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Ungeborene schützen

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Die konstituierende Sitzung der Strafrechtskommission fand im Oktober 1954 statt. Nach 140 Sitzungen war der Entwurf am 19. November 1960 in erster Lesung fertiggestellt. Die zweite Lesung wurde im September 1962 abgeschlossen. Im Herbst 1962 wurde der Kommissionsentwurf vervielfältigt und zugänglich gemacht. Der Ministerial- entwurf in der Fassung von 1964 baut auf dem Kommissionsentwurf auf, weicht aber teilweise auch von ihm ab. Weitere Bearbeitungen enthalten dann der Ministerialentwurf 1966 und schließlich die Regierungsvorlage 1968.

Betrachtet wir zunächst die im wesentlichen übereinstimmende Version der ersten und zweiten Lesung der Kommission hinsichtlich der Bestimmung über die Selbstabtreibung. Die Kritik knüpft hier zunächst an den Strafsatz an, der als zu niedrig bezeichnet wurde. Es könne — so wurde gesagt — nicht hingenommen werden, daß die vorsätzliche Vernichtung eines Menschenlebens mit derselben Höchststrafe bedroht sei wie die vorsätzliche leichte Körperverletzung (§ 104) oder geringer bedroht sei als die Auskundschaftung eibes Geschäftsgeheimnisses. Den Bedenken gegen die Festlegung des Strafsatzes wurde in den beiden Mini- sterialentwürfen insofern teilweise Rechnung getragen, als der Strafsatz nun mit „bis drei Jahren“ festgesetzt ist. Der Strafsatz blieb in der Regierungsvorlage 1968 unverändert.

Notwendige Kontrolle

Unberücksichtigt blieb der Wunsch, statt von „der Frucht im Mutterleib“ möge, ähnlich wie im § 1 des Jugendwohlfahrtsgesetzes Bgbl. 99 54 („Kind von der Empfängnis an“), vom „Kind im Mutterleib“ gesprochen werdeta.

Wichtig ist die Art des Hinweises auf „besondere Vorschriften". Sie entspricht dem geltenden Recht. Die Erläuterungen des Ministerialent- wurfes ließen aber, anders als die Erläuterungen zum deutschen Strafgesetzentwurf, nur die Absicht erkennen, die Möglichkeit für Sondervorschriften offen zu lassen, nicht aber die Absicht, diese Vorschriften als notwendige Ergänzung des Gesamtkonzeptes gleichzeitig mit dem neuen Strafrecht in Geltung treten zu lassen. Der bessere Schutz der Ungeboreneh ist das eigentliche Ziel einer der beiden rechtspolitischen Tendenzen. Es handelt sich nicht um theoretische Gefechte an weltanschaulichen Fronten, sondern darum, dem klar nachweisbaren Übel der Massenabtreibung entgegenzutreten.

Man kann die Rechtspolitik nicht in unabhängige Zweige spalten. Die strafrechtliche Seite der Abtreibungsfrage kann nicht vollständig von ataderen gelöst werden. Daher gehört die Behandlung der „besonderen Vorschriften“ in die rechtspolitische Auseinandersetzung um den Strafgesetzentwurf. Die Absicht des Justizministers, dem Rechnung zu tragen, scheiterte an Widerständen in anderen Ressorts.

Die rechtspolitische Auseinandersetzung hat dazu geführt, daß eine Tendenz zur Erweiterung der Indikation zunächst durchdringen konnte. Es muß aber auch darauf hingewiesen werden — dies gebietet die Fairneß —, daß etwa fti den geistigen Auseinandersetzungen um die Neuregelung in Dänemark im Jahre 1954 die soziale Indikation abgelehnt wurde und daß damals dort schon der Gedanke zum Ausdruck kam, es sei die unabweisbare Pflicht der Gesellschaft, Hilfsmaßnahmen zu treffen, anstatt die soziale Indikation zu gestatten. Die rechtspolitische Auseinandersetzung hat bisher in Österreich noch nicht zur Annahme des Vorschlages geführt, Kontrollvorschriften zu schaffen. Bedauerlicherweise sind sogar in Kreisen, die schon gewonnen schienen, neue Bedenken aufgetaucht. So heißt es, eine derartige Maßnahme würde namentlich in Anbetracht der Fortschritte der Medizin, die die medizinische Indikation viel seltener gemacht haben, die Frauen zu Pfuschern treiben. Dagegen ist zu sagen, daß, wenn dieses Argument zuträfe, auch die anderen Staaten, die seit langem Kontrollvorschriften handhaben, veranlaßt worden sein müß- ten, diesen Weg zu verlassen. Dies ist nicht geschehe»!. Man könnte, wenn der Wille hierzu bestünde, gleichzeitig mit der Einführung des Kontrollgesetzes durch öffentliche Aufklärung massiv auf die Gefahren der Tätigkeit von Pfuschern auf diesem Gebiet hinweisen. Kontrollvorschriften sind geeignet, den Emst des Staates in der Frage der Abtreibung darzutun. Auch kann nicht gesagt werden, daß die Verbreitung der „Pille vorher“ das Problem lösen werde. „Unerwünschte Kinder“ werden auch im Zeitalter der Pille in beträchtlicher Zahl unterwegs sein.

Nicht nur bestrafen!

Beispiele, daß es keineswegs nur auf Strafrechts- u'nd Kontrollmaßnahmen, sondern auf vielerlei ankommt, auf Umstellung, auf Disziplin, auf wirksame Familien- und Wohnungspolitik, können in langer Reihe angeführt werden. Wer gegen die Abtreibung ist, darf nicht nur für deren Bestrafung sein, er muß den ganzen Bereich des Lebens von der Pädagogik bis zur Sozialpolitik daraufhin durchdenken, was zu geschehen hat, um der Ehrfurcht vor dem Leben zu dienen; er muß bereit sein, mit Gleichgesinnten zusammen Opfer auf sich zu nehmen, um die Umwelt in allen diesen Bereichen so beeinflussen zu können, daß die natürliche Beziehung der Eltern zum Kind gepflegt, gestärkt, wieder hergestellt werde.

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