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19451960198020002020

Ein deutsches Gericht entschied jetzt anders.

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Ein deutsches Gericht entschied jetzt anders.

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Einzelzeichnungsberechtigung umgewandelt. Das Antragsformular enthielt unter anderem die Klausel: „Jeder von uns ist berechtigt, Verbindlichkeiten zu Lasten des gemeinschaftlichen Kontos einzugehen." In den Folgejahren überzog der Mann den eingeräumten Kredit beträchtlich. Nachdem sich eine Schuld von über 130.000 DM angesammelt hatte, kündigte die Bank das Kreditverhältnis und nahm beide Ehegatten als Gesamtschuldner in Anspruch.

Die Ehegattin war zum Zeitpunkt der Vereinbarungen nicht berufstätig und verfügte weder über eigene Einkünfte noch über ein nennenswertes Vermögen. Eine Verbesserung ihrer Vermögenslage war bereits damals nicht zu erwarten und ist in den Folgejahren auch nicht eingetreten. Im Gegenteil: Die Ehe wurde geschieden, die Frau hatte nunmehr allein ihre beiden Kinder zu betreuen und lebte von der Sozialhilfe.

Im Gerichtsverfahren wurde überdies festgestellt, daß sie an den unternehmerischen Entscheidungen ihres Mannes nicht beteiligt und anfangs auch nicht bereit gewesen war, die Mitverpflichtung einzugehen. Der Vertreter der Bank bestand jedoch darauf, daß der Kredit nur bei Mitverpflichtung beider Ehegatten gewährt würde. Daraufhin „bearbeitete" der Kre-ditwerber seine Ehegattin (in Gegenwart des Bankenvertreters) unter anderem mit dem Hinweis, „sie könne ihm mit ihrer Unterschrift ihre Liebe beweisen" (!); mit diesem Argument ließ die Frau sich schließlich „weichklopfen".

Dies war sogar den Bundesrichtern in Karlruhe zuviel: Sie qualifizierten die Mitverpflichtung der Frau als sittenwidrig und ließen die klagende Bank abblitzen. Grundsätzlich wurde zwar weiterhin daran festgehalten, daß die finanzielle Überforderung eines Darlehensnehmers oder Bürgen für sich allein noch keinen Unwirksamkeitsgrund darstellt; aus der Gesamtwürdigung aller gegebenen Umstände ergebe sich aber deren Sittenwidrigkeit. Dies aus folgenden Gründen:

a) Die Kredite waren allein für den Gewerbebetrieb des Ehemannes bestimmt, die Ehegattin kümmerte sich überhaupt nicht um das Geschäft, sondern betreute nur den Haushalt und die Kinder. Die Vorteile der Kreditgewährung kamen ihr daher bestenfalls indirekt zugute, weil aus den Erträgen des Unternehmens der gemeinsame Lebensunterhalt finanziert wurde.

b) Der Bank erwuchsen durch die

routinemäßige Forderung nach einer persönlichen Mithaftung der Ehegattin kaum greifbare Vorteile, weil sie von dieser die Erfüllung ihrer Forderungen nicht ernsthaft erwarten konnte.

c) Die Mithaftung der (geschäftsunerfahrenen) Ehegattin konnte nur unter Ausnutzung familiärer Bindungen begründet werden.

Abschließend wurde klargestellt: „Es kann nicht hingenommen werden, daß Banken die Gewährung von Krediten an verheiratete Kreditnehmer ohne konkreten rechtfertigenden Grund auch dann von einer unbeschränkten persönlichen Mithaftung seiner Ehefrau abhängig machen, wenn diese nach ihren persönlichen Verhältnissen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, sich von den übernommenen, sogar nach einer Scheidung weiter bestehenden Belastungen jemals aus eigener Kraft wieder zu befreien."

Ob diese deutsche Rechtsprechung auch hierzulande Nachahmung finden wird, bleibt abzuwarten.

Die Signale aus Karlsruhe sollten aber auch in Österreich rechtzeitig vernommen werden: Der altdeutsche Rechtsgrundsatz „Bürgen sollst du würgen" gilt nicht unumschränkt, sondern nur dann, wenn der Kreditgeber bei der Begründung der Bürgschaft zumindest einige rechtsethische Minimalanforderungen beachtet hat. Die wahllose Akquirierung mittelloser Bürgen oder sonstiger Mithaftender unter Ausnutzung bestehender familiärer oder sonstiger persönlicher Bindungen zum eigentlichen Kreditwerber könnte eines Tages auch hierzulande ins Auge gehen. Dies speziell dann, wenn man geschäftsunerfahrene Personen, die die Tragweite ihrer Verpflichtung nicht voll erkennen, ins offene Messer laufen läßt!

Eines sollte allerdings klar sein: Ein Allheilmittel gegen die eingangs geschilderte Problematik vermag diese - nur auf sachlich eng begrenzte Auswüchse abzielende -Rechtsprechung nicht zu bieten. Der Gesetzgeber wird daher nicht umhin können, quasi als „letztes Netz" zur Sanierung zahlungsunfähiger Privatschuldner ein funktionsfähiges insolvenzrechtliches Instrumentarium zu schaffen. Vorschläge zur Ausgestaltung einer solchen „Verbraucherinsolvenz" in Östereich, die auf zahlreiche internationale Vorbilder zurückgreifen können, sollen demnächst unterbreitet werden.

Der Autor ist Universitätsassistent am Institut für zivilgerichtliches Verfahren der Universität Innsbruck

In zehn Jahren, so lautet ein finnischer Witz, wird es in Europa nur mehr acht Länder geben: die EG, sechs jugoslawische Republiken und Finnland.

Den übrigen skandinavischen Ländern - Dänemark, Norwegen, Schweden und Island - ist längst nicht mehr nach derartigen Scherzen zumute. Erstmals ist in der traditionell engen Zusammenarbeit dieser Länder spürbare Unstimmigkeit eingetreten. Die Vorgänge in der Sowjetunion, insbesondere die

Anerkennung der nach Unabhängigkeit strebenden Baltenrepubliken und die Frage eines möglichen EG-Beitritts haben deutliche Differenzen erkennen lassen.Während sich die übrigen Nordländer, allen voran Island, massiv für die Anerkennung der Baltenrepubliken einsetzten, beharrte Finnland, wohl aus Rücksicht vor dem übermächtigen Nachbarn Sowjetunion, strikt auf seine neutrale Haltung. Endgültige Verwirrung brachte schließlich die überraschende Wende der schwedischen Regierung Ingvar Carlsson, die - nach massiver Ablehnung - nun doch den Anschluß an den EG-Zug sucht, und zwar möglichst bald.

Der überraschende Ausgang der finnischen Reichstags wählen vom 17. März machte die bisherige Oppositionspartei, das bäuerliche Zentrum, wieder zur stärksten politischen Kraft im Lande. Die Wahlkampfstrategie der Zentrumsführer Esko Aho und Paavo Väyrynen, die bisherige Koalitionsregierung aus Konservativen, Sozialdemokraten und Schwedischer Volkspartei für die immer drückender werdende Rezession verantwortlich zu machen, ist damit aufgegangen. Die verfahrene Wirtschaftspolitik drängte Finnland in eine regelrechte Depression. Der wirtschaftliche Zusammenbruch der Sowjetunion, wichtigster. Handelspartner und Rohstofflieferant, konnte nicht ohne Auswirkungen auf den kleinen Nachbarn bleiben, wie der britische „Economist" kürzlich in einer Analyse feststellte.

Angesichts der brennenden Wirtschaftsprobleme verlief der Wahlkampf erstaunlich ruhig. Auch alle wichtigen Fragen der Außenpolitik wie EG-Beitritt, Anerkennung der Baltenrepubliken, waren keine Wahlkampfthemen. Dafür sorgte schon der „Maulkorb-Erlaß" von Staatspräsident Mauno Koivisto, dem sich schließlich alle Parteien trotz Kritik beugten.

Trotzdem verlangen die anstehenden Probleme von der neuen Regierung baldigeEntscheidungen. Auch was die Haltung zur EG betrifft. Quer durch alle politischen Parteien war man sich bis jetzt nur über den Kurs einig: Nein danke, jetzt

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