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Die christliche Sicht vom Sinn des Lebens

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Um das Verständnis der Familie gibt es heute eine Auseinandersetzung, die nicht nur bestimmte Einzelinteressen verfolgt, sondern auf gesellschaftspolitische und weltanschauliche Voraussetzungen zurückweist. Wenn die Familie Urzelle des sozialen Lebens ist, wenn in ihr die Werthaltungen und sozialen Einstellungen entwickelt werden, die später der Bürger im Staat und gegenüber dem Staat zeigt, dann ist offensichtlich, daß der Staat und die verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen ein Interesse daran haben, auf das Familienleben Einfluß zu nehmen. Wenn man sich solchen Einflüssen nicht blind ausliefern will, dann muß man sie reflektieren. Man muß sie nach ihren Wertvorstellungen hinterfragen und das Verständnis von Mensch und Humanität prüfen, das hinter den verschiedenen gesellschaftlichen Positionen steht. Es muß also die Grundwertdiskussion auch im Themenbereich der Familie geführt werden.

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Um das Verständnis der Familie gibt es heute eine Auseinandersetzung, die nicht nur bestimmte Einzelinteressen verfolgt, sondern auf gesellschaftspolitische und weltanschauliche Voraussetzungen zurückweist. Wenn die Familie Urzelle des sozialen Lebens ist, wenn in ihr die Werthaltungen und sozialen Einstellungen entwickelt werden, die später der Bürger im Staat und gegenüber dem Staat zeigt, dann ist offensichtlich, daß der Staat und die verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen ein Interesse daran haben, auf das Familienleben Einfluß zu nehmen. Wenn man sich solchen Einflüssen nicht blind ausliefern will, dann muß man sie reflektieren. Man muß sie nach ihren Wertvorstellungen hinterfragen und das Verständnis von Mensch und Humanität prüfen, das hinter den verschiedenen gesellschaftlichen Positionen steht. Es muß also die Grundwertdiskussion auch im Themenbereich der Familie geführt werden.

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Natürlich bedarf es zu einer solchen Diskussion auch einer genaueren Reflexion des eigenen Standpunktes. Der Christ kann sich sein Verständnis von Famüie nicht einfach von den gegenwärtigen Gegebenheiten oder von einer vagen öffentlichen Meinung vorgeben lassen, sondern er muß sich auch fragen, welche Konsequenzen der christliche Glaube für Ehe und Famüie hat.

Die Verschiedenheit gesellschaftspolitischer Standpunkte im Hinblick auf ihr Verständnis von Famüie wird heute in den Massenmedien immer wieder deutlich. Sie äußert sich etwa in bestimmten Zielvorstellungen der Emanzipation der Frau, in verschiedenen Theorien über elterliche Autorität und Erziehung des Kindes, .in der Zuweisung pädagogischer Aufgaben an Institutionen außerhalb der Famüie. Die Auffassungen, die in solchen Fragen vertreten werden, ergeben sich nicht zwingend aus der Lebenssituation des modernen Menschen, auch nicht aus objektiven und wertneutralen Erkenntnissen der modernen Humanwissenschaften. Sie stehen vielmehr immer auch in einem Begründungszusammenhang mit politischen, weltanschaulichen oder theologischen Standpunkten.

.. .paradiesischer Endzustand - klassenlose Gesellschaft ...

Das marxistische Verständnis von Gesellschaft vertritt einen entschiedenen Atheismus und sucht das Ziel des menschlichen Daseins nicht in einem die Welt übersteigenden Heü, sondern in einem innerweltichen paradiesischen Endzustand, in dem eine herrschafts- und klassenlose Gesellschaft besteht. In dieser Theorie geht es letztlich um innerweltliche materielle Werte, die die Bedürfnisse des Menschen befriedigen sollen. Entsprechend wird der Mensch vorwiegend nach seiner wirtschaftlichen Produktivität und seiner gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit im Hinblick auf das angestrebte Ziel bewertet. Angestrebt wird besonders die Gleichheit der Menschen innerhalb der Gesellschaft, was eine möglichst herrschaftsfreie Kommunikation und damit eine möglichst weitgehende Beseitigung von Uber- und Unterordnung verlangt. Die Gleichheit der Menschen, die sich beson-

ders im Hinblick auf materielle Güter zeigen soll, muß durch Kampf herbeigeführt werden.

Diese Phüosophie und Gesellschaftstheorie wird natürlich auch auf die Famüie angewendet. Sie verstärkt durch ihre atheistisch-materialistische Sicht auch dort eine materialistische Wertordnung und schwächt entsprechend jene personalen Aspekte ab oder interpretiert sie um, die sich in die Theorie des dialektischen Materialismus nicht mit der gleichen Bewertung einfügen lassen. Daraus ergeben sich dann etwa folgende Konsequenzen:

Die personalen Werte, soweit sie nicht auf materielle Werte bezogen sind, werden übersehen oder geringgeschätzt. Liebe, Dienstbereitschaft, Opfergeist, Vergebungsbereitschaft, Geduld werden entweder überhaupt abgelehnt oder in einer materialistischen, ichbezogenen Weise umgedeutet.

Dafür werden jene Aspekte aufgewertet und in den Vordergrund gestellt, die in einer rein innerweltlichen materialistischen Sicht ent-

scheidend sind. Das Verhältnis von Mann und Frau wird nicht vom Gedanken der Liebe und des gegenseitigen Dienens her verstanden, sondern als Kampf um Gleichwertigkeit in Erzeugung und Konsum materieller Güter. Die Emanzipation der Frau wird zu einseitig an wirtschaftliche Produktivität gebunden. Mutterschaft und Dienstleistung im Haushalt werden geringgeschätzt oder lächerlich gemacht. Um die Emanzipation der Frau zu ermöglichen, sollte Kindererziehung entweder gleichmäßig von beiden Eltern wahrgenommen werden, oder sie wird noch besser an eine gesellschaftliche Institution außerhalb der Famüie abgegeben. Die Emanzipation des Kindes, seine Befreiung von der Machtausübung der Eltern, ist zwar nicht völlig durchzuführen, wirkt aber als Idealvorstellung auf pädagogische Theorien und Praktiken ein. Es geht in dieser Sicht zwar durchaus um das Wohl des einzelnen Individuums, aber dieses wird zu oberflächlich interpretiert und nicht in den tieferen Dimensionen der menschlichen Existenz verstanden.

Auch das Christentum hat in Seiner Geschichte den Menschen nicht immer in seiner ganzen Würde gesehen. Aber insoweit es sich an der Offenbarung orientiert hat, hat es doch den Sinn menschlichen Daseins tiefer verstanden. Nach christlichem Glauben findet der Mensch seine Erfüllung nicht einfach in den innerwelüi-chen Werten, sondern in einem Heü, das über der Vergänglichkeit dieser Zeit steht. Freüich muß die Einswer-dung mit Gott, in der dieses Heü besteht, schon im irdischen Leben gesucht und angenommen werden. Das geschieht in Glaube, Hoffnung und Liebe. In diesen personalen Grundvollzügen empfängt der Mensch also den höchsten Wert, den es für ihn

gibt. Allerdings müssen sich diese Grundvollzüge auch gegenüber Welt und Mitmensch bewähren. So ergibt sich die Forderung nach Nächstenliebe als Grundgebot des sozialen Lebens. Nächstenliebe bedeutet, daß man den Sinn seines Lebens nicht nur in sich selbst sucht, sondern daß einem der Mitmensch ebenso wichtig ist, ja sogar man um des Wohles des andern wülen eigene Interessen zurückstellen kann. Christliche Nächstenliebe wül allerdings dem andern nicht nur mit materiellen Gütern dienen, sondern darüber hinaus ihn zum tiefsten Sinn des Lebens und damit zu Liebe und Glaube hinführen. Man kann deswegen auch dem andern nicht erlauben, sich lieblos und selbstsüchtig zu verhalten, sondern muß ihm in einer Weise begegnen, in

der man auch die Anerkennung der eigenen Würde und eigener Rechte verlangt. Freüich läßt sich ein Verhältnis idealer gegenseitiger Liebe nie vollkommen verwirklichen. Man muß deshalb auch dazu bereit sein, zu vergeben und sogar etwas von jener Selbstentäußerung und Erniedrigung auf sich zu nehmen, die auch Jesus Christus vollzogen hat, als er gehorsam wurde bis zum Tod am Kreuze (Phil 2,8).

... Funktion von Mann und Frau in der Familie grundsätzlich gleichwertig ...

Diese christliche Sicht vom Sinn des menschlichen Lebens hat nun wieder ganz bestimmte Folgerungen für das Verständnis der Famüie. Das Verhältnis von Mann und Frau wird hier nicht vom Gedanken eines Konkurrenzkampfes um Gleichheit her verstanden. Sicher sind Mann und Frau in ihrer Würde gleichwertig (Gal. 3,28). Aber diese Gleichheit muß nicht in einer gleichartigen wirtschaftlichen Produktivität oder in finanzieller Unabhängigkeit voneinander bewiesen werden. Vielmehr soUen Mann und Frau einander gegenseitig lieben und einander dienen. In dieser Hingabe sollen sie Gott und damit den tiefsten Sinn ihres Lebens finden. Nächstenliebe schließt Selbstliebe nicht aus, sondern ein. Die beiden Partner müssen auch Ansprüche aneinander steUen und sollen ihren Eigenwert auch in der Liebe nicht verleugnen. Aber sie sollen auch bereit sein, einander zu vergeben und vielleicht manche Benach-teüigungen, die nicht zu beseitigen sind, zu ertragen.

Der gegenseitige Dienst und die

gegenseitige Ergänzung von Mann und Frau gegenüber dem Partner und auch den Kindern legen nahe, daß in dieser Sicht Geschlechtsrollen nicht möglichst identifiziert und dann als Konkurrenz betrachtet, sondern im Gegenteü deutlich unterschieden werden. Entsprechend werden dann auch die verschiedenen Funktionen von Mann und Frau in der Famüie als grundsätzlich gleichwertig betrachtet und nicht etwa nach dem Maßstab wirtschaftlicher Produktivität oder nach anderen materiellen Gesichtspunkten bemessen. Es kommt nicht so sehr darauf an, was der einzelne im Gesamt der Famüie zu leisten hat, sondern wieweit er aus dem Geist der Liebe und des Glaubens lebt.

Die im christlichen Glauben begründete Gleichwertigkeit der Geschlechter muß sich aber freüich auch im äußeren Verhalten von Mann und Frau zueinander zeigen. Noch immer muß die Frau im privaten und öffentlichen Leben unbegründete Zurücksetzungen erfahren, die zeigen, daß man sie nicht voll ernst nimmt und ihr nicht die gleiche Würde zuerkennt wie dem Mann.

Eine besondere Hochschätzung ergibt sich in christlicher Sicht für die Kindererziehung. Sie ist die wichtigste Dienstleistung in der menschli-

chen Gesellschaft, weü sie der wichtigste Beitrag zum Glück der kommenden Generation und zu einem humanen und verantwortlichen Leben ist. Vater und Mutter haben beide ihre freüich unterschiedlichen Aufgaben in der Erziehung. Es braucht aber nicht ängstlich danach gestrebt zu werden, daß diese Aufgabe zu genau gleichen Teüen von beiden Eltern wahrgenommen wird, sondern sie soU so aufgeteüt werden, wie das am günstigsten realisierbar und auch für die Kinder selber am vorteilhaftesten ist.

Ein besonderes Problem stellt heute die außerhäusüche Berufstätigkeit der Frau dar. Sie kann notwendig sein, um das Wohl der Familie und damit auch die Erziehung der Kinder zu sichern. Sie kann auch zur inneren Zufriedenheit und Ausgewogenheit der Mutter beitragen und sich insofern positiv auf die Kindererziehung auswirken. Außerdem ist zu bedenken, daß die Frau, wenn einmal die Kinder erwachsen sind und das Haus verlassen haben, einen Lebensinhalt braucht, den ihr die Sorge um die eigene Wohnung und den Mann oft nicht in genügendem Maße bieten kann. Sie soll ja gerade auch vom christlichen Glauben her bemüht sein, nicht bloß das eigene Wohl zu suchen, sondern auch ihren Beitrag für das Wohl anderer zü leisten. Vielfach bestehen aber befriedigende Berufschancen für eine Frau mitüeren Jahres nur dann, wenn sie eine entsprechende Ausbüdung besitzt und ihren Beruf nicht über lange Zeit völlig aufgegeben hat.

Diese Gesichtspunkte sind gültig und rechtfertigen oder erzwingen sogar ein gewisses Maß an außerhäuslicher Berufstätigkeit. Das Problem liegt aber in der Konkurrenz dieser

Tätigkeit mit den Aufgaben der Kindererziehung. In christlicher Sicht sollen jedenfalls auch die Ansprüche der Kinder hoch eingeschätzt und nach Möglichkeiten gesucht werden, die diesen Ansprüchen möglichst weitgehend genügen. Wenn die sozialen Verhältnisse so sind, daß eine außerhäusliche Berufstätigkeit notwendig ist und dabei die Erziehung der Kinder ungebührlich leiden muß, dann ist von Staat und Gesellschaft eine Änderimg dieser Verhältnisse zu fordern. Zielvorstellung einer christlichen Famüienpolitik muß auf jeden Fall sein, daß die Kindererziehung von den sozialen Voraussetzungen her optimal gefördert wird.

Die hier skizzierten gesellschaftspolitischen Modelle einer marxistischen und einer christlichen Sicht sind zwar in ihrer weltanschaulichen Orientierung letztlich unvereinbare Gegensätze, zeigen aber in ihrer konkreten Ausgestaltung Verzahnungen und fließende Übergänge. Das hängt einmal damit zusammen, daß marxistische Bestrebungen jedenfalls in den westlichen Ländern nicljt immer einen eindeutig atheistischen und materialistischen Charakter haben und anderseits auch innerhalb der christlichen Küchen ein ethischer Materialismus anzutreffen ist. Zum andern liegt aber der eigentliche weltanschauliche Gegensatz mehr im geistig-intentionalen Bereich und zeigt sich nicht immer eindeutig in den konkreten äußeren Folgerungen.

Dennoch ist es heute sehr wichtig, eine Grundwertdiskussion über jene weltanschaulichen Standpunkte zu führen, die auch im Bereich der Famüie miteinander kämpfen. Man denke hier an manche zu schablonenhafte Vorstellungen der Tradition über die Rolle von Mann und Frau, aber ebenso an die oft sehr ideologischen Einseitigkeiten, die bei der Darstellung der Famüie in den modernen Massenmedien und in der Literatur bis hinein in die Schulbücher zu beobachten sind. Nur durch eine tiefere Reflexion auf die eigenen Wertvorstellungen läßt sich gegen eine allgemeine Nivellierung, gegen eine Unterhöhlung der eigenen christlichen Auffassung und gegen eine unkritische Verfallenheit an ständig wechselnde und weithin unchristliche Zeitströmungen angehen.

Wenn man sich heute um ein christliches Verständnis von Ehe und Famüie bemüht, dann genügt nicht eine bloß oberflächliche Abgrenzung von modernen Ideologien. Es bedarf ei-, ner noch grundsätzlicheren Besinnung auf die christliche Offenbarung.

Der rechtliche Aspekt bleibt oft unverstanden

Chrisüich ist eine Famüie, wenn sie ihre Lebensgemeinschaft aus dem Geist Jesu Christi gestaltet. Das gilt zunächst von der Urzelle der Famüie, von der Ehe. Der katholische Glaube versteht die Ehe als Sakrament, als ein offizielles kirchliches Zeichen für das Wirken der Gnade Gottes. Diese sakramentale Zeichenhaftigkeit der Ehe weist eine mehr personale und eine mehr sozial-juridische Dimension auf. Wenn es um das Wüken der Gnade Gottes geht, dann ist zunächst klar, daß der Mensch diese Gnade nur empfangen kann, wenn er sich ihr in Glaube, Hoffnung und Liebe öffnet. Gnade wird nicht einfach automatisch eingegossen, wenn der Mensch einen Rechtsakt setzt. Anderseits kann Ehe aber nur dann ein verstehbares Zeichen für Gnade sein, wenn Glaube und Liebe nicht bloß innerlich und privat bleiben, sondern vor der Öffenüichkeit der Kirche bekannt werden. Zum Sakrament der Ehe gehört deshalb nicht nur, daß sich die Partner lieben, und zwar im Glauben an Jesus Christus, sondern auch, daß sie ihre Liebe und ihre Entscheidung zur Ehe in eindeutiger Weise vor der Küche hekunden.

Wo dieser offizieUe Akt der Trauung mit seinen juridischen Konsequenzen noch nicht vollzogen ist, da bleibt das Verhältnis der Partner am-

bivalent: Gegenseitig haben sie sich vielleicht Liebe und Treue für immer versprochen, vor der Öffentlichkeit .haben sie aber diese Entscheidung nicht eindeutig bekundet. Zu einer echten christlichen Liebe würde jedenfalls gehören, daß man auch vor der Öffentlichkeit dazu steht und der gegenseitigen Liebe den Schutz der Gesellschaft und des Rechtes gibt.

Der rechtliche Aspekt der Ehe scheint heute oft unverstanden zu bleiben. Man vertritt vielfach ein rein privates, personalistisches Verständnis von Liebe. Ehe besteht aber nicht nur in dem Gefühl der Partner, miteinander verbunden zu sein. Denn dieses Gefühl ist Schwankungen unterworfen und bedarf der Bindung und Geborgenheit. Dadurch werden neue Möglichkeiten tieferer Hingabe und Liebe eröffnet. Ebensowenig ist die Ehe nur ein Prozeß, in dem Liebe wächst, abnimmt oder stirbt, spndern auch eine soziale Institution, die in ihrer rechtlichen Struktur zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt beginnt und mit einem

Aufhören gefühlsmäßiger Zuneigung nicht automatisch erlischt.

Natürlich wäre es einseitig und ungenügend, die Ehe nur als sozialrechtliche Institution zu sehen, ebenso wie es falsch wäre, sie nur als personale Liebesbeziehung aufzufassen. Beide Dimensionen müssen in ihrer Eigenart und in ihrer gegenseitigen Beziehung gesehen werden.

Zur rechtlichen Dimension gehört übrigens nicht nur, daß die Ehepartner vor der Öffentlichkeit Verpflichtungen eingehen, sondern auch, daß die Öffentlichkeit diesem Ehepaar Rechtsschutz und Hüfe in der Verwirklichung ihrer Gemeinschaft anbietet.

... ob hier der Geist Christi spürbar wird ...

Was nun aber die Liebe angeht, so ist dieser Begriff ein „Leerwort“, wenn man ihn nicht näher bestimmt. Liebe kann vorwiegend erotisch verstanden werden, sie kann überwiegend egozentrisch als Mittel bloßer Selbstentfaltung gedeutet werden, sie kann masochistische Züge haben.

Die neueren kirchlichen Texte zeigen gegenüber früher gewisse Änderungen. Während die Tradition Zeu-

gung und Erziehung von Nachkommenschaft als erstes Eheziel angegeben hat, wird neuerdings die eheliche Liebe als offenbar gleichwertiges Ziel anerkannt. Diese Lehrentwicklung sollte aber nicht als Bruch, sondern als konsequente Weiterführung und Vertiefung verstanden werden. Die Eheziele der Zeugung von Nachkommenschaft und partnerschaftlichen Liebe stehen nicht in einem Konkurrenzverhältnis zueinander.

Christliche Liebe kann sich prinzipiell nicht auf einen Partner beschränken. Sie kann diesem gegenüber nicht echt sein, wenn anderen Menschen gegenüber nur Egoismus gezeigt würde., Reife menschliche Liebe erweist sich gerade darin, daß sie Wohlwollen und Verantwortung auch über den Ehepartner hinaus übernimmt. Eine von der Natur der menschlichen Geschlechtlichkeit her besonders naheliegenden Weise, wie sich eheliche Liebe ausdrücken kann, ist nun die Bereitschaft, Kindern das Leben zu schenken und sie aufzuziehen. Freüich kann die tat-sächüche Weckung neuen Lebens nicht nur als spontaner Ausdruck ehelicher Liebe betrachtet werden, sondern sie ist auch gegenüber einem etwa entstehenden Kind zu verantworten. Die konkreten Umstände verlangen oft eine bewußte Begren-

zung der Kinderzahl, im Einzelfall vieUeicht auch den Verzicht auf ein Kind überhaupt. Entscheidend ist für eine christliche Ehe nicht sosehr, ob und wieviele Kinder in einer bestimmten Situation verantwortbar werden können, sondern ob eine echte christliche Liebe gelebt wird und ob sich von da her eine entsprechende Beschränkung der Kinderzahl als notwendig erweist

Während man die Ehe als Sakrament bezeichnet, tut man das bei der Famüie nicht. Sie ist eben eine Ausweitung der Ehe und weist dieser gegenüber keine grundsätzliche Eigenständigkeit auf. Letztlich geht es natürlich auch in der Famüie theologisch gesehen um das gleiche wie in der Ehe, nämlich darum, daß die zwischenmenschlichen Beziehungen von Glaube und Liebe geprägt sind. ■

Eine geeignete rechtliche Ordnung ist für die Entfaltung des Famüienle-bens von großer Bedeutung. Als wirklich christlich wird eine Famüie aber nur dann gelten können, wenn sie auch eine lebendige christliche Spiritualität lebt. Das Christliche an einer Famüie kann nicht einfach ctaran abgelesen werden, ob die Ehe zusammenbleibt und wie groß die Zahl der Kinder ist, sondern entscheidender ist, ob hier etwas vom Geist J.esu Christi spürbar wird.

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