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Die Mutter geht in die Arbeit

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Die diesjährige traditionelle Kundgebung des Katholischen Familienverbandes Österreichs, der sogenannte KANA-TAG, findet am 19. Jänner 1964 im Großen Musikvereinssaal statt. Thema: „Darf eine Mutter erwerbstätig sein?“

Die Diskussdon über dieses Kernproblem der gegenwärtigen Familienfrage ist nach wie vor voll im Gange. In der oft leidenschaftlichen Parteinahme spielen gefühlsmäßige Einstellung und Theoretisch-ideologisches manchmal eine größere Rolle als die vordergründigen Tatsachen. Auch auf der Ebene einer ausgedehnten halbwissenschaftlichen Literatur, in der diverse Befragungen und Statistiken unbeschadet ihrer nicht selten offenkundigen Fehlerquellen nach vorgefaßten Meinungen interpretiert werden. Gerade in den Wissenschaften vom Menschen und seiner Sozialordnung ist ja methodisch und erkenntniskritisch schon so viel gesündigt worden, daß es nicht mehr ins Gewicht zu fallen scheint, wenn auch in der gegenständlichen Frage die verschiedensten Thesen genauso „wissenschaftlich erhärtet“ werden wie — von anderen Autoren — die korrespondierenden Antithesen. Vordergründige Tatsachenerfahrung und instinktsichere Erfassung der gelebten Wirklichkeit werden so nicht selten durch konstruierte, manchmal betont nonkonformistische Deutung hinwegdisputiert. Bewiesen muß ja jeweils dasjenige werden, was man schon vor der „Untersuchung“ für richtig hielt.

Zunächst: Hier soll nur die Rede sein von der außerfamiliären Erwerbsarbeit der Mutter mit erziehungsbedürftigen Kindern (zumindest bis zum Ende von deren Pflichtschulzeit), so daß alle Fragen der Berufsarbeit der „Frau an sich“ ausgeklammert sind. Unter dem hier allein behandelten Gesichtspunkt der Familienverantwortung sei gleich vorweggenommen, daß wir eine mütterliche Erwerbstätigkeit nur insoweit ablehnen, als diese ohne hinreichenden Grund zu einier fühlbaren Vernachlässigung des im Familieninteresse gebotenen mütterlichen Wirkens führt.

Am ehesten wird eine mütterliche Erwerbstätigkeit naturgemäß als Mitarbeit im eigenen Familienbetrieb ohne Schädigung der familiären Interessen möglich sein, wie dies ja bis zum Beginn des Industriezeitalters der selbstverständliche, problemlose Regelfall war. Es ist Tatsachenblindheit, wenn dieser Sachverhalt der regelmäßigen Mitarbeit auch der verheirateten Frau in der vorindustriellen Zeit im eigenen Familienbetrieb immer wieder mit dem uns hier in der Hauptsache interessierenden Regelfall der unselbständigen, ganztägig außerhäuslichen mütterlichen Erwerbsarbeit verglichen und damit das bestehende Problem mehr oder weniger in Abrede gestellt oder wenigstens verharmlost wird. Die gebotene Kürze verbietet eine genauere Darstellung der augenscheinlich großen Unterschiede:

• Die im Familienbetrieb mitarbeitende Ehefrau konnte (und kann es vielfach auch heute noch) den Umfang der außerfamiliären Arbeit mit Rücksicht auf Kinder, Ehemann und Haushalt selbst festlegen, auf jeden Fall jedoch einteilen. Diese außer-famdliäre Arbeit konnte und kann meist im eigenen Haus oder in seiner Umgebung verrichtet werden, wobei, was sehr entscheidend ist, die Mutter ihre Kinder größtenteils um sich hat(te), auch etwa auf dem Feld. Zumindest kommt dabei die Frau während des Tages wiederholt zu den Kindern zurück, verliert sie somit nie aus dem Auge und überwacht eine etwaige Mitbetreuung durch andere usw.

• Im breiten Durchschnitt der unselbständig und ganztägig außerhäuslich arbeitenden Mütter trifft gerade das Gegenteil zu, so daß keinerlei Vergleichbarkeit gegeben ist

Es muß allerdings vermerkt werden, daß insbesondere im bäuerlichen Kleinbetrieb von heute die Mutter nicht selten und gegen ihren Willen, als Folge des oft geradezu katastrophalen Mangels an Arbeitskräften, zu einer die Familie vernachlässigenden Arbeitsfron gezwungen wird. Aber auch im Falle einer intensiven Mittätigkeit der Mutter im eigenen Familienbetrieb wird — aus den angedeuteten Gründen — die Lage der Familie durchschnittlich keineswegs so beklagenswert sein wie in der Regel bei einer ganztägig außerhäuslich in unselbständiger Arbeit tätigen Mutter.

Wir haben jedoch schon betont, daß die konkreten Einzelfälle keineswegs über einen Leisten geschlagen werden können. Die Unterschiede sind oft auch bei den unselbständig in außerhäuslicher Arbeit tätigen Müttern recht groß. Zunächst fällt einmal jede Ablehnung und Kritik weg, wenn eine Frau mit Kindern gezwungen ist, aus ihrem Erwerbseinkommen den notwendigen Unterhalt ganz oder teilweise zu bestreiten. In diesen Fällen gebührt ihr alle Hochachtung für ihren opfervollen Doppelberuf. Das Problem besteht hier in der Durchsetzung jener famdlien-politischen Maßnahmen, die solche Fälle auf ein Mindestmaß beschränken.

Dann gibt es günstig gelagerte Fälle, in denen eine Frau nur einen Teil des Tages hindurch außer Haus ist und den Rest der Arbeit daheim erledigen kann. Dies trifft etwa bei vielen Lehrerinnen zu, wobei diesen und ihren Familien auch noch die langen Ferienzeiten zugute kommen. Es gibt daneben einzelne unselbständige Tätigkeiten, die die Frau bis zu einem gewissen Grad zeitlich selber einteilen kann (zum Beispiel manche Schichtarbeiterin, Vertreterin, Inkassantin, Bedienerin usw.),wobei diese Möglichkeiten allerdings nicht so sehr ins Gewicht fallen. Wenn dann in solchen Fällen auch noch eine noch nicht sehr alte Großmutter (oder eine andere Anverwandte) vorhanden ist, die sich der Kinder gern und mit Geschick annimmt, oder wenn Hausgehilfinnen der Mutter einen Großteil der hauswirtschaftlichen Arbeit abnehmen, wenn die Kinder (jedoch nicht vor dem vollendeten dritten Lebensjahr!) etwa halbtags einen guten Kindergarten in der Nähe besuchen können, wenn die Frau selbst körperlich und seelisch gesund und nervlich belastbar, der Ehemann mit der gegebenen Regelung voll einverstanden ist und auch die übrigen familiären Umstände günstig gelagert sind: dann wird aus einer solchen Erwerbsarbeit der Mutter gewiß keine familiäre Not entstehen, insbesondere wenn sich die Mutter den Kindern wenigstens etwa bis zum vollendeten dritten Lebensjahr ganztägig widmen konnte. Wenn ein zusätzliches Einkommen zwar nicht unbedingt notwendig, aber doch einigermaßen wichtig ist, wenn die Frau ihren außerfamiliären Beruf sehr liebt und darin Nennenswertes zu leisten vermag oder wenn andere Umstände sehr dafür sprechen, dann kann eine Erwerbsarbeit der Mutter auch vom Standpunkt der Familienverantwortung aus gegebenenfalls gebilligt werden. Aber: wünschenswert und ideal wird auch dies in vielen Fällen nicht sein, zumindest bis die Kinder etwa dem Pflichtschulalter entwachsen sind. Vor allem muß man sich hüten,von besonders gelagerten Einzelfällen Allgemeingültiges abzuleiten, wie dies immer wieder getan wird. Eine wesentliche Milderung erfährt die Problematik des mütterlichen Doppelberufes natürlich bei einer Halbtagsbeschäftigung oder, noch mehr, bei Heimarbeit.

In all jenen Fällen, in denen die früher beispielhaft angedeuteten günstigen Umstände nicht existieren, muß die Frage vor allem der ganztägigen außerhäuslichen Berufsarbeit der Mutter in unselbständiger Stellung zu einer sehr ernsten Gewissensfrage werden. Zu einer viel ernsteren als dies heute weithin der Fall ist, wobei auch die Verantwortung des Mannes angesprochen ist, der leider oft ohne hinreichende Notwendigkeit seine Frau zur Erwerbsarbeit drängt.

Das gegenständliche Thema ist ein Kardinalproblem für die Familie. Zahlreiche Schwierigkeiten in der Ehe und Kindererziehung haben darin ihre ganze oder teilweise Ursache und sind nur von dieser zentralen Wurzel her wirksam zu heilen. Indes schickt man sich vielfach immer mehr an, die ganze Aufmerksamkeit sekundären Problemen zuzuwenden. Dem der persönlichen Pflege und Liebe bedürftigen Kind gibt man nicht seine Mutter zurück; man verschafft ihm einen (vielfach unbefriedigenden) Mutterersatz. Dem heranwachsenden Jugendlichen bietet man nicht ein begehrenswertes Zuhause, ein „attraktives Familienleben“; man vermittelt ihm einen Jugendklub, eine Tagesheimstätte usw. (Die Kritik richtet sich hier nur gegen diese Einrichtungen als prinzipiellen Famüienersatz, nicht gegen die erwünschte Hilfeleistung.) Auch wo der mütterliche Erwerbsberuf nur auf den Geldverdienst angelegt ist, gibt man vielfach sinnwidrig einen Großteil davon für stellvertretende Arbeitskräfte und einen durch die Abwesenheit der Frau teureren Haushalt aus. Die durch die Überlastung des Doppelberufes kränkheitsanfäl-Hge Frau (besonders durch neuro-vegetative Störungen) wird medizinisch behandelt. Für die Bewältigung der einschlägig verursachten Ehekonflikte und Erziehungsschwierigkeiten werden immer mehr die Einrichtungen der Eheberatung und der Erziehungshilfe benötigt. Man vergißt über all diesem nur eines: Das Übel an der Wurzel zu heüen.

Den Vätern und Müttern sei. eindringlich gesagt: Wo das Erwerbseinkommen der Mutter wichtiger eingeschätzt wird als ihre unersetzliche Wirksamkeit in Heim und Familie, dort werden die elementaren Familieninteressen, besonders das Wohl der Kinder, geringer geachtet als die Wünsche nach gehobenem Lebensstandard oder nach erlebnismäßiger Daseinssteigerung der Frau („Hebe zum Beruf“). Wie bei der Frage der Ehescheidung müssen wir auch hier sagen: Ehe und Familie sind ihrer Natur nach Gemeinschaft, die zu bejahen die Unterordnung verschiedener Individualinteressen unter das Gemeinschaftswohl erfordert. Wer das nicht begreift und in der Tat nicht anerkennen will, der ist nicht reif für Ehe und Familie. Die Tatsache, daß eine Mutter ständig außer Haus ist, wirft nicht nur vordergründige Probleme der Jugendgefährdung und Ehezerrüttung auf, sondern bedingt nicht weniger die „Einschrumpfung“ der Familie als Stätte menschlich-personaler Begegnung und seelisch-geistiger Wechselwirkung zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kindern, der Kinder untereinander, also auch die Einschrumpfung der Familie als Kulturträger zu einer wenig gehaltvollen, oberflächlichen Zweckgemeinschaft, die in der Hauptsache den Anschluß an den ständig steigenden Lebensstandard zum Ziel hat. Die Familie als erste Kulturstätte des Menschen erfordert aber die gemüthaften und harmonisierenden Kräfte einer ganzen mütterlichen Frau, was bei Vorhandensein erziehungsbedürftiger Kinder im Regelfall einen zweiten, ganztägigen und vor allem außerhäuslichen Beruf ausschließt.

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