Nur mehr eine von vielen Verfehlungen?

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An zwei Punkten entzündet sich die Kritik an den geplanten Neuerungen im Eherecht: Ehebruch und Unterhaltszahlungen. Es geht dabei allerdings auch um Besserstellungen für die im Scheidungsfall besonders gefährdeten Frauen.

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An zwei Punkten entzündet sich die Kritik an den geplanten Neuerungen im Eherecht: Ehebruch und Unterhaltszahlungen. Es geht dabei allerdings auch um Besserstellungen für die im Scheidungsfall besonders gefährdeten Frauen.

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Um dem Entwurf wirklich gerecht zu werden, muß er zunächst einmal als Ganzes durchleuchtet werden: Neuerungen gibt es für die Zeit während der Ehe und nach der Ehe, aber auch im Prozeß- und Exekutionsrecht: 1. Während der Ehe: Die bisher geltende Verpflichtung, daß ein Ehegatte "im Erwerb des anderen (unter gewissen Bedingungen) mitzuwirken hat", soll überhaupt entfallen (§ 90 ABGB).

Bei der Empfehlung des Gesetzgebers, die Lebensgemeinschaft einvernehmlich zu gestalten, werden zur Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit noch weitere Kriterien, nämlich die "Leistung des Beistandes und die Obsorge (für die Kinder)" aufgenommen mit dem Ziel "der vollen Ausgewogenheit ihrer Beiträge".

Sodann wird es dem bisher haushaltsführenden Ehegatten erleichtert, sozusagen gefahrlos (ohne dem anderen damit einen Scheidungsgrund zu liefern) auch eine Berufstätigkeit aufzunehmen oder bei "Änderung sonst maßgeblicher Umstände" vom anderen zu verlangen, daß die Lebensgemeinschaft neu gestaltet wird (§ 91 ABGB).

Nachdem der einkommenslose (also haushaltsführende) Ehegatte während der Ehe bisher nur einen Anspruch auf "Unterhalt in natura" und erst bei Verletzung desselben ein solchen "in Geld" hatte, soll dieser Anspruch auf Geld nunmehr von vorneherein festgelegt werden (§ 94 Abs 3 ABGB).

Wirkt ein Ehegatte im Erwerb (also im Betrieb des anderen) mit, so hat er (entgegen der bisherigen Rechtslage) nunmehr einen unmittelbaren Anspruch auf angemessene Entlohnung. Bei ihrer Festlegung soll als Kriterium gelten, was er für eine vergleichbare Tätigkeit anderweitig verdient hätte (§ 98 ABGB).

Alles in allem handelt es sich bei den vorgesehenen Änderungen um vernünftige Regelungen. Die Schwäche der bisher geltenden Regelungen sollte aus den gemachten Erfahrungen heraus beseitigt werden. Grundsätzlich soll die Position des wirtschaftlich schwächeren Teiles (und das ist in der Regel die Frau) verbessert und sollen ihre Rechte gestärkt werden, ohne daß dabei der partnerschaftliche Charakter und der Appell zur gemeinsamen Gestaltung der ehelichen Gemeinschaft beseitigt wird.

2. Nach der Ehe (Scheidung und Scheidungsfolgen): Am stärksten entzündet hat sich die öffentliche Diskussion an der Tatsache, daß der Ehebruch als absoluter Scheidungsgrund wegfallen soll. Dazu wurde bereits Stellung genommen (siehe Furche Nr. 8, Seite 6).

Als Argument gegen diese "Abschaffung" wurde ins Treffen geführt, daß die eheliche Treue im Bewußtsein der Menschen nach wie vor einen hohen Stellenwert aufweise und dieser Grundwert Gefahr laufe, durch die Novellierung unterzugehen oder zumindest nicht mehr ernst genommen zu werden. Hier kann man sich zunächst des Eindrucks nicht erwehren, daß dieses Argument der "Signalwirkung" von den Kritikern höher bewertet wird als die Bedeutung der Änderung für den Alltag der Scheidungspraxis.

Richtig ist, daß mit der Neuregelung der Ehebruch als "absoluter Scheidungsgrund" abgeschafft würde, aber nicht auch als "Eheverfehlung". Was heißt schon "absoluter Scheidungsgrund"? Bereits bisher hat der Oberste Gerichtshof den Standpunkt vertreten, der Scheidungsanspruch entstehe auch bei einem Ehebruch nicht, wenn der verletzte Ehegatte das ehewidrige Verhalten des anderen von vorneherein nicht als ehezerrüttend empfunden habe; somit war schon in der bisherigen Spruchpraxis dieser "absolute Scheidungsgrund" in Wirklichkeit weitgehend relativiert.

Es sei in diesem Zusammenhang ein nicht uninteressanter Ausflug in das Neue Testament gestattet: Als die Ehebrecherin vor Jesus hingezerrt und ihm die kritische Frage gestellt wurde, was nun mit ihr geschehen solle, bemerkte er lakonisch, wer von den Umstehenden ohne Schuld sei, möge den ersten Stein werfen. Bedenkt man, daß auf Ehebruch im jüdischen Bereich damals die öffentliche Steinigung stand, so kann diese Wortmeldung Jesu vielleicht auch so gedeutet werden, daß er ein derartiges Vergehen aus dem Bereiche der öffentlichen Strafbarkeit, also der öffentlichen Beurteilung beziehungsweise Verurteilung herausnehmen und in die private Verantwortung zurückdrängen wollte. Hat Jesus vielleicht dabei an die Verletzung von Schuld gedacht?

Hand aufs Herz, wer - außer den Juristen - hat bisher gewußt, daß der Ehebruch ein "absoluter Scheidungsgrund" ist? Wer hat schon bisher - von einem fremden Weib, einem fremden Mann angelockt - das Ehegesetz zur Hand genommen, um sich zu vergewissern, ob das, was er vorhabe, eine absolute oder eine relative Eheverfehlung sein werde? Man soll doch nicht aus der derzeit (noch) geltenden Regelung knapp vor ihrer Abschaffung eine heilige Kuh machen, die sie nie war!

Letzten Endes geht die Neuregelung darauf hinaus, dem Richter mehr Verantwortung (und dem rechtssuchenden Menschen mehr Vertrauen in den Richter) aufzubürden mit dem Ziel, auch dem Ehebruch (der ohnedies in seltenen Fällen bewiesen werden kann) nur dann und insoferne Bedeutung zuzumessen, als er eine echt zerrüttende Wirkung auf die Ehe ausübt.

Den "zweiten Stein des Anstoßes" stellt die Änderung im Unterhaltsbereich dar. Konnte bisher der schuldlos geschiedene Ehegatte vom Schuldigen Unterhalt begehren, so soll nach der Neuregelung auch ein schuldig geschiedener Ehegatte einen Unterhaltsanspruch gegen den "Unschuldigen" haben. Wer aber jetzt "Zeter und Mordio" schreit, darf nicht übersehen, daß dieser neue Anspruch wesentliche Einschränkungen beinhaltet: Dieser Anspruch entsteht nur insoferne, als "diesem Ehegatten aufgrund der Gestaltung der früheren ehelichen Lebensgemeinschaft oder der Pflege und Erziehung aus der Ehe stammender Kinder nicht zugemutet werden kann, sich selbst zu erhalten und die Gewährung des Unterhalts, besonders auch im Hinblick auf die Gründe der Scheidung, nicht unbillig scheint. Die Unterhaltspflicht kann auch zeitlich beschränkt werden" (§ 68 a EheG).

Wie der Richter Dr. Schrott anläßlich seines Interviews im ORF bemerkte, geht die Tendenz dahin, den Unterhaltsanspruch vom Verschulden zu entkoppeln. In der Tat kann der formelle Schuldausspruch im Scheidungsurteil nicht das einzige Kriterium für den Unterhaltsanspruch bilden. Wer sich jahrzehntelang im Scheidungsrecht bewegte, weiß nur zu gut, wie relativ solche Urteile - gemessen an einer viele Jahre währenden Lebensgemeinschaft - zu werten sind. Man nehme den Fall, daß ein Ehemann seine Frau (und indirekt auch die Kinder) durch Jahre hindurch drangsaliert, demütigt, unter Druck und wirtschaftlich knapp hält. Ist es da nicht verständlich, daß eine solche Frau einem anderen Mann, der ihr endlich Zärtlichkeit, Wertschätzung und Zuwendung gewährt, einmal erliegt? Kann eine solche einmalige Verfehlung schwerer wiegen als die vorausgegangenen jahrelangen Schikanen, welche letzten Endes diese Verfehlung erst ausgelöst haben? Soll deshalb die Frau, welche mit Rücksicht auf ihre Familie auf eine berufliche Ausbildung, auf Fortkommen und Einkommen verzichtet hat, für den Rest des Lebens in Armut versinken? Es erhebt sich in solchen Fällen die Frage, ob der Mann nicht schon vorher viele Male die Ehe "zerbrochen", damit seine Partnerin "gebrochen" und sie damit geradezu gedrängt hat, eine solche Ehe auch einmal "zu brechen"? Der Soziologe und Pastoraltheologe Paul Zulehner meint, daß manchmal fremdgegangen wird, wenn das Haus der Ehe zur Fremde geworden ist.

In den Unterhaltsbereich hinein gehört auch eine Neuregelung, welche der in der Praxis tätige Jurist nur begrüßen kann: Es kommt einfach vor, daß im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung eine Unterhaltsregelung so mangelhaft formuliert ist, daß sie nicht greift. In solchen Fällen soll nach dem Entwurf nachträglich eine Unterhaltsregelung eingeführt werden, wobei dieselben Kriterien zur Anwendung kommen wie im Falle des Unterhaltsanspruches des "schuldigen" Teiles.

Eine Neuregelung findet sich bei der Aufteilung nach der Scheidung in bezug auf die Ehewohnung: Bisher war diese und war der Hausrat bisher nur dann in die Aufteilung einzubeziehen, wenn ein Ehegatte darauf "zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist". Nun soll diese Bedingung überhaupt wegfallen. Die Ehewohnung soll demnach auf jeden Fall einbezogen werden, insbesonders auch dann, wenn "sie ein Ehegatte in die Ehe eingebracht, von Todes wegen erworben oder sie ihm ein Dritter geschenkt hat oder wenn sie zu einem Unternehmen gehören" (in welchen Fällen sowohl die Ehewohnung als auch der Hausrat bisher nicht in die Aufteilung einbezogen werden konnte) (§ 82 Abs EheG).

Im geltenden Recht war bei der Aufteilung nach der Scheidung ein Unternehmen, an dem ein Ehegatte beteiligt ist, sozusagen "sakrosankt", konnte also in die Aufteilung nicht einbezogen werden. Gerade diese Tatsache wurde weitgehend als ein rechtes Unrecht angesehen, war diese Regelung doch hauptsächlich deshalb eingeführt worden, um die Unternehmensstruktur in Österreich nicht durch häufige Scheidungen zu schwächen. Dabei ist das Kriterium der Gerechtigkeit auf der Strecke geblieben. Nach der Neuregelung sollen solche Investitionen in ein Unternehmen eines Ehegatten wertmäßig bei der Aufteilung sehr wohl zu beachten sein, dies "unter Berücksichtigung der Vorteile der Investition auch für den anderen Ehegatten, besonders in unterhaltsrechtlicher Hinsicht" (§ 91 EheG).

Alle diese Neuerungen für die Zeit nach dem Scheitern der Ehe bedeuten wirkliche Besserstellungen des wirtschaftlich schwächeren Teiles und sind daher ebenso zu begrüßen.

3. Prozessuale Neuregelungen: Wer die Neuregelungen mit dem Argument kritisiert, es würde dadurch die Zahl der Scheidungen steigen, wird gerade in den neuen Prozeßbestimmungen eines Besseren belehrt, denn nunmehr soll auch die Mediation in das Prozeßrecht eingebaut werden. Der Mediator soll nicht mehr als Zeuge gerufen werden können. Während der Zeit der Inanspruchnahme der Mediation soll die Verjährung ruhen (damit nicht zur Vermeidung der Verjährung unnützerweise eine Klage eingebracht werden muß) (§ 99 EheG).

Des weiteren soll das Gericht dafür Sorge tragen, daß eine unvertretene Partei im Scheidungsverfahren eine allenfalls notwendige Beratung über die Scheidungsfolgen erhält. Auch wird die Befugnis des Richters erweitert, sich intensiver mit den Chancen einer Versöhnung zu befassen. Dabei hat sich das Gericht durch Befragung der Parteien ein Bild davon zu machen, ob und mit welcher Hilfe die Parteien zu einer gütlichen Einigung gelangen können. Der Richter hat sogar eine Verhandlung zu vertagen, wenn beide Parteien entsprechende Hilfsangebote in Richtung Versöhnung (Beratungsinstitute) in Anspruch nehmen wollen. Auch hat das Gericht Scheidungsurteile auszufertigen, bei denen die (oft peinliche) Begründung weggelassen wird. Schließlich ist eine prozessuale Stärkung jenes Ehegatten vorgesehen, der in der Gefahr, durch Aktivitäten des anderen die Ehewohnung zu verlieren, bei Gericht Sicherungsmaßnahmen beantragt.

Zusammenfassend stellt dieser Entwurf zumindest eine ernstzunehmende Diskussionsgrundlage dar. Er kann die Lebens- und Überlebenschancen des Einzelnen während und nach der Ehe verbessern und Härten, insbesonders für Frauen vermeiden, die ihre ganze Lebenskraft der Ehe und Familie geschenkt und die Chance eigener Berufstätigkeit und eigenen Berufseinkommens im guten Glauben an die Stabilität der Partnerschaft aufgegeben haben. Diese Tendenz kann nur begrüßt werden. Eine Lawine wird durch dieses "Reförmchen" ohnedies nicht losgetreten.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen.

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