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Schutz den Ungeborenen!

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Bei der Unzahl von Abtreibungen, die Jahr für Jahr in Oesterreich vorgenommen werden, kommt den gesetzlichen Bestimmungen, die diesem Unheil entgegenwirken, besondere Bedeutung zu. Es muß anerkannt werden, daß auf gesetzgeberischem Gebiet in unserer Heimat ganz Wesentliches zum Schutz der Ungeborenen geschaffen wurde. Trotzdem hat auf diesem Gebiet noch viel zu geschehen.

Die wichtigste Forderung nun, die wir Katholiken auf diesem Gebiet an den Gesetzgeber zu richten haben, ist wohl die, daß der strafrechtliche Schutz des keimenden Lebens im novellierten Strafgesetz nicht durch Einführung neuer Gründe (Indikationen) für Straflosigkeit verwässert werde.

Der derzeit vorliegende Entwurf will die vorsätzliche Abtreibung durch die Frau selbst wesentlich geringer bestrafen, als es derzeit der Fall ist; außerdem soll das Gericht in besonders leichten Fällen von der Bestrafung überhaupt absehen können. Die vorsätzliche Abtreibung durch andere Personen soll so streng wie bisher bestraft werden. Wer vorsätzlich, um von einer Schwangeren eine nicht anders abwendbare Lebensgefahr oder Gefahr lange dauernden, schweren Schadens an ihrer körperlichen oder seelischen Gesundheit ahzuwenden, eine Fehlgeburt einleitet oder die Frucht im Mutterleib tötet oder dazu rät, ohne sich vorher gewissenhaft und nach den bestehenden Vorschriften überzeugt zu haben, daß eine solche Gefahr besteht, soll bestraft werden, wenn die Gefahr nicht bestanden hat. Bei der Entscheidung der Frage, ob diese Gesundheitsgefahr nicht anders abwendbar ist, wären auch die wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, unter denen die Frau zu leben gezwungen ist. Gegebenenfalls wäre insbesondere noch zu prüfen, ob nicht die Angst, ein unheilbar sieches oder ein durch ein Verbrechen gezeugtes Kind zu gebären, für die Frau die Gefahr eines lange dauernden, schweren seelischen Gesundheitsschadens mit sich bringt.

Wie stellen wir Katholiken uns zu diesen Vorschlägen? Nach der Stellungnahme, die der Verein Rettet das Leben, Gemeinschaft zum Schutz der Ungeborenen” maßgebenden Persönlichkeiten hat zugehen lassen, wäre gegen eine Milderung der Strafsätze nichts einzuwenden. Werden doch derzeit dank dem außerordentlichen Milderungsrecht die im Gesetz vorgesehenen Strafen ohnedies nur ganz selten verhängt. Freilich sollten die Gerichte die neuen niedrigen Strafen dann auch wirklich verhängen. Unbedingt ablehnen aber müssen wir, daß das Gesetz Abtreibungshandlungen überhaupt für straffrei erklärt; welche „äußeren Umstände”, die einer Frau nicht zum Vorwurf gemacht werden können, würden die Abtreibung zu einem sogenannten leichten Fall machen? Wäre es zum Beispiel solch ein äußerer Umstand, wenn ihre Eltern sie dazu veranlassen durch die Androhung, sie sonst ohne Unterstützung zu lassen?

Auch darf doch von einem „leichten” Fall bei der Tötung eines Menschen überhaupt nicht gesprochen werden.

Während § 357a derzeit bei Eingriffen nur den Arzt unter gewissen Voraussetzungen für straffrei erklärt, fehlt im Entwurf diese Einschränkung. Die Gleichstellung von Aerzten mit anderen Personen würde folgerichtig dazu führen, daß zum Beispiel auch der Kindesvater, eine Hebamme oder andere Laien Aussicht hätten, straflos zu bleiben.

Im Entwurf wird die unrichtige Fiktion aufgestellt, als ob die wirtschaftliche Situation der Frau unveränderlich sei. Für diese wirtschaftliche Lage der Schwangeren sind meist auch die Leistungen der Krankenversicherung maßgebend. Die Tötung eines Kindes hinge deshalb von der Einsicht oder der Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse ab, was doch wohl ein unmöglicher Zustand wäre.

Ferner überträgt der Entwurf dem Arzt die Aufgabe, zu beurteilen, unter welchen wirtschaftlichen Verhältnissen die Frau „zu leben gezwungen ist”, was aber auf keinen Fall Sache eines Arztes oder einer staatlichen Aerztekommission, sondern nur die Aufgabe einer gemischten oder einer aus Fürsorgefachleuten bestehenden Kommission sein könnte; diese hätte aber kein Todesurteil über das Kind zu fällen, sondern

Der Aufsatz ist ein Auszug aus einem vom Verfasser am 29. Jänner d. J. in der Wiener Katholischen Akademie gehaltenen Vortrag, der ungekürzt im Heft 1 des laufenden Jahrganges der Mitteilungen der Katholischen Akademie erscheinen wird.

müßte die wirtschaftlichen Verhältnisse der Frau so gestalten, daß Schwangerschaft und Geburt weder ihr Leben noch ihre Gesundheit gefährden. Die Tötung des Kindes aber ist keine eines Sozialstaates würdige Lösung. Man darf auch nicht übersehen, daß der Entwurf den Ungeborenen der Vermögenden ihr Leben garantiert, die ungeborenen Kinder der Mittellosen aber für vogelfrei erklärt, was alles andre als sozial wäre.

Die Aerztegemeinschaft der Katholischen Aktion in Wien sagt zutn Entwurf:

Es kann die Frage, ob eine Gefahr nicht anders als durch eine Schwangerschaftsunterbrechung äb- gewendet werden kann, niemals von Laien in wirklich verantwortlicher Weise entschieden werden … Die Abschwächung des Begriffes „dauernden schweren Schadens” durch das Wort „lange” bezöge auch heilbare Krankheitszustände der Mutter in das Gebiet der medizinischen Indikation ein, was weder medizinisch-wissenschaftlich noch vom Standpunkt des menschlich denkenden und fühlenden Arztes vertretbar ist… Daß die sozialen (wirtschaftlichen) Verhältnisse in der Kausalitätskette einer Reihe von Erkrankungen eine oft nicht unerhebliche Rolle spielen, ist in der modernen Medizin unbestritten, ja wird sogar immer wieder ausdrücklich betont. Gerade deshalb aber sollten sie in einem modernen Staat keinesfalls soweit ausschlaggebend sein, daß lebensnotwendige medizinische Behandlungen aus wirtschaftlich-sozialen Gründen unterbleiben …Die Wahrscheinlichkeit, daß die oft unbegründete oder nur vorgetäuschte Angst der Schwangeren, ein unheilbar sieches oder verbrecherisch gezeugtes Kind zu gebären, einen (lange) dauernden Schaden an der „seelischen” Gesundheit dieser Frau verursachen wird, ist an sich schon sehr gering. Jedenfalls aber ist die Angst psychotherapeutisch oder mit anderen medizinischen Mitteln behandelbar.

Der Entwurf spricht von besonderen Vorschriften für den, der aus gesundheitlichen Gründen eine Abtreibungshandlung straffrei durchführen will. Auf solche Vorschriften weist schon der seit 1937 geltende § 357 a StG. hin. Damals wurden ärztliche Prüfstellen für beabsichtigte Schwangerschaftsbeseitigungen geschaffen. Derzeit bestehen solche Stellen aber nicht. Es wäre daher dringend zu wünschen, daß der im Sommer 1957 von Abgeordneten der OeVP ein- gebrachte Entwurf eines Gesetzes über die Wiedereinführung ärztlicher Kommissionen ehestens im Nationalrat beraten würde.

Freilich wird ein solches Kommissionsgesetz von katholischer Seite nicht einheitlich begrüßt. Katholische Akademiker eines westlichen Bundeslandes betonen, daß die medizinische Indikation, die die Voraussetzung eines solchen Gesetzes bildet, doch vom Standpunkt der katholischen Moral unzulässig ist; um Mißdeutungen zu vermeiden, dürfte daher von katholischer Seite keine Initiative zur Schaffung solcher Kommissionen ergriffen werden.

Diese Stellungnahme übersieht dabei aber, daß die medizinische Indikation im § 357 a ja bereits gesetzlich verankert ist, mangels der vorgesehen gewesenen Kommissionen aber zu zahllosen, medizinisch vollkommen unbegründeten Tötungen Ungeborener führt. Professor Hörmann, der katholische Moraltheologe der Wiener Universität, hat deshalb in der „Furche” vom 18. Mai 1957 den Standpunkt vertreten, daß man einem solchen Kommissionsgesetz zustimmen könne, weil die Gewährung der Straffreiheit für die Abtreibung auf ein Kommissionsgutachten hin ein geringeres Uebel sei, als wenn der Eingriff auf das Urteil eines einzelnen Arztes hin- vorgenommen würde. Die straffreie Schwangerschaftsbeseitigung werde dann auf die medizinisch wirklich indizierten Fälle eingeschränkt werden.

Das ist wenigstens ein Schritt weg vom Uebel, und zwar ein nicht unbedeutender Schritt. So kann man aus Gewissensgründen den Entwurf begrüßen und ihm angesichts der gegenwärtigen Lage zustimmen.

Es wäre noch zu prüfen, was wir Katholiken auf anderen Rechtsgebieten für den Schutz der Ungeborenen fordern sollen.

Vor allem sollte das bürgerliche Recht die Unterhaltspflicht eines durch ein Verbrechen geschwängerten Frau streichen und etwa die sonst nicht vorgesehene Unterhaltspflicht der väterlichen Großeltern für die Zeit, als der Kindesvater wegen seines Verbrechens etwa zahlungsunfähig ist, festlegen.

Um die Zahl derer, die unerwünschte Kinder adoptieren können, zu erweitern, sollten ferner die Adoptionsbestimmungen recht dem Gebiete des Steuerrechts zugunsten der Familien zu stellen. Eine Denkschrift des Oesterreichischen Familienbundes und eine Broschüre des Katholischen Familienverbandes haben in dieser Richtung eine ganze Reihe von Forderungen erhoben.

Nach dem Angestelltengesetz hat derzeit eine verheiratete Privatangestellte, die kündigt, um sich ganz ihrer Familie widmen zu können, keinen Anspruch auf Abfertigung. Diese Härte wäre ehestens zu beheben, wie dies für weibliche Vertragsbedienstete des öffentlichen Dienstes zum Teil bereits geschehen ist.

Nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz haben die Landesregierungen insbesondere Einrichtungen zur Beratung von Schwangeren und Müttern von Säuglingen und Kleinkindern beizustellen. Doch sollten auch Einrichtungen zur angemessenen Unterstützung solcher Frauen geschaffen werden, um durch eine Besserung ihrer äußeren Lebensverhältnisse und ihrer Gesundheit die körperliche Entwicklung des Kindes vor und nach der Geburt dauernd zu sichern.

Die im A S V G zugunsten werdender Mütter enthaltenen freiwilligen Mehrleistungen der Sozialversicherungsträger wären in Pflichtleistungen umzuwandeln. Im neuen Fürsorgerecht müßte die fürsorgerechtliche Situation für Schwangere und für kinderreiche Familien verbessert werden. Während Arbeitnehmerinnen vor und nach der Entbindung durch die Mutterschutzgesetze des Bundes und der Länder weitgehend, geschütat sind,Gistt&es bei Bäuerinnen I nicht der Fall. Eini entsprechender Schutz; Vare anzustreben.

Es steht außer Zweifel, daß diese Forderungen nur dann Aussicht haben, verwirklicht zu werden, wenn in unserem Volke eine grundlegende Gesinnungsänderung Platz greift und die Freude am Kind, die Achtung vor der kinderreichen Familie und die Ehrfurcht vor dem keimenden Leben wieder Heimstatt finden in unserem Vaterland.

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