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Scheidung wird zur Privatsache

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Auch der Gesetzgeber hat längst dem Trend zu größerer Instabilität der Ehen Rechnung getragen. Vor dem Jahr 1938 sah das österreichische Eherecht die Scheidung praktisch nicht vor. Erst die Übernahme des deutschen Rechtes nach dem Einmarsch der Deutschen brachte hier eine Änderung, die seither beibehalten wurde.

Bei Ehescheidungen galt von da an das „Verschuldensprinzip”: Nur wer schuldlos unter dem ehewidri-gen Verhalten seines Gatten litt, hatte das Recht, die Scheidung zu verlangen. Hatte etwa ein Mann seine Familie verlassen, um mit jemand anderem zu leben, so konnte er ohne Zustimmung seiner Frau nicht die Scheidung seiner Ehe durchsetzen. Beeinflußt vom christlichen Menschenbild genoß die Ehe vom Gesetz her eine besondere Stellung.

Das änderte sich sukzessive mit den Beformen, denen das Familien-

recht vor allem in den Jahren 1975 bis 1978 unterzogen wurde. Die Broschüre des Frauenministeriums „Was tue ich, wenn... es zur Scheidung kommt?” kennzeichnet die Stoßrichtung folgendermaßen: „Familienrecht als Krisenmanagement”. Nicht mehr das Leitbild einer lebenslangen Ehe steht im Vordergrund, sondern der Umgang mit der Krise.

Das führte auch zu einer Neuausrichtung des Scheidunsrechtes. An die Stelle des „Verschuldensprinzips” trat das „Zerrüttungsprinzip”. Man ging von der Vorstellung aus, „daß jede gescheiterte Ehe geschieden werden sollte, wenn sie nicht mehr zu retten ist und einer der Partner -unabhängig davon, ob ihn Schuld an der Zerrüttung trifft oder nicht - den Willen zur Fortsetzung der Ehe verloren hat.” („Was tue ich...”)

Nunmehr kann auch jener Teil, der die häusliche Gemeinschaft ver-

lassen hat, nach dreijähriger Abwesenheit die Scheidung verlangen. Dann gilt die Ehe als zerrüttet.

Als besondere Neuerung führte die Familienrechtsreform die „einvernehmliche Scheidung” ein. Sie ist „dann möglich, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens sechs Monaten aufgehoben ist, beide Teile die Ehe für zerrüttet halten und geschieden werden wollen.”

In diesem Fall bedarf es keiner Scheidungsklage mehr. Es genügt ein „Antrag auf Durchführung der Ehescheidung im Einvernehmen”. Einzige Voraussetzung ist, daß die Ehegatten „über alle die Kinder, den Unterhalt und das eheliche Vermögen betreffenden Fragen vollständig geeinigt haben.”

Damit setzt sich im Grunde genommen ein Konzept der vollkommenen Privatisierung der Ehe durch. Sie geht nur mehr die beiden Partner an. Das klingt sehr vernünftig, über-

sieht aber, daß von der Auflösung der familiären Gemeinschaft nicht nur die Ehegatten betroffen sind.

Es geht auch von der meist nicht zutreffenden Hypothese aus, daß die einvernehmliche Scheidung Ergebnis des nüchternen Kalküls beider Betroffener ist. In wievielen Fällen wird davon aber keine Rede sein? Wie oft wird die Regelung überwiegend die Vorstellungen des Durchsetzungsfähigeren der beiden widerspiegeln? Wieviele werden ja und amen zu einer Vereinbarung sagen, nur um endlich Ruhe zu haben - und weil sie sich nicht auskennen oder schlecht beraten sind? Um da insbesondere Frauen vor unüberlegten Schritten zu bewahren, hat das Frauenministerium die oben erwähnte Broschüre herausgegeben. CG.

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