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Scheidungs-Versicherung

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Niemand hofft beim Abschluß einer Feuerversicherung, daß seine Wohnung aus- oder sein Haus abbrennt. Im Gegenteil. Und kein Paar denkt schon bei der Hochzeit gleich an Scheidung. Aber immer mehr Ehen gehen in Brüche. Mit menschlichen und materiellen Folgen. Könnten letztere durch eine Scheidungs-Versicherung abgefangen werden? Oder würde das die „Wegwerfehe" fördern?

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Niemand hofft beim Abschluß einer Feuerversicherung, daß seine Wohnung aus- oder sein Haus abbrennt. Im Gegenteil. Und kein Paar denkt schon bei der Hochzeit gleich an Scheidung. Aber immer mehr Ehen gehen in Brüche. Mit menschlichen und materiellen Folgen. Könnten letztere durch eine Scheidungs-Versicherung abgefangen werden? Oder würde das die „Wegwerfehe" fördern?

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Die Scheidung bringt nicht nur Leid für beide Ehegatten und für Kinder, Leid auch für Eltern und Verwandte, sondern auch und nicht zuletzt schwere finanzielle Lasten. Partner werden oft nach längerem Verfahren, manchmal sogar nach mehreren Prozessen mit schweren Vertretungskosten belastet. Dazu kommt immer wieder auch eine anhaltende und belastende Unterhaltsschuld. Es werden manchmal auch Zahlungen als Ersatz für die Mitwirkung im Erwerb der letzten drei Jahre der Ehe verlangt. Schließlich können auch noch im Rahmen des Aufteilungsverfahren harte Zah-lungspflichten auferlegt werden.

Kurz und gut: Die Scheidung bedeutet für viele Menschen harte Arbeit, drückende Einschränkungen, schwere Verschuldung, manchmal führt sie geradezu zum Ruin und nicht selten erzählt einem ein-Sandler, daß das der Anfang vom Ende war, der Anlaß zum Sandeln, weil er sich nicht mehr darüber aussieht, seinen im Rahmen der Scheidung übernommenen oder auferlegten Pflichten nachzukommen.

Da unterbreitete kürzlich der Vorsitzende des deutschen Familiengerichtstages, Siegfried Willutzki, den Vorschlag, eine Scheidungs-Versicherung einzuführen, womit ein für allemal die Scheidungsfolgen abgefangen wären.

Der Vorschlag ist zu überlegen. Vieles spricht dafür, manches dagegen.

Gleich an Scheidung denken?

Es müßte wohl eine Pflichtversicherung sein. Freiwillige Versicherungen dieser Art würden wahrschein-lich kaum abgeschlossen werden. Die jungen Paare würden solche Versicherungen verständlicherweise von vornherein ablehnen. Ebenso wie von der im Gesetz vorgesehenen Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht wird, aus Anlaß eines Eheabschlusses eine Vereinbarung über die Art und Weise abzuschließen, wie die wirtschaftlichen Folgen für den Fall der Scheidung geregelt werden sollten. Wer geht schon am Traualtar oder vor dem Standesbeamten davon aus, daß seine Ehe nur kurzen Bestand haben würde? Niemand mutet seinem Partner zu, das Scheitern der Ehe schon beim Eheabschluß ins Auge zu fassen.

Im Falle einer Pflichtversicherung würde dieser Gesichtspunkt wegfallen. Die Belastung von Versicherungsprämien würde ebenso zur Selbstverständlichkeit werden, wie dies den Fahrzeugbesitzern bei der Kfz-Haft-pflicht-Versicherung zur Routine geworden ist.

Welcher Versicherungstyp?

Die Versicherung könnte gestaffelt abgeschlossen werden:

Es müßte zunächst eine Pflicht-Mindestversicherung eingeführt werden mit einem Plafond zur Absicherung von Scheidungskosten, möglichst auch von Unterhaltspflichten und Aufteilungslasten. Darüber hinaus könnten freiwillige Erhöhungen ins Auge gefaßt werden für den Fall, als sich die Partner mit Rücksicht auf die Art und Weise der Ehe- und Wirtschaftsführung eine solche höhere Versicherung als zweckmäßig vorstellen könnten (zum Beispiel wenn ein Partner gerade dabei ist, im Rahmen der Ehe oder zumindest während der Ehe bedeutende Geschäfte abzuschließen, Grundstücke zu erwerben, Wertpapiere anzuschaffen et cetera. Diese Werte können unter Umständen im Falle der Scheidung der Aufteilung zugrunde gelegt werden und könnten das geschaffene Vermögen mit einem Schlage wieder vernichten.)

(De-)Stabiliserung der Ehe?

Natürlich könnte hier sofort das Argument auftauchen:

Eine solche Versichung würde die Ehe von vornherein destabilisieren und zugleich zu einem reinen Wirtschaftsgut, zu einer Risikogemeinschaft auf Abruf degradieren.

In Wirklichkeit trägt eine solche Versicherung, die besser als „Absicherung vor den unangenehmen Folgen der Ehescheidung" zu bezeichnen wäre, nur einer Realität Rechnung, die da heißt, daß eben nun einmal jede dritte Ehe geschieden wird. Soll man vor dieser Tatsache die

Augen von vornherein verschließen und den Kopf in den Sand stecken?

Im übrigen könnte man eigentlich durch eine solche Versicherung sogar eine stabilisierende Wirkung schaffen. Für jedes erfolgreiche Ehejahr könnten nämlich eine Prämie, eine Rückvergütung ausbezahlt werden, ähnlich jener Rückvergütung, die Krankenversicherungen für jedes leistungsfreie, also „gesunde Jahr" auszahlen. Natürlich könnte eine solche Versicherung zu eine? Art „Wegwerfhaltung" verführen, aber nur bei solchen Ehegatten bei denen eine solche Haltung von vorneherein latent vorhanden war. Man fährt ja schließlich auch im Straßenverkehr nicht deshalb unvorsichtig, weil man haftpflichtversichert ist.

Wohl aber könnte eine solche Versicherung viel Leid vermeiden, und zwar Leid während der Ehescheidung und nachher. Man könnte es sich ersparen, über Schuld und Unschuld zu streiten und darüber, wer die Ehe kaputt gemacht hat. Man könnte sich das belastende und bedrückende Waschen von Schmutzwäsche vor Gericht erübrigen. Die Unterhaltsfrage wäre durch die Versicherung geregelt oder zumindest entschärft.

Während der Ehemann nicht mehr sorgenvoll in die Zukunft blicken müßte, weil er nicht weiß, wie er etwa die geschiedene Frau und die Kinder erhalten soll, könnte auch die Frau ohne Sorgen der weiteren Entwicklung entgegensehen, weil sie nicht ständig mit der Eintreibung des Unterhalts beschäftigt wäre.

Mann und Frau könnten also bei der Scheidung der Zukunft weniger sorgenvoll entgegenblicken.

Kultur der Ehescheidung

Eine weitere positive Nebenwirkung wäre die Tatsache, daß die Ehescheidung nicht mehr zum Zankapfel und zu einem persönlichen

Kriegszustand nachher führen müßte. Für den Fall, daß beide Ehegatten ein weiteres Zusammenleben als unvertretbar und unverantwortlich ansehen sollten, könnte man sich in Ruhe über die Scheidungswirkungen unterhalten. Streit und Verbitterung wäre unnötig. Es müßten keine Zeugen mehr bemüht werden. Detektive hätten das Nachsehen. Die Partner könnten in Würde das nun einmal nicht geglückte Kapitel abschließen und sich wieder in die Augen sehen mit der Erkenntnis, daß es einfach nicht gelungen ist.

Die Rolle der Versicherungen

Auch diese könnten der neuen Versicherungssparte gegenüber positiv eingestellt sein. Langatmige Streitigkeiten würden sich erübrigen. Diese Prozeßkosten würden sich daher in Grenzen halten. Nachdem es sich um eine Pflichtversicherung handelt, würde auch das Prämienaufkommen eine schöne Summe ausmachen und einen gut dotierten Topf schaffen.

Selbst der wiederholten Scheidung könnte entgegengesteuert werden durch ein „Bonus-Malus-System", vergleichbar jenem in der Kfz-Haft-pflicht- Versicherung, wonach bei einem zweiten oder dritten Eheschließungsfall eine erhöhte Prämie einzufordern wäre.

Schließlich könnte auch eine Art „Armenversicherung" geschaffen werden, womit die Härte der Versicherungsprämie bei Menschen mit geringerem Einkommen aus einem Art Fürsorge-Versicherungs-Fonds gespeist würde. Für diese Zwecke könnte vielleicht wirklich sinnvollerweise der Familienlastenausgleichs-fond ohne widmungswidrige Verschleuderung eingesetzt werden.

Einstellung zählt weiter

Zugegeben, die Idee ist unkonventionell. Sie provoziert den Vorwurf, daß also auch im Bereich der Ehe wiedereinmal alles machbar gemacht und die Ehe zu einem Kaufobjekt herabgewürdigt wird, dessen man sich von vorneherein billig zu entledigen gedenkt. Die Ehe würde demnach wiederum zu einem „weltlich' Ding" (Luther).

Bedenkt man die Praxis, so wird sie allerdings nur in den Augen derjenigen zu einer Wegwerfehe, welche sie mit einer Wegwerfmentalität eingehen. Sie bleibt hingegen in den Augen derer eine heilige und ernste Sache, die sie als solche von vorneherein einstufen. Die Versicherung ändert daran wenig oder nichts. Es kommt auf die Einstellung an. Geändert werden nur die Auswirkungen in Richtung allseitiger Bewahrung der Menschenwürde. Und darum geht es auch in dem schmerzhaften Bereich der Scheidung, der doch so viele Mitmenschen leidvoll trifft.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Innsbruck.

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