jährige Salzburger Arbeiterkammerreferentin Elfriede Karl übersiedelt am 4. November — dem Tag ihrer Angelobung — als Staatssekretärin im Bundeskanzleramt nach Wien. „Ich gehe von Salzburg nicht sehr gern weg“, gibt sie zu, „aber wenn einem die Chance geboten wird, greift man zu.“ Mit ihrer Stellung hofft sie Zug um Zug auch die Stellung der Frau allgemein zu verbessern. Das Hauptaufgabengebiet des familienlosen Staatssekretärs: die Familienpolitik.

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Was aber stellt sich die frischgebackene Frau Staatssekretär (der übrigens schon jetzt der Titel „Miß Regierung" verliehen wurde) vor, wenn sie sich um die Stellung der Frau in der Gesellschaft annehmen will? „Ich meine da Gleichberechtigung in Beruf und Familie, bei Entlohnung, Aufstiegschancen und Ausbildung“, sprudelt sie hervor. Der Vorwurf, das seien ja weitgehend Schlagworte, die schon lange strapaziert werden, trifft sie wenig. Sie möchte heute noch nicht mehr sagen als solche Schlagworte. Vorsichtig — man könnte fast sagen: durch frühere Beispiele gewitzigt — gibt sie zu verstehen, daß „tatsächlich viel geredet wurde, aber man hat darauf nicht reagiert, sondern eben alles nur als Gerede abgetan.“ Das, so hat sie sich vorgenommen, soll jetzt anders werden. Wie? „Ich möchte mich noch nicht festlegen.“

Wesentlich konkreter wird da die VP-Abgeordnete Dr. Marga Hubinek. Sie ist allerdings kein Neuling mehr. „Wir werden uns abwartend verhalten und einmal schauen, ob ein Staatssekretär für diese Fragen ein reines Alibi ist, oder ob tatsächlich konkrete Vorstellungen damit verbunden werden“, sieht Hubinek der kommenden Konfrontation „Frau gegen Frau“ entgegen. „Uns unterscheidet von den Sozialisten, daß wir die Wahlfreiheit der Frau zwischen Beruf und Haushalt erhalten sehen wollen.“ Hauptaufgabe auf diesem Gebiet scheint Frau Hubinek die Minderung der Doppelbelastung Beruf-Haushalt zu sein: „Damit müssen wir fertig werden." Und dann: „Wenn Sie mich fragen, wo man den Hebel ansetzen müßte, glaube ich, daß der Bund — als größter Arbeitgeber im Land — bei spielgebend sein und die Teilzeitbeschäftigung für Frauen einführen sollte." Außerdem müßte man der Frau auch steuerlich helfen und sie nicht noch mit einer „Haushaltsbesteuerung“ bestrafen.

Kein SPÖ-Alleingang für § 144?

Vom Budget — und welche Mittel für Familienpolitik zur Verfügung stehen — weiß mittlerweile der angehende Staatssekretär am Ballhausplatz noch nichts. Eines steht aber für Frau Karl fest: „Die Mittel aus dem Familienlastenausgleich sollten die tatsächlichen Belastungen ausgleichen, die durch Kinder entstehen.“ Das sind aber „Schulfreifahrten ebenso wie freie Schul bücher, die schon einmal vorgeschlagen wurden, und höhere Familienbeihilfen." Um in die „Diskussion um den Budgetkuchen eingreifen“ zu können, glaubt sie sich aber noch nicht sattelfest genug.

Wesentlich stärker deckt sich die Meinung der beiden Politikerdamen aber auf einem anderen Gebiet: Noch im November will Justizminister Broda den Entwurf für eine „große Reform“ des Strafrechts im Parlament einbringen. Und mit diesem Entwurf steht der § 144 — die Abtreibung — zentral zur Debatte. „Meiner Meinung nach ist es besser, vorher Empfängnis zu verhüten, als nachher abzutreiben", bekennt Frau Karl; denn derzeit sei „die Abtreibung nur dann möglich, wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind“.

Eine Lockerung der geltenden Bestimmungen sei für sie diskutabel, aber es dürfe nicht vergessen werden, „daß auch jeweils der Mann etwas mitzureden“ haben soll. Die neue Staatssekretärin weiß, daß die sozialistische Mandatsmehrheit im Parlament in dieser Frage allein entscheiden könnte; das aber würde sie nicht als günstig empfinden. Und was die derzeit laufende Ünter- schriftenaktion in den katholischen Pfarren betrifft, die sich gegen eine Lockerung des § 144 richtet, vertritt sie die Ansicht, daß man „diese nicht einfach vom Tisch wischen" kann. Nein, „damit muß man sich auseinandersetzen“. Wie? Die Frage bleibt offen.

Aber auch Marga Hubinek glaubt nicht, daß die Sozialisten beim § 144 StG. einen Alleingang wagen: „Die SPÖ wird die einfache Mehrheit nicht in dieser Frage ausnützen, wie Broda in Andeutungen fallen ließ, sondern einen Kompromiß mit breiter Basis suchen", wirft sie ein, und weist auf ähnliche Situationen bei der „kleinen Reform“ hin. „Wir wollen die Abtreibung nochmals in einer Enquäte mit Medizinern und Juristen diskutieren", behält sich Hubinek konkretere Aussagen vor. Die Abtreibungsdunkelziffer soll in Österreich um die 100.000 jährlich liegen. Deshalb sei „nicht entschei dend, ob die Abtreibung hart oder weniger hart bestraft wird, sondern ob diese Dunkelziffer zu senken ist."

„Wie beim Schwangerenturnen“

Die Lösung scheint für SPÖ-Karl und ÖVP-Hubinek in der Empfängnisverhütung zu liegen. Gleichsam unisono hört man: „Jede Frau, die die Pille will, soll sie auch bekommen. Aber nicht ohne ärztliche Kontrolle.“ Und beide sind sich einig, daß auch bei der Haltung der Kirche „noch nicht das letzte Wort gesprochen ist". Eine verstärkte Information der Frauen sei notwendig, nur über das „Wie?" herrscht keine Klarheit. Frau Karl sieht beim Arzt den Ansatzpunkt: „Vielleicht könnte man auch so etwas ähnliches wie Be- ratungssdienste machen, wie sie jetzt beispielsweise für Schwängerenturnen bestehen“, jedenfalls aber sollte schon in der Schule damit begonnen werden.

Auch Frau Hubinek will in der Schule beginnen. Sie sieht eine Möglichkeit für Beratungsstellen über Familienplanung an Krankenhäusern, glaubt aber darüber hinaus, daß die Massenmedien — und hier vor allem Hörfunk und Fernsehen — sich der Aufklärungsarbeit auf diesem Gebiet annehmen sollten. Mit einem Wort: Es gärt an der politischen „Frauenfront“, offenbar über die Parteien hinweg.

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