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Grundsätzliches zum Ehe- und Familienrecht

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In jüngster Zeit wurden die Richtlinien bekannt, nach denen das Justizministerium den Entwurf eines neuen österreichischen Familienrechts auszuarbeiten beabsichtigt. Wohl handelt es sich hier noch nicht um endgültige Formulierungen, doch mag es nicht unangebracht sein, einige grundsätzliche Fragen anzuschneiden. Soweit bisher festgestellt werden kann, ist das Ziel der Familienrechtsreform wesentlich eingeschränkter, als ursprünglich anscheinend beabsichtigt war. Nach den neuen Plänen soll der Grundsatz gelten, daß die Ehegatten gleiche Rechte und Pflichten haben, ein Grundsatz, den das kirchliche Recht schon längst verwirklichte, dessen Übertragung ins weltliche Recht nur zu begrüßen ist. Es wäre jedoch verfehlt, daraus abzuleiten, daß im Falle mangelnden Einverständnisses innere Familienstreitigkeiten Tür und Tor öffnen sollen, um das Gericht oder die Verwaltungsbehörde anzurufen, sei es, um im Wege einer Exekution die Durchsetzung allfälliger Vereinbarungen zu erzwingen oder daraus neue Scheidungsgründe abzuleiten. Der bekannte österreichische Rechtslehrer Prof. M i 11-e i s, der vor kurzem über die Familien-rechtsreformpläne der Bonner Regierung einen sehr beachtenswerten Vortrag in der juristischen Gesellschaft hielt, warnte eindringlich vor diesen Bestrebungen, weil sie nicht dazu beitragen, die Familie zu erhalten, sondern eher zu zerstören. Hier müßte ein sehr klarer, begrenzter Rahmen geschaffen werden, um nicht statt einer Verbesserung eine Verschlechterung herbeizuführen.

Daß jedem Ehegatten das Recht zustehen muß, in der heutigen Zeit, soweit es mit den Pflichten gegenüber der Familie vereinbar ist, eine .eigene

Erwerbstätigkeit auszuüben, erscheint selbstverständlich. Daraus aber die allgemeine Verpflichtung abzuleiten, daß der eine Gatte nötigenfalls auch im Beruf des anderen mitzuarbeiten hat, kann unmöglich zur allgemeinen Rechtsregel werden. Daraus könnten sich die absurdesten Forderungen ergeben, die erst recht wieder zur Zerstörung der Familie führen Nicht einzusehen ist, warum das Vertretungsrecht des Mannes für die Frau völlig entfallen sollte. Es wäre wohl richtiger, grundsätzlich das Vertretungsrecht des Mannes aufrechtzuerhalten und seine Beschränkung der freien Vereinbarung, beziehungsweise der err werbstätigen Frau die selbständige Vertretung ihrer Berufsinteressen gesetzlich zu überlassen. Sehr zu begrüßen wäre die Erweiterung des Namens-, rechtes, das der Ehegattin das Recht einräumt, neben dem Familiennamen ihren bisherigen Zunamen weiter zu führen. Für die berufstätige Frau ist dies in der heutigen Zeit eine Notwendigkeit. Zu begrüßen ist auch die Ersetzung der väterlichen durch die elterliche Gewalt, wobei jedoch auch hier eine gesunde Abgrenzung zu finden ist, damit Familiendifferenzen nicht ohne weiteres vor die staatliche Behörde gebracht werden können.

In der Frage des Gerichtsstands und Wohnsitzes scheinen die neuen Pläne weitgehend für die Aufhebung des gemeinsamen Familienwohnsitzes einzutreten. Das erscheint aus vielen Gründen bedenklich, dies um so mehr, als dabei auch Bestrebungen laut werden, die für eine Zersplitterung des Wohnsitzes der einzelnen Kinder eintreten. Man geht sogar noch weiter, indem für den Fall als nur ein Teil erwerbstätig ist, der Wohnsitz nur durch diesen Teil bestimmt werden soll. Wenn dem so wäre, würde beispielsweise der Pensionist (also der nicht mehr erwerbstätige Rentenbezieher) aufhören, den Familienwohnsitz zu bestimmen, wenn seine Frau noch berufstätig ist. Hier hätte wohl grundsätzlich auch für die Zukunft zu gelten, daß der Familienwohnsitz und damit auch der Familiengerichtsstand mit dem Wohnsitz des Ehemannes zusammenfällt. Das schließt keinesfalls aus, daß die Frau für ihre Berufsinter essen, aber auch nur für diese, einen abgesonderten Gerichtsstand erhält.

Es ist leider ein Zeichen der Zeit, daß infolge der Wohnungsnot oder beruflicher Schwierigkeiten die Ehegatten ganz oder zeitweilig getrennt leben müssen. Bei der harmonierenden Familie wird aber immer das Bestreben vorhanden sein, sie wieder zusammenzuführen. Diesem Bestreben sollte aber durch das zu schaffende Recht nicht entgegengewirkt werden. Es hat fast den Anschein, als ob im Wege der Befürwortung der Trennung des Wohnsitzes der Ehegatten als eine rechtliche Institution via facti die Scheidung von Tisch und Bett, die dem gegenwärtigen aus dem nationalsozialistischen Regime stammenden Eherecht unbekannt ist, wieder eingeführt werden soll. Es Wird also hier im Wege des Familienrechts eine Änderung des Eherechts erstrebt, der man ansonsten aus dem Weg zu gehen scheint. Und damit kommen wir zum Kern des Problems.

Genau so wie die Ehe die Grundlage der Familie ist, kann auch eine gesunde Familienrechtsreform nicht durchgeführt werden, so lange nicht unser Eherecht wieder auf eine österreichische Basis gestellt wird.

Hieher gehört vor allem die Freiheit der Eheschließung. Der zur Zeit geltende Zwang zur standesamtlichen Ziviltrauung und die Strafsanktionen, die Geistliche bedrohen, wenn sie eine konfessionelle Trauung ohne vorgängige standesamtliche Trauung vornehmen, widerspricht dem verfassungsmäßig geschützten Recht der Religions- und Gewissensfreiheit. Der Staat hat kein Recht, dem gläubigen Christen vorzuschreiben, wann und ob er ein Sakrament empfangen darf. Es ist daher dankenswert, daß Fürsterzbischof Dr. Rohracher dieses Recht des katholischen Volkes von Österreich neuerlich feststellte und für seine Diözese unter Einsetzung seiner Person die Initiative ergriff im Namen des Schutzes der sakramentalen Ehe und der Freiheit der konfessionellen Eheschließung. Das ist die brennende Frage, die vor jeder anderen zu beantworten ist. Dieser Forderung trägt auch der Initiativantrag der Abgeordneten Solar und Genossen Rechnung, die die Schaffung eines Gesetzes zur staatlichen Anerkennung des konfessionellen Trauungsaktes fordern, ein Antrag, der allerdings vom Justizministerium bisher unbeantwortet blieb. In einer Demokratie ist Religions- und Gewissensfreiheit ein im Naturrecht begründeter Fundamentalsatz. Wer sich dagegen stellt, trägt dazu bei, totalitären Zwang zu verewigen, der unseren Verfassungsprinzipien widerspricht.

Die Initiative des Justizministers Doktor T s c h a d e k, die Änderung des Familienrechts in die Wege zu leiten, ist aufrichtig zu begrüßen, sie darf jedoch weder zu einseitig noch zu eng umschrieben sein. Wir vermissen beispielsweise Fragen wie die Gleichberechtigung der ehelichen und unehelichen Kinder und eine Änderung des veralteten Adoptionsrechts. Abzulehnen ist jedenfalls der Versuch, im Wege einer Familienrechtsänderung das Scheidungsrecht zu erweitern und überhaupt Fragen des Eherechts mit erledigen zu wollen, ohne den Kern der dringend notwendigen Eherechtsreform zu berühren. Eherecht und Familienrecht lassen sich nicht trennen. Darauf sollte bei der gesetzlichen Behandlung dieser Materie ge-. achtet werden.

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