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Im Interesse der Menschen

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Das neue kirchliche Gesetzbuch wird vermutlich im Laufe dieses Jahres promulgiert. Welche Neuregelungen betreffend die Ehe sind vorgesehen?

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Das neue kirchliche Gesetzbuch wird vermutlich im Laufe dieses Jahres promulgiert. Welche Neuregelungen betreffend die Ehe sind vorgesehen?

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Während das geltende Recht (1917 promulgiert) noch in erster Linie von Ehezwecken spricht - als Primärzweck der Ehe wird Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft angesehen — so ist im neuen kirchlichen Gesetzbuch nichts mehr über die Zwecke der Ehe enthalten. In Anlehnung an eine Aussage der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils spricht das neue Kirchenrecht vom Ehebund, durch den Mann und Frau eine ganzheitliche Lebensgemeinschaft eingehen.

Diese stärkere Betonung des personalen 1 Aspekts der Ehe kommt auch im Einbau des Eherechts in das Normengefüge des gesamten Gesetzbuches zum Ausdruck. Das Eherecht findet sich nunmehr im Abschnitt „Der Heilungsauftrag der Kirche", während der bisherige Codex das Eherecht in das Sachend )recht einordnet.

Der Grund für diese merkwürdige Zuweisung des Eherechts liegt im sakramentalen Charakter der christlichen Ehe, wobei freilich in einer sehr verkürzenden theologischen Sicht bei den Sakramenten mehr die „heilige Sache" und ihr fehlerfreies Zustandekommen, weniger jedoch die in dieses Geschehen eingebundenen Personen und ihre Glaubensvollzüge in den Vordergrund gerückt wurden.

Geblieben ist im neuen Kirchenrecht — entgegen manchen anderslautenden Wünschen — die starke Rechtsvermutung zugunsten der Gültigkeit der geschlossenen Ehe. Dies bedeutet im einzelnen Folgendes: Sobald eine Ehe geschlossen wurde, wird grundsätzlich bis zum strikten Erweis des Gegenteils angenommen, daß alle für das gültige Zustandekommen der Ehe notwendigen Erfordernisse vorhanden sind. Beide Ehewerber — o wird insbesondere angenommen — haben sich im Augenblick der Eheschließung vollinhaltlich zu den drei Wesensgütern der Ehe (Nachkommenschaft, eheliche Treue, Unauflöslichkeit) bekannt.

Behauptet etwa ein Ehegatte, daß der Ehewille mangelhaft und somit die Ehe nicht gültig zustande gekommen sei, so muß dies in einem eigenen Prozeßverfahren nachgewiesen werden, wobei der Beweis naturgemäß nicht leicht zu erbringen ist.

Auszugehen ist davon, daß auch das neue Kirchenrecht für Ehen von Christen, sobald die Ehegatten die Geschlechtsgemeinschaft aufgenommen haben, keine Scheidung dem Bande nach zuläßt. Obwohl die Unauflöslichkeit der Ehe kein Dogma im eigentlichen Sinne darstellt, geht die katholische Kirche dennoch davon aus, daß sie nicht die Vollmacht besitzt, Christenehen dem Bande nach zu scheiden. Auch dem Staat spricht sie eine diesbezügliche Befugnis ab, so daß die nach staatlicher Scheidung in einer Zweitehe lebenden Katholiken nicht als kirchlich verheiratet gelten.

Zu bemerken ist, daß das katholische Kirchenrecht den Grundsatz der Unauflöslichkeit einengt auf die „geschlechtlich vollzogene" Christenehe; lösbar sind demnach etwa gültige Ehen von Unge-tauften, wenn ein Teil sich taufen läßt bzw. auch jene Ehen, die von vornherein zwischen einem getauften und einem ungetauften Partner eingegangen wurden.

Hinsichtlich der Ehen von Christen ist also davon auszugehen, daß es nach wie vor keine Ehescheidung, sondern nur eine Ungültigerklärung gibt, wenn nämlich nachgewiesen werden kann, daß die Ehe von Anfang an mit einem wesentlichen Mangel behaftet war.

„ Es wird nunmehr ausdrücklich betont, daß bei der Prüfung der Gültigkeit einer Ehe die geistige Gesamtsituation der Ehepartner in Rechnung zu stellen ist Wer, auch ohne geisteskrank im eigentlichen Sinne zu sein, in seiner Urteilskraft schwerwiegende Mängel hinsichtlich des der Ehe als umfassender Lebensgemeinschaft eigentümlichen Rechte-und Pflichtenverhältnisses erkennen läßt, kann eine gültige Ehe nicht eingehen. Ebenso wäre die Ehe desjenigen ungültig, der diese Rechte und Pflichten zwar erkennt und sie im Augenblick der Eheschließung auch zu übernehmen gewillt ist, sie aber wegen schwerwiegender psychischer Mängel nicht zu erfüllen vermag (sogenanntes Erfüllungsvermögen).

Diese, unter dem in Literatur und Rechtsprechung bisher schon verwendeten Oberbegriff der psychischen Eheunfähigkeit zusammengefaßten Tatbestände' sind — wie könnte es in einer so diffizilen Materie auch anders sein — notwendigerweise unbestimmt, was einen gewissen Anwendungsspielraum bei der Interpretation durch die Gerichte ermöglicht. Jedenfalls kann aufgrund dieser Rechtslage eine Ehe für ungültig erklärt werden, bei der ein Ehewerber ein Maß geistiger Unreife bzw. Willensschwäche zeigt, das ihn die Tragweite ehelicher Partnerschaft nicht hinreichend erkennen bzw. ihn zur Erfüllung dieser Aufgabe als ungeeignet erscheinen läßt.

In einem wichtigen Punkt ist der Gesetzgeber dem Wunsch nach verstärktem Rechtsschutz der in der Ehe lebenden Personen nachgekommen. Während das frühere Recht den Schutz der abstrakten Institution Ehe derart in den Vordergrund rückte, daß es dem Irrtum über Eigenschaften des Ehepartners auch dann keine rechtliche Bedeutung beimaß, wenn dieser Irrtum Anlaß zur Eheschließung war, ist im neuen Recht ein genaueres Eingehen auf die Situation des Irrenden festzustellen.

Auch im Eheprozeß sind gewisse verfahrensmäßige Erleichterungen festzustellen, die eine Beschleunigung des sich mitunter über mehrere Jahre erstreckenden Eheprozesses zum Inhalt haben. Es hat sich indes an der bisher geltenden Bestimmung nichts geändert, daß ein Eheprozeß grundsätzlich nicht in erster Instanz abgeschlossen werden kann, sondern daß das auf Ungültigkeit lautende Urteil von der zweiten Instanz (Appellationsinstanz) bestätigt werden muß.

Das nunmehrige Ehe- und Eheprozeßrecht läßt zwar manche Wünsche offen, wobei vorher sicher auch noch theologische Klärungen erforderlich sind. Es bedeutet gleichwohl eine begrüßenswerte Abkehr von einer Rechtsordnung, die mehr dem Schutz eines abstrakt vorgeformten Ehemodells diente, und es bringt eine stärkere Berücksichtigung der Interessen der Menschen, deren Ehe im sozialen Kontext von heute gelebt werden muß.

Der Autor ist Professor für Kirchenrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Linz.

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