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Beziehungsloses Namenspuzzle

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„Wer darf das Kind beim rechten Namen nennen?" (Goethe, Faust 1 ). Künftig der Richter? Das neue Namensrecht ist durch die Wah l im Oktober nur vorläufig auf Eis gelegt.

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„Wer darf das Kind beim rechten Namen nennen?" (Goethe, Faust 1 ). Künftig der Richter? Das neue Namensrecht ist durch die Wah l im Oktober nur vorläufig auf Eis gelegt.

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Sollen Ehegatten künftig auch verschiedene Namen tragen? Justizminister Egmont Foregger und Frauenstaatssekretärin Johanna Dohna! sagen ja, der Katholische Familienverband sagt nein, ÖVPJustizsprecher Michael Graff und Familiensprecherin Rosemarie Bauer sagen jein.

Einig sind sich die Streitparteien, daß sich die Debatte nicht um Schall und Rauch, sondern um „das wichtige Gebiet des Namens" beweg????. wie es der jüngst eingebrachte SPÖ-

Gesetzesantrag formuliert hat. Die grundsätzliche Bedeutung( slosigkeit) - siehe auch FURCHE 17 /1990 - ist an der jeweiligen Begründung abzulesen: Die SPÖ argumentiert streng individualistisch und als Korrektiv notwendigerweise dirigistisch, der Familienverband auf Basis der Solidarität, die ÖVP „kompromißlerisch".

Nach den Vorstellungen der Volkspartei sollen die Partner bei einer Eheschließung wie bisher einen gemeinsamen Familiennamen wählen, wobei aber die Frau das Recht hat, ihren Geburtsnamen weiterzuführen. Allein: Wie sollen vereinbarter gemeinsamer und weitergeführter separater Name zugleich möglich sein?

Schubladierung des gemeinsa- . men Familiennamens heißt! die Lösung. Dieser verschwindet in die Versenkung von „Personenstandsurkunden und Matriken", in allen anderen Dokumenten - wie etwa einem Reisepaß oder Meldezettel sowie schlicht im täglichen Leben - treten die Eheleute unter verschiedenen Namen auf. Die VPSelbsteinscliätzung, daß damit eine „gelungene Verbindung" zwischen

einem „erkennbaren" gemeinsamen Namen und dem Persönlichkeitsrecht der Frau hergestellt sei, ist schwerlich ernst zu nehmen. Eine Erkennbarkeit des „geheimen" Familiennamens ist bei entsprechender Nachforschung freilich schon gegeben. Letztlich kann dieser posthum in den Sterbeurkunden nachgelesen werden.

Staatssekretärin Dohna! votiert wiederum für das Recht auf Beibehaltung der Geburtsnamen in der Ehe, weil diese „Ausdruck der Identität und Individualität" seien. Die Aufgabe eines angestammten Familiennamens könne, wenn damit bereits berufliches Prestige erworben wurde, zu „nicht unbeträchtlichen finanziellen Belastungen" · führen, lautet die sorgenvolle Begründung des parlamentarischen Initiativantrages ihrer Fraktion.

Es geht freilich um mehr als um die zur notdürftigen Bedekkung herangezogene Sorge von a bsturzgefährdeten Arrivierten. Die Kernfrage lautet: Wie verträgt sich Dohnals extremer lndividua-

lismus mit dem Grundwert ihrer Partei, der Solidarität? Der Katholische Familienverband tritt, als Ausdruck der gleichen Würde von Frau und Mann, für absolut spiegelgleiche Möglichkeiten ein, den gemeinsamen Familiennamen zu wählen, welcher entweder der Name der Frau, des Mannes oder ein Doppelname in welcher Reihenfolge immer sein kann. Damit steht er auf dem Boden des neuen Familienrechts, das von der gleichberechtigten und einvernehmlichen Gestaltung der „ umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft" ausgeht. Der einver???? nehn\lich ,gewä)llte Familie????ame. .ist Mome\lt.rWld Ausdruck di????es gemeinsamen Willens, dem ein „Zwang" fremd ist.

Der oft zur Relativierung herangezogene Vergleich mit den Rechtstraditionen anderer Länder hilft da nicht weiter, da die Ehen in Österreich geschlossen werden. Ebensowenig hilft ja österreichischen Arbeitslosen der Vergleich mit den Arbeitslosenstatistiken anderer

Länder. Wenn Brautleute eine Ehe eingehen wollen, sich aber nicht einmal auf einen gemeinsamen Namen - weder für sieb noch ihre gemeinsamen Kinder - einigen können, dann ist die Basis für ein gemeinsames Leben bedenklich schmal und von Anfang an konfliktbeladen. Solche unnötigen Konflikthürden vor und in der Ehe werden durch die jüngsten SPÖVorstöße geradezu provoziert.

Nunmehr soll das Gericht im Streitfall auch gegen den Willen der Eltern oder eines Elternteils den Familiennamen ihrer Kinder bestimmen. Das ist die logische Konsequenz, wenn man die Familie nur als Kollektiv von Einzelpersonen ansieht, den gemeinsamen Familiennamen nicht ernst nimmt und rechtlich absichert. Dann bleibt nur mehr die Fremdbestimmung durch den Staat ;ils rückschrittlicher Ausweg offen. So gesehen betreibt Dohnal eine konsequente Familien-Auflösungspolitik nach dem Muster des liberalen Nachtwächterstaates des vorigen Jahrhunderts.

Jedes überzogene Prinzip wirkt zerstörerisch und zuletzt selbstzersetzend. Das gilt auch für den Individualismus und die mit ihm verknüpfte bloße Willkürfreiheit. Hatte es zunächst noch geheißen, es gehe um die Beibehaltung des Geburtsnamens der Frauen als „Ausdruck der Identität und Individualität" , so verwirft der jüngste SP-Vorstoß auch die eigene Forderung und ersetzt sie durch ihr Gegenteil: Er sieht nämlich bereits für Minderjährige ab 14 das Recht vor, ihre Vornamen sowie ihren Familiennamen selbst zu bestimmen.

Da die Begründungen offenkundig nicht halten, bleiben nur die Effekte der geplanten N euregelung aufrecht: Das äußere Erkennungszeichen der Ehe gegen- • über unverbindlichen Lebensgemeinschaften fällt weg, Ehe- und Familienleben werden um zusätzliche Konfliktstoffe bereichert.

Wer will dann mit guten Gründen behaupten, die Aufhebung des gemeinsamen Familiennamens sei nicht ehe- und familienfeindlich?

Der Autor ist Sekretär des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien.

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