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„Reserven sind nun aufgebraucht"

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Welches konkrete Familienbild schwebt Elfriede Karl vor? Woher will sie Geld für den Familienlastenausgleich bekommen? Wird die Familienförderung von Unverheirateten mißbraucht? Was will sie bei der Steuerreform für die Familien erreichen?

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Welches konkrete Familienbild schwebt Elfriede Karl vor? Woher will sie Geld für den Familienlastenausgleich bekommen? Wird die Familienförderung von Unverheirateten mißbraucht? Was will sie bei der Steuerreform für die Familien erreichen?

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FURCHE: Der Bogen Ihrer künftigen Kompetenzen spannt sich von Familienfragen über den Bereich der außerschulischen Jugenderziehung bis hin zum Konsumentenschutz. Und die zentrale Koordinierungskompetenz, die vorerst beim Kanzleramt liegt? Sie umfaßt ja in einem Atemzug Angelegenheiten der Frauen- und Familienpolitik.

ELFRIEDE KARL: Der Wirkungsbereich wird allgemeine Angelegenheiten der Familienpolitik und Familienförderung umfassen. Nicht ausdrücklich erwähnt sind Frauenfragen. Aber selbstverständlich bearbeite ich Frauenfragen, soweit sie mit Familienpolitik in Zusammenhang stehen. Aber es gibt daneben nach wie vor die Frau Staatssekretär Dohnal mit dem speziellen Aufgabenbereich. Die Frau ist ja nicht nur Familienmensch, sondern auch Individualität.

FURCHE: Wäre aber das Staatssekretariat nicht sinnvollerweise bei Ihrem Ministerium anzusiedeln gewesen?

KARL: Das ist etwas, was man diskutieren kann. Nur hat sie im Bundeskanzleramt die Möglichkeit, im Rahmen der allgemeinen Koordinierungskompetenz des Bundeskanzlers zu arbeiten, was von einem gewissen Vorteil ist.

Dazu kommt: Das Ministeriuhi muß erst aufgebaut werden. Und ein Ressort, das sich im Aufbau befindet, wäre überfordert, wenn man gleich einen Minister und einen Staatssekretär hineinsetzt.

FURCHE: Das Ministerium aufbauen: das klingt nach neuen Schreibtischen, nach zusätzlicher Bürokratie...

KARL: Wir haben jetzt den Plan mit etwa 75 Dienstposten, wobei etwas mehr als 50 aus anderen Ministerien mit ihren Arbeitsbereichen zu übertragen sind. Das sind Beamte, die es jetzt schon gibt. Neu werden es ungefähr 20 werden.

FURCHE: Jetzt sind Sie dann ab 1. Jänner 1984 zwar nicht mehr ohne Portefeuille, aber eigentlich ohne Portemonnaie. Auch den Fa-milienlastenausgleichsfonds hat das Schicksal anderer öffentlicher Kassen ereilt: er ist leer, gerät in die roten Zahlen. 1983, heißt es, fehlen schon etwa zwei Milliarden Schilling. Wie wollen Sie zu Geld kommen?

KARL: Tatsache ist, daß der Fonds die Reserven, die in den siebziger Jahren gebildet worden sind, aufgebraucht hat. Ich habe seinerzeit die Änderung der Finanzierungsbasis akzeptiert und auch vertreten. Dies hat ja letztlich dazu gedient, das Budget von anderen Ausgaben zu entlasten und damit mehr Spielraum für die Wirtschaftspolitik zu schaffen. Das aus der Überlegung heraus, daß es für die Familien wichtig ist, daß die Familienmitglieder auch Arbeit bekommen. Dazu stehe ich nach wie vor. Dazu kommt aber auch, daß der Fonds in seinen Einnahmen ausschließlich wirtschaftsabhängig ist.

FURCHE: Das ist eine Erklärung, keine Abhilfe.

KARL: Es stimmt, daß die Reserven heuer aufgebraucht werden. Aber ich darf keine Budgetdaten nennen. Für heuer kommt auch die Verpflichtung des Bundes teilweise zum Tragen, jene 3,4 Milliarden Schilling, die wir 1970 übernommen haben, zurückzu-zahlen. Und für 1984 muß man Lösungen finden. Das ist Gegenstand der Budgetverhandlungen, da kann ich keine Angaben machen. An sich enthält ja das Gesetz für den Familienlastenausgleich Regeln, wie vorzugehen ist, wenn die Ausgaben aus der laufenden Gebarung nicht mehr gedeckt werden können.

FURCHE: Und die lauten?

KARL: ... daß erstens die Reserve zu verwenden ist, zweitens der Bund seine Schulden zurückzuzahlen hat; und drittens ist eine Ausfallhaftung aus Haushaltsmitteln vorgesehen. Mehr kann ich jetzt dazu nicht sagen.

FURCHE: Und wie ist das mit der sogenannten Selbstträgerschaft von Bund, Ländern und Gemeinden? Sie zahlen zwar die Familien- und Geburtenbeihilfe selbst, sonst aber leben sie - von Schulfreifahrten bis zu Schulbüchern — vom Fonds, in den sie nichts hineinzahlen. Soll sich das ändern?

KARL: Der Fonds finanziert sich zu zwei Dritteln aus Beiträgen von der Brutto-Lohnsumme, zu einem Drittel aus Uberweisungen an Steueraufkommen. Das sind bitte auch Steuern, die die Dienstnehmer den Gebietskörperschaften zahlen. Die Frage wird heillos überschätzt.

FURCHE: Eine andere Möglichkeit, dem Fonds zusätzliche Mittel zu erschließen, wären Beitragserhöhungen.

KARL: Ich möchte hier nichts bejahen und nichts ausschließen. Das ist Gegenstand der Budgetverhandlungen.

FURCHE; Die längste Zeit wird aber schon diskutiert, ob nicht diverse Leistungen an eine Einkommenshöhe gebunden werden sollen. Wie stehen Sie dazu?

KARL: Wir haben durch die starke Ausweitung der direkten Leistung und der Einschränkung der Steuerbegünstigung erreicht, daß die volle Förderung auch jenen zugute kommt, für die Steuerermäßigungen keine oder nur sekundäre Bedeutung haben. Trotzdem war lange auch meine Überlegung, daß man die Förderung progressiv mit der Kinderzahl und degressiv zum Einkommen gestaltet. Nur gibt es da keinen administrierbaren Zugang.

FURCHE; Das heįj3f, diese Idee wird nicht weiter verfolgt?

KARL: Ich würde sie nicht für vollziehbar halten.

FURCHE: Muß man aus dem bisher Gesagten nicht schließen, daß es ohne Einnahmenerhöhungen nicht geht?Entschuldigen Sie die Hartnäckigkeit.

KARL: Ich kann und will dazu nichts sagen.

FURCHE; Finariziell können Sie in Zukunft aber sicher keine großen Sprünge machen. Welche neuen Akzente wollen Sie da setzen?

KARL: Die großen materiellen Verbesserungen, die es in den siebziger Jahren gegeben hat, wirc^ es in diesem Ausmaß nicht geben können. Der Schwerpunkt wird sein — und ich halte das auch familienpolitisch für wichtig —, ein möglichst großes Arbeitsplatzangebot zu erhalten. Man darf Sozialpolitik — und Familienpolitik ist Sozialpolitik — sicher nicht vergessen, aber man muß solche Prioritäten setzen.

FURCHE: Familienpolitik ist aber mehr als Sozialpolitik: Gesellschaftspolitik im eigentlichen Sinn. Welches Familienbild steht überhaupt dahinter?

KARL: Die partnerschaftliche Familie, die sich ihre Aufgaben in eigener Verantwortung teilt, die auch frei über die Zahl der Kinder entscheidet. Für mich ist aber Familie nicht nur das Ehepaar mit Kindern, sondern auch der alleinstehende Elternteil mit Kindern und auch das Paar, das Kinder hat, aber nicht verheiratet ist. Die Familienförderung konzentriert sich bei uns ja auf das Vorhandensein von Kindern. Aber ich respektiere, daß die Partner mit einer Ehe Verpflichtungen eingehen, die Unverheiratete nicht haben. Da wird es immer Unterschiede geben, auch in den Leistungen.

FURCHE: Ist heute nicht schon die lose Lebensgemeinschaft teilweise im Vergleich zur intakten Familie bei der Förderung bevorzugt?

KARL: Es gibt zwei Bereiche, für die das behauptet wird. Erstens temporär die Hilfe für die alleinstehende Mutter, das höhere Karenzurlaubsgeld und die Notstandshilfe. Das hat man gemacht, allgemein begrüßt übrigens, um der Frau zu helfen, die ihr Kind allein zu versorgen hat.

Hier gibt es offensichtlich - das wird auch immer wieder gesagt -einen Mißbrauch. Aber ich habe noch in keinem konkreten Fall Unterlagen erhalten. Dem versuchen wir aber jetzt vorzubeugen: Die Arbeitsämter sind angewiesen, bei der Inanspruchnahme den Nachweis zu verlangen, daß die zwei Elternteile nicht doch miteinander leben. Und ich habe mit dem Sozialminister bereits vereinbart, daß wir uns weiter mit dem Problem beschäftigen. Ein Indiz für diesen Mißbrauch ist, daß die Zahl der unehelichen Geburten steigt.

FURCHE: Und der zweite Bereich?

KARL: ... ist die Möglichkeit, Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung abzusetzen.

FURCHE: Für die Frau künftig nur mehr bei Wiederverheiratung des Unterhaltspflichtigen. Wäre bei Kindern eine ähnliche Regelung denkbar?

KARL: Das ist sicher ein Punkt, den man noch weiterdiskutieren

FURCHE: Das wäre eine Uber-legung für die angekündigte Steuerreform. Sollte nicht überhaupt das Familieneinkommen bei der Steuerleistung berücksichtigt werden?

KARL: Da möchte ich eine grundsätzliche Anmerkung machen: Ich werde mich auch in der Diskussion um die bevorstehende Steuerreform dazu bekennen, daß die Kinder durch direkte Leistungen berücksichtigt werden und nicht über die Steuer. Und dort, wo ein Elternteil nicht berufstätig ist, wird ja das über den sogenannten AUeinverdienerabsetz-betrag berücksichtigt.

FURCHE: Sprächen aber dann nicht gerade familienpolitische Überlegungen für eine vergleichsweise stärkere Anhebung des Alleinverdienerabsetzbetra-ges. Müßten Sie sich nicht dafür stark machen?

KARL: Sicher muß man das wieder diskutieren. Allerdings spielt auch da das Einkommen eine Rolle. Oft müssen zwei arbeiten - und sie kommen nicht auf das Einkommen, das unter Umständen ein Alleinverdiener hat. Das gilt es auch zu bedenken.

Eines möchte ich aber nicht verschweigen: Bei der letzten Steuerreform hat es eine Diskussion gegeben, den AUeinverdienerab-setzbetrag nur dort — dafür aber kräftiger - zu erhöhen, wo auch Kinder zu versorgen sind. Das würde den Familien entgegenkommen. Von der Administration her wäre das durchaus zu bewältigen gewesen. Nur ist dieser Gedanke in den Verhandlungen dann wieder untergegangen.

FURCHE: Werden Sie also die Idee in die bevorstehende Steuerreform wieder einbringen?

KARL: Ich werdeidas jedenfalls zur Diskussion stellen.

Das Gespräch mit Frau Familienministor Elfriede Karl führte Hannes Schopf.

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