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Schafft Christian Broda eine Fristenlosung: Nummer zwei?

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Die Verhandlungen über die Neuformulierung des Scheidungsrechts treten nun in die entscheidende Endphase: Kommenden Mittwoch (15. Februar) wird sich der parlamentarische Justiz-Unterausschuß erstmals mit Brodas umstrittener Regierungsvorlage befassen müssen, die in ihrem Kern allen heimischen „Ehe-Abenteurern“ die Möglichkeit eröffnen würde, eine auf fünf Jähre befristete Ehe einzugehen. Nach der Fristenlösung für unerwünschte Kinder eine Fristenlösung für unerwünschte Ehen? Folgt dem Wegwerfschulbuch jetzt auch noch der Wegwerfgatte? Weil ein Konsens derzeit noch nicht ausgeschlossen werden kann, hatte die Kirche in der letzten Woche eine Reihe deutlicher Signale gesetzt: In einem Interview mit dem Organ des Katholischen Familienverbandes sprach sich Kardinal König für die Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung aus. Der österreichische Laienrat faßt seine harten Argumente in einem Flugblatt zusammen. Tenor: Reform ja - Rückschritt nein! Schließlich verfaßten Österreichs Bischöfe eine eindringliche Resolw-tion: Ein Beharren der Sozialisten auf ihren Positionen „würde die Sinnhaftigkeit weiterer Bemühungen um einen Konsens überhaupt in Frage stellen“.

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Die Verhandlungen über die Neuformulierung des Scheidungsrechts treten nun in die entscheidende Endphase: Kommenden Mittwoch (15. Februar) wird sich der parlamentarische Justiz-Unterausschuß erstmals mit Brodas umstrittener Regierungsvorlage befassen müssen, die in ihrem Kern allen heimischen „Ehe-Abenteurern“ die Möglichkeit eröffnen würde, eine auf fünf Jähre befristete Ehe einzugehen. Nach der Fristenlösung für unerwünschte Kinder eine Fristenlösung für unerwünschte Ehen? Folgt dem Wegwerfschulbuch jetzt auch noch der Wegwerfgatte? Weil ein Konsens derzeit noch nicht ausgeschlossen werden kann, hatte die Kirche in der letzten Woche eine Reihe deutlicher Signale gesetzt: In einem Interview mit dem Organ des Katholischen Familienverbandes sprach sich Kardinal König für die Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung aus. Der österreichische Laienrat faßt seine harten Argumente in einem Flugblatt zusammen. Tenor: Reform ja - Rückschritt nein! Schließlich verfaßten Österreichs Bischöfe eine eindringliche Resolw-tion: Ein Beharren der Sozialisten auf ihren Positionen „würde die Sinnhaftigkeit weiterer Bemühungen um einen Konsens überhaupt in Frage stellen“.

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Die Gespräche zwischen den Parteien über die Scheidungsreform reichen gut zwei Jahre zurück. Im Juni

1976 präsentierte die SPÖ ihre erste Regierungsvorlage, im September

1977 folgte ein „Arbeitspapier“, in dem Änderungen zur Regierungsvorlage für die Ausschußberatungen vorgeschlagen wurden. In Teilbereichen hatten sich gangbare Wege für einen Konsens gefunden. Der harte Kern der Regierungsvorlage ist aber der gleiche geblieben: Jeder Eheteil kann nach drei Jahren der Trennung die Scheidungsklage einreichen, bis zum fünften Jahr kann der schuldlose Teil der Scheidung Widerstand leisten, nach Ablauf der Fünfjahresfrist ist der so-

1978 - JdHR DER FflmiLIE mit kündbare Ehevertrag jedoch unwiederbringlich abgelaufen. Damit kann sich der eine Ehepartner des anderen leichter entledigen als der Hausbesitzer seiner Untermieter. Die Ehe wird zum „Durchhaus“, der Scheidungsrichter zum „Beurkundungsbeamten“, seine Aufgabe könnte das Meldeamt übernehmen. Damit basta!

Oder doch nicht basta? Ist der große Konsens zwischen Parteien und Kirche in dieser heiklen Problematik überhaupt hoch denkbar? Kommt es vielleicht doch noch im letzten Moment zu inoffiziellen Kontakten an der Spitze? Etwa zwischen dem Justizminister und dem Kardinal?

Bisher haben sich diese inoffiziellen Kontakte auf Gespräche zwischen Broda und Vertretern des Familienverbandes und des Laienrates beschränkt. Insgesamt gab es sechs solcher Kontakte, jeweils etwa zweistündige Gespräche im Justizministerium (das letzte am 12. Jänner), wobei von der Seite der kirchlichen Organisationen Familienverbandspräsident Hel-muth Schattovits, Laienratsvorsitzender Josef Gärtner, OLGR Werner Engelmaier aus St. Pölten und Heinrich Gotsmy, Generalsekretär des Familienverbandes, verhandelten.

Es heißt, die Gespräche seien von gegenseitigem Bemühen um Verständnis und oft auch um Konsens gekennzeichnet gewesen. In einer Reihe von Fragen konnten die Unterhändler sogar Zwischenerfolge erzielen: Etwa im jetzt stark ausgebauten Vorrang der ersten Frau in der Unterhaltsregelung oder in der Einbeziehung sämtlicher Scheidungsfolgen in das außerstreitige Scheidungsverfahren. Bei der fünfjährigen Kündigungsfrist stehen die Verhandlungen aber an.

Zur bereits bekannten Strategie der Regierurig und des Justizministers gehört es, alle jene Kräfte, die gegen seine „fortschrittlichen“ Regelungen sind, als „antiquiert“ oder als „unverbesserliche Reaktionäre“ hinzustellen. Dem tritt der Laienrat in seinem Flugblatt entgegen: „Die Katholiken verlangen nicht die staatliche Garantie der Unauflöslichkeit der Ehe, wohl aber, daß der Staat die Ehe als Einrichtung auf Dauer ernst nimmt und die Rechtsnormen zum Schutz der Ehe nicht aushöhlt. Sie zeigen daher auf, daß in der Regierungsvorlage den zur Scheidung Drängenden jedes Warn-schild und jede Hürde aus dem Weg geräumt wird, ohne daß eine entscheidende Hilfe für die Aufrechterhaltung und Sanierung der Ehe vorgesehen wird.“

Ein wichtiges Argument lautet, alle Parlamentsparteien hätten im gemeinsam beschlossenen Gesetz über die persönlichen Rechts Wirkungen der Ehe (Teilnovelle des ABGB vom Juni 1975) am Grundsatz der Ehe als auf Lebenszeit eingegangener Gemeinschaft festgehalten. Im neuen 44 ABGB heißt es: Die Gatten .....erklären... ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben ...“. Noch stärker wirkt der neue 90 des ABGB: „Die Ehepartner sind einander zur, umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet...“. Auf dieser Basis haben die Katholiken die Familienrechtsreform bejaht und unterstützt. Würde aber die Scheidungsreform nach Brodas Plänen durchgehen, so wären diese Garantien für den Bestand der Ehe wieder zurückgenommen, kaum das Papier wert, auf das sie 1975 geschrieben wurden.

Diesen Widerspruch zwischen dem Gesetz von 1975 und der jetzigen Regierungsvorlage greift auch die Bischofskonferenz in ihrer jüngsten Erklärung auf, die von Diözesanbischof Johann Weber und Weihbischof Helmut Krätzl stark beeinflußt wurde: „Noch 1975 hat der Gesetzgeber in der Neufassung des Gesetzes über die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe ein sehr deutliches Ja für den dauernden Bestand der Ehe und zur ehelichen Treue gesagt. Ganz im Gegensatz dazu stünde aber ein Gesetz, in dem eine Fristenautomatik als alleiniger Grund für die Scheidung sogar gegen den Willen des schuldlosen Gatten vorgesehen wäre. Würde durch so einen Widerspruch der Gesetzgeber nicht selbst unglaubwürdig werden?“

Für die Bildung von Wertvorstellungen einer Gesellschaft ist die Rechtsordnung ein sehr wichtiger Faktor. Eine rechtliche Abwertung der Institution Ehe bedeutet auch gesellschaftliche Disqualifikation. Aus diesem Grunde wäre eine verfassungsmäßige Verankerung von Ehe und Familie besonders wünschenswert. Wie wäre das möglich? Einerseits könnte der UNO-Weltpakt für bürgerliche und politische Rechte von 1966 endlich einmal auch von Österreich ratifiziert werden. Schüchterne Zusagen der Parlamentsparteien, die Ratifizierung noch heuer durchzuführen, hegen übrigens vor. Im Artikel 23 dieses UNO-Weltpaktes heißt es: „Die Familie ist die natürliche und grundlegende Einheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat.“, Eine weitere Möglichkeit wäre aber auch, einen eigenen Artikel in die Bundesverfassung einzubauen. Etwa: „Der Staat hat die Ehe und die Familie zu fördern.“

Den Verfechtern des sozialistischen Reformvorschlags halten Österreichs Bischöfe in ihrer Erklärung entgegen: „Es wird gänzlich übersehen, daß durch die Schaffung allzu leichter Scheidungsmöglichkeiten aller Voraussicht nach noch wesentlich mehr schweres Leid hervorgerufen werden wird. Sollen Ehe und Familie als unersetzliche Grundlage der Gesellschaft nicht dauernden Schaden erleiden, darf ihre Stellung in der Rechtsordnung und damit im Bewußtsein nicht dadurch entwertet werden, daß ihr Rechtsbestand durch einen bloßen Fristablauf willkürlich beendet werden kann.“

Gewisse Hürden, so meint man im kirchlichen und kirchennahen Bereich wären im Scheidungs recht durchaus geeignet, übereilte Scheidungen zu verhindern. Daß die in unserer Rechtsordnung eingebauten Bremsen etwas altersschwach geworden sind, zeigt ja recht eindeutig die Scheidungsstatistik der letzten zwölf Jahre: Die Zahl der Scheidungen nahm von 1965 bis 1976 von 8423 auf 11.168 (31 Prozent) zu, Im selben Zeitraum ging die jährliche Anzahl der Eheschließungen von 45.429 auf35.073 (23 Prozent) zurück. Die Anzahl der erstmaligen Eheschließungen nahm sogar um 29 Prozent ab (von 34.120 auf 24.379).

Die große Frage ist nun: Wo ist die Alternative zur fünfjährigen Fallfrist für ehemüde Zeitgenossen? Während ÖVP-Justizsprecher Walter Hauser an seiner bisher nicht näher konkretisierten Härteklausel festhält, wonach der der Scheidung widerstrebende Eheteil ein unbefristetes Widerspruchsrecht haben soll, wenn er nachweisen kann, daß ihn die Scheidung besonders hart treffen würde, schlagen der österreichische Laienrat und die kirchlichen Organisationen eine „Ab-wägungsklausel“ vor. Danach soll der an der Zerrüttung schuldige Teil die Scheidung nur dann durchsetzen können, wenn er nachweist, daß für ihn die Aufrechterhaltung der Ehe wesentlich größere Härten mit sich bringen würde als die Scheidung für den anderen, den schuldlosen Gatten. Während also im ÖVP-Vorschlag die Beweislast über die „Härte“ beim schuldlosen Teü liegt, hätte im Falle der Abwägungsklausel der klagende Teil die ihn treffende Härte zu beweisen, dem Richter fiele es zu, zwischen den beiden Situationen, der des Klagenden und jener des Beklagten, „abzuwägen“. „Bei dieser Abwägung ist auf alle Umstände des Einzelfalles, besonders auf die Dauer der Ehe, die Ursachen der Zerrüttung, das Wohl der Kinder, das Alter der Ehegatten, Bedacht zu nehmen“, heißt es im Alternativentwurf des Laienrates.

In der Frage der Unterhaltsbemessung konnte inzwischen, übrigens unter massivem Druck der Frauenorganisationen in den beiden Großparteien, eine Annäherung erzielt werden: Grundsätzlich soll, wie es auch der Vorschlag des Laienrates vorsieht, bei der Bemessung des Unterhaltes für den geschiedenen Ehegatten der Unterhaltsanspruch eines neuen Gatten außer Betracht bleiben, es sei denn, daß dies nach den Umständen des Einzelfalles, besonders nach der Dauer der früheren und späteren Ehe, dem Alter und dem Verhalten der Beteiligten, dem Wohl der Kinder, grob unbillig wäre.

Ebenso herrscht großteils Konsens bezüglich der eirivernehfrilichen Scheidung. Bekanntlich stammt diese Idee von ÖVP-Justizsprecher Hauser, der sich mit diesem Vorschlag den Vorwurf eingehandelt hat, er wolle mit Broda mitlizitieren. Die Sozialisten haben nicht gezögert, Hausers Vorschlag gleich in die Regierungsvorlage einzubeziehen, allerdings ohne die von Hauser geforderten flankierenden Maßnahmen: So hatte dieser die einverständliche Scheidung an mehrere Voraussetzungen geknüpft. Etwa daran, daß gleichzeitig mit der einverständlichen Scheidung eine umfassende Vereinbarung über alle Scheidungsfolgen (Pflege und Erziehung der Kinder, Besuchsregelung, Unterhalt, vermögensrechtliche Auseinandersetzung) getroffen werden sollte. Nach Intervention von kirchlicher Seite wurde ein Großteil dieser Forderungen in das Arbeitspapier vom September 1977 aufgenommen.

Bleibt also der harte Kern: Kann jeder Ehepartner seinen Gatten nach fünfjähriger Frist davonjagen? Kommt es zur Fristenlösung Nr. 2? Oder lassen sich Broda & Co. doch noch fünf Minuten vor zwölf zu einem Konsens bewegen? Einerseits wäre es nicht das erste Mal, daß die sozialistische Dampfwalze in Aktion tritt, anderseits besteht auch die Hoffnung, daß vor allem die Kirche aus den Ereignissen rund um die Abtreibung an Erfahrungen1 reicher geworden ist.

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