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Das Jugendschutzgesetz

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„Bundesgesetz über die Bekämpfung unzüchtiger Veröffentlichungen und den Schutz der Jugend gegen sittliche Gefährdung“ betitelt das Justizministerium das Gesetz, dessen Entwurf in den letzten Tagen den Körperschaften zur Begutachtung zugegangen ist. Zum Unterschied von dem vorausgegangenen Entwurf des Unterrichtsministeriums, der das Einschreiten gegen die Sumpfpresse und ihre verwandten Erscheinungen fachlichen, namentlich aus der Erzieherschaft zusammengesetzten Kontrollkommissionen zu überantworten gedachte, behandelt die Bill des Justizministeriums dieses Einschreiten wesentlich als Aufgabe der Strafrechtspflege, des Schöffengerichts beim Landesgericht am Sitze des Oberlandesgerichts, im Oberlandesgerichtssprengel Wien des Jugendgerichtshofes. Immer soll das Schöffengericht in der Zusammensetzung der Jugendgerichte seines Amtes walten. Maßgeblich ist in der Anlage des Entwurfes die im Motivenbericht festgehaltene Erwägung, „daß nur von einer strafrechtlichen Repression ein Erfolg erwartet werden kann“. Die Strenge der vorgesehenen Strafbestimmungen gibt diesem Leitgedanken des Entwurfes praktischen Ausdruck.

Grundsätzlich unterscheiden die Strafbestimmungen als Verbrechen und als Vergehen zu behandelnde Tatbestände. Als Verbrechen wird in 1 qualifiziert, wenn:

„In gewinnsüchtiger Absicht u n-züchtige Schritten, Abbildungen, . Laufbilder oder andere unzüchtige Gegenstände hergestellt oder vorrätig gehalten, solche Gegenstände eingeführt, befördert, ausgeführt oder sonst in Verkehr gebracht, anderen angeboten oder überlassen, verbreitet, öffentlich ausgestellt, ausgehängt, angeschlagen oder solche Laufbilder anderen vorgeführt werden, von jemandem öffentlich oder vor mehreren Leuten oder in Druckschriften solche Handl —-“n .i--“boten, bekanntgegeben werden oder Mitteilungen erfolgen, wo solche unzüchtige Gegenstände erworben, geliehen oder besichtigt werden können“.

Der Begriff des Unzüchtigen ist in 516 StG umschrieben und durch die oberstgerichtliche Spruchpraxis dahin festgelegt, daß darunter .jede Handlung zu verstehen ist, welche die Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung verletzt“.

Als Strafausmaß für solche Verbrechen sieht der Entwurf Kerkerstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr und daneben allfällig zu verhängende Geldstrafen bis zu 50 0.0 00 Schilling vor. Die Entschlossenheit des strafgesetzlichen Zugriffes wird in dem Motivenbericht mit einer Feststellung begründet, die begrüßenswert ist wegen ihrer unzweideutigen Offenheit und Klarheit:

„Es istschweresUnrecht, die Ubermacht des Erhaltungs- und des Fortpflanzungstriebes der Menschen zum Ausgangspunkt schnöden Erwerbes zu nehmen; das schäbige Streben, aus natürlichen Segungen der Menschen Geldgewinn zu ziehen, muß bekämpft werden. Dieser Kampf gegen körperliche und geistige Verelendung d a r 1 niemals als Prüderie abschätzig beurteilt oder gar lächerlich gemacht werden. Er ist Pflicht des Staates zur Verhütung physischer und psychischer Schall e n.“

Eine dankenswerte Definition der gesetzgeberischen Verpflichtung, die nicht der Verschärfung und nur der praktischen Anwendung bedarf.

Neben den als Verbrechen qualifizierten Handlungen erkennt der Entwurf in 2 Vergehen, begangen dadurch, daß jemand wissentlich zwar nicht gerade unzüchtige, aber Schriften, Abbildungen oder sonstige Darstellungen, die „geeignet sind, die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung jugendlicher Personen durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes zu gefährden, oder einen solchen Film oder Schallträger einer Person unter 16 Jahren gegen Entgelt anbietet oder überläßt“. Ebenso unterliegt der Bestrafung das Ausstellen, Anschlagen solcher Erzeugnisse, wenn sie dadurch einem größeren Kreis von Personen unter 16 Jahren zugänglich werden; aber auch, wenn nur „einer Person unter 16 Jahren ein solches Laufbild oder ein solcher Schallträger oder eine solche Theateraufführung zugänglich gemacht wird“. Auf solche Vergehen ist eine Strafsanktion von strengem Arrest bis zu sechs Monaten und eventuelle Geldstrafe bis zu 250.000 Schilling, Gewerbeentzug und bei Ausländern Landesverweisung gesetzt. Auch in diesen Vergehen sieht der Entwurf als vorherrschenden Antrieb die Gewinnsucht und spricht das für die Debatte festzuhaltende präzise Urteil aus: „W egen des besonders anrüchigen und ehrlosen Charakters der Tat sollen mit der Verurteilung wegen des Vergehens nach 2 dieselben Rechtsfolgen verbunden sein, wie mit der Verurteilung wegen der Übertretung des Betruges.“

Während der Gesetzgeber die aus gewinnsüchtiger Absicht erfolgende Erzeugung und Verbreitung unzüchtiger Produkte unter allen Umständen verfolgt und mit seiner Strafsanktion dem Entwürfe zufolge mit erfreulicher Un-zweideutigkeit einer ganzen Rotte von pornographischen Betrieben das Lebenslicht ausblasen und die österreichische Atmosphäre von verpestenden Fäulniserscheinungen des Zeitungsmarktes säubern würde, bleibt der Entwurf bei dem Schutz der Jugend gegen die als Vergehen erklärten Tatbestände vor dem Ziele stecken. Er begrenzt den Schutz ausnahmslos mit sechzehn Jahren, nämlich, „bis die jugendlichen Personen ein Alter erreicht haben, in dem eine gewisse geistige Reife es ihnen ermöglicht, den Geschlechtstrieb zu zähmen“. Bei dieser Begründung scheint das Studium der Jugendgerichtsakten keine Rolle gespielt zu haben. Wenn die Schutzmaßregel einigermaßen einen Sinn haben soll, so kann sie nicht dort gezogen werden, wo der junge Mensch dem Ringen um seine innere Festigung noch mit der größten Unsicherheit verfallen und der Verführung allzuoft hoffnungslos preisgegeben ist. Der Rauschgifthandel ist durch strenge Barrieren eingeengt, bestimmt, das private und öffentliche Gut der Volksgesundheit und Volkssittlichkeit zu schützen. Warum will man dasselbe Gut gegenüber der Jugend schon durch eine Scheinverzäunung preisgeben, die dem spekulativen Geschäftsgeist Handlungen „besonders anrüchigen und ehrlosen Charakters“ erleichert. Hier ist eine Korrektur notwendig, wie auch an dem Satze des Motivenberichts: „Der Gesetzgeber muß sich darüber klar sein, daß jede Rechtsvorschrift, die Unmoral bekämpfen will, geteilter Beurteilung unterliegen und sehr oft von beiden Seiten, sowohl von der Seite der konservativen Vertreter hergebrachter Sitten, als auch von den für den Fortschritt auch auf diesem Gebiete (!) eintretenden Kreisen bekämpft werden wird.“ Es soll keinen Zweifel darüber geben: nicht um Fortschritt oder nicht handelt es sich, sondern unzweifelhaft um den Kampf gegen Volksverderb und namenloses Unglück. Und dieser Kampf ist, wie der Motivenbericht der Bill des Justizministeriums sehr richtig feststellt, „Pflicht des Staates zur Verhütung physischer und psychischer Schäden“ ...

Der zweite Teil des Gesetzentwurfs sieht verwaltungsbehördliche Verbreitungsbeschränkungen vor, die ähnlich wie 12 des Preßgesetzes auch Druckwerke betreffen, die nicht nur Gefährdung der Jugend auf sexuellem Gebiete, sondern überhaupt die Gefährdung ihrer gesundheitlichen, geistigen und sittlichen Entwicklung darstellen, es soll hier auch die Verbreitung einer Schundliteratur getroffen werden, die mit Räuberromantik und Verbrecherleben ihr jugendliches Publikum anlockt. Ähnlich wie es das Preßgesetz vorsah und der Entwurf des Unterrichtsministeriums weiterführte, soll die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag einer Schulaufsichtsbehörde „sowie aller Personen, die ein berechtigtes Interesse nachweisen“, also zum Beispiel Eltern und ihrer Vereinigungen, befugt sein, für ihren Amtsbereich diese von jeder Verbreitung an Jugendliche unter 16 Jahren, vom Straßenverkauf usw. auszuschließen. Landeshauptleute können auch aus eigener Initiative oder auf Antragstellung solche Verfügungen treffen. Das Erscheinen periodischer Druckschriften kann durch solche Verwaltungsverfügung für ein Jahr, im Wiederholungsfalle für drei Jahre von der Verbreitung im Räume der verfügenden Behörde ausgeschlossen werden.

Man kann abschließend sagen: Der Entwurf zeigt anerkennenswerte Entschlossenheit, den ärgsten Übeln zu Leibe gehen zu wollen. In Einzelheiten werden Änderungen am Platze sein. Die Wirksamkeit des Gesetzes wird vornehmlich davon abhängen, mit welcher Umsicht und Unerbittlichkeit die öffentlichen Ankläger und mit welchem handlungsbereiten Verständnis die Schöffengerichte die Aufgabe wahrnehmen werden, durch Anwendung dieses Gesetzes eines der kostbarsten Lebensgüter unseres Volkes gegen gewissenlose Freibeuter zu wahren.

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