Ehen - nur Privatsache?

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Wie einer seine Ehe führt, ist seine persönliche Angelegenheit - und die seines Partners.

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Wie einer seine Ehe führt, ist seine persönliche Angelegenheit - und die seines Partners.

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Das solle man auch ihm zubilligen, meinte Präsident Bill Clinton bei seinem Eingeständnis, mit Monica Lewinsky ein Verhältnis gehabt zu haben. Daß Familienleben Privatsache ist, sei hier nicht bestritten. Aber wird dieser Aspekt heute nicht überbetont?

Der strafrechtliche Schutz für die Ehe (Ausdruck des öffentlichen Interesses an ihrer Aufrechterhaltung) ist weggefallen, die Scheidungsgesetzgebung wurde so weit gelockert, daß Gerichte bei gemeinsam erklärtem Willen, die Ehe aufzulösen, gar nicht mehr prüfen können, ob diese Behauptung den Tatsachen entspricht. Mehr-Kind-Familien sind finanziell benachteiligt, uneheliche Mütter gegenüber verheirateten bevorzugt. Und vor allem: Die Freigabe der Abtreibung stellt das Leben des Kindes total in das Belieben der Eltern. Und die vielfach gepushte Freigabe der Euthanasie wird die Privatisierung der Entscheidung über das Leben erweitern.

Ich weiß schon, daß es eine Reihe von Argumenten für jede einzelne dieser Regelungen gibt. Das Pro und Kontra sei hier nicht abgehandelt. Es geht mir nur um die Kennzeichnung der Trends.

Wie sich die Sichtweise verändert, ist in den Parteiprogrammen der SPÖ nachzulesen. 1978 hieß es dort noch: "Die Sozialisten bekennen sich zur demokratischen, partnerschaftlichen Familie als Form dauernden Zusammenlebens." Im Programmentwurf der Sozialdemokraten 1998 ist nur mehr die Rede von "vielfältigen Formen menschlichen Zusammenlebens" und von "Bereicherung", daß sich "immer weniger Menschen in traditionelle Verhaltensmuster zwängen lassen". Man stehe für einen "erweiterten Familienbegriff".

Damit wird in Österreich propagiert, was international im Trend liegt, nämlich Familie nicht einmal mehr als Zusammenleben von Mann und Frau und deren Kindern als Leitbild zu akzeptieren. Vielmehr wird sie zum Sammelbegriff für freigewählte Formen des Zusammenlebens, die mündige Bürger nach Belieben gestalten.

Auf dieser Linie bewegen sich Gesetzesinitiativen in ganz Europa. In Frankreich liegen verschiedene Gesetzesentwürfe im Parlament, die homosexuelle Paare mit normalen Ehen mehr oder weniger gleichstellen wollen. Sie laufen unter der Bezeichnung "Vertrag ziviler und sozialer Union" oder "Bündnis gemeinsamen Interesses". Dasselbe Ziel peilt ein Gesetzesentwurf an, den die SPD-Fraktion im März im deutschen Bundestag eingebracht hat.

Familie verliert damit einen Status, den sie in Europa bis in die Gegenwart hatte: als eine der Gesellschaft vorgeordnete Realität, eine in der Transzendenz verankerte Ordnung, die ob ihrer grundlegenden Bedeutung besonders abgesichert war.

Das Familienrecht ging von der Selbstverständlichkeit aus, daß Familie aus einem Mann, einer Frau und deren Nachkommenschaft, sowie deren Vorfahren besteht. Grundlage dieser Sichtweise ist das Buch Genesis, in dem die wesentlichen Aspekte festgehalten sind: der Mensch als Mann und Frau geschaffen, gleich an Würde, verschieden im Wesen, die Ehe als göttliche Einrichtung, die durch Verlassen des bisherigen Bezugsrahmens (Vater und Mutter) und bewußtes Binden an den Partner begründet wird, wodurch etwas Neues, eine lebenslange Einheit, entsteht, die zur Fruchtbarkeit berufen ist.

Eine Gesellschaft, die sich von Gott verabschiedet hat, mit Hinweisen auf Gottes Gebot zur Ordnung zu rufen, wird teils Erstaunen, teils Heiterkeit, teils Ärger hervorrufen. Moralisieren ist out, aber Nützlichkeitsargumente sollten in sein.

Macht man Familie zum Gegenstand privater Vereinbarungen, so vernachlässigt man die vielen - für die Öffentlichkeit sehr relevanten - Folgen ihres Funktionierens. Man denke nur daran, wie verheerend sich Scheidungen für alle Beteiligten auswirken. Unzählige Untersuchungen belegen dies: Das reicht von finanziellen Katastrophen über verkürzte Lebenserwartung, Gesundheitsstörungen bis hin zu vielfältigen Belastungen, besonders der Kinder. Drogensucht, Jugendkriminalität, Antriebsschwäche, Bindungslosigkeit ... stehen mit dem Versagen der Familien in Beziehung. Wo soll der Mensch Solidarität, Vertrauen, Verantwortungsgefühl einüben, wenn nicht in der Familie? In Krabbelstuben oder Horten? Erstaunlich, daß solche Nützlichkeiten eine Gesellschaft, die überall sonst das Kosten-Nutzen-Denken pflegt, nicht dazu bewegen, Ehe und Familie - nein, nicht als Lebensmodell aufzudrängen! - ganz gezielt zu fördern.

Und das umso mehr, als alle Umfragen bestätigen, daß eine erdrückende Mehrheit die Ansicht vertritt, man brauche eine Familie - eine traditionelle - für ein glückliches Leben, und eheliche Treue sei ein wesentlicher Bestandteil dieses Glücks. Bemerkenswert sind die Wünsche der Kinder an ihre Eltern: Stabilität, gemeinsames Tun, harmonisches Zusammenleben, eine große Familie stehen an der Spitze der Wunschliste.

Mit den heutigen Versuchen, Ehe und Familie umzubauen, findet in der sozialen Umwelt derselbe Raubbau statt, wie wir ihn an der natürlichen Umwelt betreiben: Der heutige Lustgewinn wird auf Kosten der Zukunft maximiert. Der Einzelinitiative wird Tür und Tor geöffnet, ohne den Interessen der kommenden Generationen Rechnung zu tragen. Eine Gesellschaft mit Zukunft muß vom Kind her gedacht werden, gerade wenn es um Ehe und Familie geht, um jenen Lebensraum, in dem die Menschen von morgen geprägt werden. Und diese haben, wie sich nachweisen läßt, ganz andere Erwartungen als die angeblich progressiven Gesellschaftsveränderer.

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