Der hartnäckige Traum vom Glück

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Die Scheidungsziffern steigen - und dennoch steuern viele Paare unbeirrt in den Hafen der Ehe. Warum eigentlich?

Manche machen es hoch oben im Luxuswaggon des Wiener Riesenrads, andere auf Sisis Spuren im Schloss Schönbrunn, und nicht wenige im Steinernen Saal des Rathauses. "Wenn man die Feststiege herunterschreitet, ist das ein ganz besonderes Erlebnis", schwärmt Thomas Hie und deutet in seinem Büro am Standesamt Wien-Innere Stadt auf einen Werbefolder.

562 von rund 6500 Paaren haben sich im Vorjahr eine solche Wiener "Traumhochzeit" gegönnt - und dafür ordentlich ins Portemonnaie gegriffen: Während eine normale, standesamtliche Trauung mit rund 100 Euro zu Buche schlägt, sind für eine "Traumhochzeit" samt persönlicher Ansprache 550 Euro zu berappen. Die Miete für die "Traum-Location" noch nicht mitgerechnet.

Einmal Prinzessin sein

Wozu all diese Inszenierung? Der Standesbeamte hat eine simple Erklärung parat: "Einmal im Leben", meint Hie, "will man eben Prinzessin sein."

Die Ernüchterung folgt früh genug: In Wien werden mittlerweile bereits zwei von drei Ehen geschieden, österreichweit sind es rund 50 Prozent (siehe Grafik). Ein historischer Rekordwert. Zugleich nimmt die Gesamtzahl der Eheschließungen kontinuierlich ab: Während sich in den 50er und 60er Jahren noch über 50.000 Paare alljährlich trauten, wagten im Vorjahr nur knapp 36.000 diesen Schritt.

Von einer allgemeinen Abkehr von der Institution Ehe kann dennoch keine Rede sein. Geheiratet wird nach wie vor - und gern auch öfter: Laut Statistik Austria war es im Vorjahr für rund 3000 Frauen und 3500 Männer bereits die zweite, für 370 Frauen und 430 Männer bereits die dritte und für eine Frau sogar die zehnte Ehe. Doch was treibt die Paare dazu, in der gegenwärtigen Multioptions-Gesellschaft zu einer lebenslangen Bindung "Ja" zu sagen?

(Romantische) Liebe ist kein zwingender Grund, fanden die Mainzer Soziologen Norbert Schneider und Heiko Rüger in einer Umfrage unter 377 Ehepaaren heraus, die zwischen 1999 und 2005 geheiratet hatten. Aus Liebe werde man "nur" ein Paar und ziehe zusammen, lautet die Conclusio ihrer Studie, die 2007 in der Bielefelder Zeitschrift für Soziologie publiziert wurde. Geheiratet werde hingegen aus Tradition - und wenn es einem nützt.

Zahlt sich heiraten aus?

Tatsächlich gibt es eine Fülle rechtlicher Bestimmungen, die nur Ehegatten zugute kommen (siehe Kasten). Die möglichen Nachteile einer Heirat - etwa bei der Berechnung der Ausgleichszulage oder durch Ansprüche der Sozialhilfeträger gegen den Ehepartner - sind in der Minderheit. "Heiraten zahlt sich für jene aus, die in der finanziell schwächeren Position sind - also vor allem für die Frauen", weiß Astrid Deixler-Hübner, Professorin für europäisches und österreichisches Zivilverfahrensrecht an der Universität Linz. Insbesondere vor der Familiengründung würde sie zur Heirat raten. "Finanzstarke Männer mit Rechenstift sollten eher davon Abstand nehmen", meint sie augenzwinkernd.

Die Wiener Scheidungsanwältin Helene Klaar sieht das ähnlich - und reklamiert auch für Lebenspartnerschaften mehr Absicherung (siehe nächste Seite). "Ich sage immer: Die Ehe ist ein Vertrag, der im bürgerlichen Recht geregelt ist und der wie ein Vertrag behandelt werden sollte. Aber in Wirklichkeit wird die Frage, ob jemand heiraten will, doch immer emotional gelöst." Jemandem von der Ehe abzuraten, sei deshalb ein hoffnungsloses Unterfangen, klagt die Anwältin. "Zu mir kommen die Leute aber auch erst, wenn der Schaden schon geschehen ist."

Gabriele Peinbauer-Berger kommt deutlich früher zum Zug. Im Kardinal König Haus in Wien/Hietzing ist die Theologin und Psychotherapeutin für die Ehevorbereitungskurse zuständig. Was sind aus ihrer Sicht die Gründe, warum Paare heutzutage heiraten? "Die meisten sind schon sehr lange zusammen und wollen - etwa anlässlich eines Jahrestages - die Beziehung noch einmal vertiefen", erzählt sie im Furche-Gespräch. Oft sei auch das erste oder zweite Kind unterwegs. Und bei Paaren, die auch kirchlich heiraten, komme nicht zuletzt die spirituelle Dimension zum Tragen - auch wenn sich viele nicht als religiös-kirchlich definieren.

Beziehungs-Investitionen

Der pragmatischste Ehe-Grund ist und bleibt aber die Sehnsucht nach Stabilität. "Eine Heirat erschwert einfach die Trennung", meint der Kölner Soziologe Michael Wagner. "Und wenn man in eine Beziehung investieren will, indem man etwa Hausarbeit leistet oder Kinder großzieht, dann ist das weniger riskant, wenn man weiß, dass die Beziehung nicht so leicht getrennt werden kann." Genau diese emotionalen und finanziellen Investitionen wirken wiederum stabilisierend, hat der Forscher herausgefunden. "Kinder, Geld, gemeinsames Wohneigentum oder gemeinsame Freunde haben ja nur dann ihren Wert und ihre Gültigkeit, wenn das Paar zusammenbleibt." Wagners Fazit: So häufig sich Eheleute auch scheiden lassen - Nichtverheiratete trennen sich noch leichter.

Nicht zuletzt die Hochzeitsparty selbst senkt das Trennungsrisiko: Laut einer Mannheimer Studie besteht eine Korrelation zwischen der Größe der Feier und der ehelichen Stabilität - sei es aus Scham vor den vielen "Trauzeugen", sei es, weil Liebhaber großer Hochzeiten einfach traditioneller sind.

Thomas Hie vom Wiener Referat für Traumhochzeiten kann sich durch Studien wie diese jedenfalls bestätigt fühlen - hoch oben im Riesenrad oder anderswo …

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