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Pressesäuberung

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Der Referentenentwurf für das neue österreichische Pressegesetz, der am 2. Dezember einer Enquete unter dem Vorsitz des Ministers Dr. Gero vorlag, nächstens in revidierter Form dem Nationalrat als Regierungsvorlage zugehen und noch vor Neujahr erledigt werden soll, zielt nur auf ein Provisorium ab, ist nur eine Teilnovellierung des Pressegesetzes von 1922, will aber einige unaufschiebbare Maßnahmen treffen, dem Zustand ein Ende machen, der durch allerlei überholte und während der nazistischen Ära erschienene Verordnungen entstanden ist. Eine vollständige Neufassung des Presserechts soll einer Zeit Vorbehalten bleiben, in der die österreichische Gesetzgebung im freien Staate ihre volle Freiheit haben wird.

Als dringlichste Maßnahme obliegt dem künftigen Gesetz die Aufgabe, für den Schutz der Jugend gegen die in zahlreichen Presseerscheinungen aufwuchernde Pornographie Vorsorge zu treffen. In dem österreichischen Gesetz von 1922 verfügte der § 12, es könne „auf Antrag der Unterrichtsbehörde oder eines Jugendamtes die Behörde (örtliche Bundesbehörde für den Sicherheitsdienst) für ihren Amtsbereich Druckwerke, die durch Ausnützung der jugendlichen Triebe das sittliche Wohl der Jugend gefährden, von jeder Verbreitung an Personen unter 18 Jahren a u s s c h 1 i e ß e n und ihren Vertrieb durch Straßenverkauf oder Zeitungsverschleißer überhaupt untersagen.”

Reichskommissar Bürckel hatte kurz nach seinem Amtsantritt diese Bestimmung bezeichnenderweise durch Verordnung Nummer 1291/1938 aufgehoben. Der neue Entwurf soll das Wesen der früheren Schutzmaßnahme wieder herstellen, und er tut dies mit einer Reihe von Ergänzungsbestimmungen, die darauf berechnt sind, jede Besorgnis, als ob es sich hier um einen Eingriff in die Pressefreiheit handeln würde, zu widerlegen und darzutun, daß vielmehr gegen.

Mißbrauch der Pressefreiheit zu gewinnsüchtigen Zwecken dort ein Riegel vorgeschoben werde, wo der Jugenderzieher und Jugendpfleger der ihnen anvertrauten jungen Generation in deren Namen das Einschreiten fordern. Wo der junge Stamm des Vblkstums durch schmutzige Geschäftemacher angegriffen wird, dort gibt es keine Berufung auf die Pressefreiheit mehr. Das Anrecht der Jugend auf ihren sittlichen und physischen Schutz betont die neue Fassung durch eine bedeutende Erweiterung der Antragsberechtigten, welche die Initiative gegen Schund- und Schmutzschriften ergreifen können.

In ihren ersten drei Absätzen sagt die Neufassung des § 12 im Referentenentwurf: „1. Auf Antrag eines Bezirks- oder Landesschulrates (des Stadtschulrates in Wien), eines die Vormundschaftsgerichtsbarkeit oder die Strafgerichtsbarkeit in Jugendsachen ausübenden Gerichtes, eines Jugendamtes oder einer Stelle für Jugendgerichtshilfe kann die im § 7 bezeichnete Sicherheitsbehörde für ihren Amtsbereich bestimmte Druckwerke, die geeignet sind, die seelische Entwicklung der Jugend zu gefährden, insbesondere verrohend oder e n t s t i 11 li c he n d auf die Jugend zu wirken oder ihre Einbildungskraft zu überreizen, von jeder Verbreitung an Personen unter 18 Jahren ausschließen und ihren Vertrieb durch Straßenverkauf oder Zeitungsverschleißer überhaupt untersagen. Auch kann das Anschlägen, Aushängen oder Auslegen solcher Druckwerke) an Orten, wo sie auch Personen unter 18 Jahren zugänglich sind, verboten werden.

2. Wird die Verbreitung einer Zeitungsnummer oder eines Stückes eines anderen unter einer Sammelbezeichnung in fortlaufenden Heften erscheinenden Druckwerkes auf Grund des Absatzes 1 beschränkt und ist anzunehmen, daß auch der Inhalt weiterer Stücke des Druckwerkes eine gleiche Verbreitungsbeschränkung rechtfertigen werden, so kann die Verbreitungsbeschränkung für alle Nummern des Druckwerkes angeordnet werden, die innerhalb eines in der Anordnung au bestimmenden, sechs Monate nicht übersteigenden Zeitraumes erscheinen.

3. Aus Gründen, die in dem politischen, dem religiösen oder dem sozialen Inhalt liegen, darf eine Verbreitungsbeschränkung nicht angeordet werden.”

Es ist im Laufe der Vorbereitung des Gesetzes geltend gemacht worden, daß auch den Religionsgesellschaften, die ja doch Berufung und Verantwortung an Pflege und Schutz des sittlichen Gutes der Jugend tragen, das Recht der Antragstellung einzuräumen sei. Um dem Einwand zu begegnen, es könne eine Polizeibehörde nicht zur entscheidenden Instanz in Sachen des Presserechts und der Pressefreiheit werden, schlägt der Entwurf vor, es sei jede Verfügung einer Sicherheitsbehörde gegen ein Druckwerk dem Landeshauptmann vorzulegen; eine von der Sicherheitsbehörde verfügte Verbreitungsbeschränkung trete außer Kraft, wenn sie nicht binnen sechs Wochen vom Landeshauptmann b e s t ä t i g t wird. Der Landeshauptmann hat vor seiner Entscheidung einen aus drei Mitgliedern bestehenden sachverständigen Beirat zu hören. Zu Mitgliedern des Beirates sind Schriftsteller, Künstler sowie, Personen zu bestellen, die als J u g e n d- r ich ter, im Lehramt oder in der Jugendfürsorge tätig sind.

Nach der Textierung des Reformentwurfs würde ein Entscheid des Landeshauptmanns und seines Beirats auch in solchen Fällen erforderlich sein, in denen gegen die Verbreitungsbeschränkung, beziehungsweise das Verbreitungsverbot -der Sicherheitsbehörde kein Einspruch erhoben wurde, also der Produzent selbst den Fall für so hoffnungslos pornographisch ansieht, daß er gegen den erfolgten Entscheid gar nicht anzukämpfen wagt.. Warum auch dann die oberste Landesbehörde samt dem Beirat bemüht werden muß,’wenn der Fall schon eindeutig außer Streit steht,” ist nicht zu verstehen; diese Umständlichkeit würde einen unnötigen Arbeitsaufwand verlangen unk unter Umständen sogar zu der Groteske füh- r e n, daß ein pornographisches Erzeugnis, das nicht einmal der verantwortliche Erzeuger mit einem Einspruch zu verteidigen wagt, gegen das Ve r bot d e r Sic h e r- heitsbehörde weiterverbreitet werden darf, weil der Landeshauptmann und sein Beirat innerhalb der vorgesehrlebenen Frist den unbestrittenen Entscheid der Sicherheitsbehörde nicht ausdrücklich bestätigt haben — vielleicht weil zufällig gerade Ferien waren oder andere Gründe sie verhinderten, In der 6-Wochen-Frist zu beraten.

Schon in der Enquete wurde übereinstimmend auf das Fehlen der notwendigen ausdrücklichen Bestimmung hingewiesen, daß ein Einspruch gegen ein Verbreitungsverbot der politischen Behörde keine a u f s c h i e- bende Wirkung haben kann. Könnte schon der erfolgte Einspruch und der Rekurs an den Landeshauptmann die Verbreitung des Erzeugnisses freimachen, so würde sich jeder Hersteller von literarischen Schmutzerzeugnissen bemühen, ein Verbreitungsverbot der Sicherheitsbehörde zu erreichen, um alsbald Einspruch zu erheben und mit geeigneten, nicht verfolgbaren Mitteln aus dem Verbot bei der Verbreitung Reklame zu schlagen. Bis der Entscheid des Landeshauptmannes erfolgt, hat er dann sein Geschäft gemacht.

Das Gesetz wird dann wirksam sein, wenn es von bürokratischen Umständlichkeiten befreit wird, die einem Sinn widersprechen, der nur mit raschem Zugriff erreicht werden kann.

Wo der Erzieher und Jugendpfleger die Sache der Jugend führt, soll ihm nicht der Bürokratismus den Weg verstellen.

In der abgeschlossenen Enquete sind in zahlreichen Fällen durch das einmütige Votum der Teilnehmer Verbesserungen der Vorlage in Vorschlag gebracht worden, denen der Justizminister beigetreten ist. Einige dieser Kritiken, wenn auch nicht die sachlich wichtigsten, waren darauf gerichtet, gewisse äußerliche Delikte, die in der Hitlerzeit in die legistische Sprache eingeführt wurden, zu beseitigen, so die gewaltsame Wortbildung „Schriftleiter”, an deren Stelle das längst schon in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangene Wort „Redakteur” in der endgültigen Textierung des Pressegesetzes treten wird.

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