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Der Raum der gesetzlichen Regelung

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Die Möglichkeiten der Kartellgesetzgebung schwanken im allgemeinen zwischen völligem Kartellverbot und vollkommener Kartellfreiheit, ja sogar staatlicher Bildung und Förderung von Zwangskartellen. Die Wirtschaftspolitik kann zu den Kartellen in verschiedenen Formen Stellung nehmen, durch:

1. Völliges G e w äh r e n 1 a s s e n im Rahmen der allgemeinen Zivil- und Strafgesetze. Die praktischen Folgen bieten in diesem Falle für die Gesetzgebung überhaupt kein Problem, weil sie sich ja den Kartellbildungen gegenüber vollkommen gleichgültig verhalten kann.

2. Verhindern und Beseitigen von Kartellen zur Herbeiführung einer kartelllosen Wirtschaft.

3. Zivilrechtliches Entstehenlassen, iber Unterstellung unter die marktregelnde Weisungsgewalt der

Regierung, die nur für eine gewisse Publizität des Kartellwesens sorgt, wobei das K a r t e 11 r e g i s t e r als die rücksichtsvollste, zugleich aber auch unwirksamste Maßnahme gelten kann. Einschneidender wirkt die sogenannte M i ß-brauchsgesetzgebung. Aus der Erkenntnis, daß Kartelle nicht notwendigerweise volkswirtschaftlich schädlich, sondern auch nützlich und besonders im Außenhandel sogar unentbehrlich sein können, beschränkt man die Kartellpolitik darauf, volkswirtschaftlich unerwünschte Auswirkungen der Kartelle zu verhindern. Es herrscht allerdings unter den Nationalökonomen fast aller Schulen eine Ubereinstimmung darüber, daß in vielen Fällen Kartellvereinbarungen zu einer monopolistischen Marktbeherrschung führen, so daß man dann berechtigt ist, vom Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung zu sprechen. Die praktisch wesentliche Frage ist nun, mit welchen Methoden dieser

Mißbrauch unterbunden werden soll. Die Antwort könnte in neuen Formen des Privatrechts gefunden werden, wobei vor allem an eine Neugestaltung des Klagerechts geschritten werden müßte. Eine zweite Möglichkeit besteht in einer öffentlich-rechtlichen Lösung, die zwar die Kartellierung zuläßt, die Kartelle aber einer strengen staatlichen Aufsicht unterwirft und zugleich mittels gesetzlicher Bestimmungen jeden wirtschaftlichen M i ß-brauch der begünstigten Stellung auf dem Markt durch staatliche Eingriffe verhindert.

4. Positive Begünstigung von Zwangskartellen und indirekte Förderung. Ein typisches Beispiel hiefür ist der Wandel der nordamerikanischen Gesetzgebung in den Jahren 1890 bis 1933: Einst völliges Verbot der Kartelle und sonstiger Wettbewerbsbeschränkungen, später bewußte Förderung der Kartellbildung und eine allen Wirtschaftszweigen auferlegte weitgehende Wettbewerbsbeschränkung. Nach dem deutschen Zwangskartellgesetz vom 15. Juli 1933 und ähnlich nach dem italienischen Gesetz über die Wirksamkeit von Zwangskartellen vom 6. Juni 1932 können von staatlicher Seite Unternehmungen zu Kartellen zusammengeschlossen werden, wenn es Gesamtwirtschaft und Gemeinwohl geboten erscheinen lassen.

Die überwiegende Zahl der Staaten hat sich für eine giund-sätzliche. Zulassung der Kartelle und ihre Unterstellung unter staatliche Aufsicht und Einflußnahme entschieden.

Das Kartellwesen in Österreich und das neue Gesetz

1939 bestanden in Österreich 203 industrielle Kartelle; da der eingetretene Strukturwandel der Wirtschaft die Marktregelung und damit die Kartellbildung förderte, kann heute eine ungleich größere Anzahl von Kartellvereinbarungen angenommen werden. Nach den Feststellungen des damaligen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit bestanden schon 1939 in Österreich allein in der eisenschaffenden Industrie 5, in der Papier-, Pappe- und Holzstofferzeugung 15, in der Elektroindustrie 19,

in der Textilbranche 20, in der Eisen-, Blech- und Metallwarenindustrie 43 und in der chemischen Industrie sogar 73 Kartelle. Ihrer Struktur nach beschränkten sich

2 Prozent der Kartelle auf die Regelung der Konditionen; 8 Prozent regelten den Preis; 11 Prozent das Geschäftsgebiet und 10 Prozent die Erzeugungsquote der einzelnen Kartelle; 16 Prozent bestimmten Konditionen und Preis; 3 Prozent Konditionen, Preis und Gebiet; 30 Prozent Konditionen, Preis und Quoten;

3 Prozent Konditionen, Preis, Gebiet und Quoten; 3 Prozent Gebiet und Quoten; 14 Prozent waren ausgesprochene Syndikate. Die innere Gestaltung der Kartellvereinbarungen war also sehr mannigfaltig.

Das neue österreichische Kartellgesetz entspricht den Grundsätzen einer Methode karteil überwachender Politik, das heißt der Abschluß von Kartellvereinbarungen ist an sich zugelassen, doch müssen solche bei sonstiger Nichtigkeit schriftlich niedergelegt und in das K a r t e 11 r e g i s t e r eingetragen werden, über die Zulässig-keit der Eintragung entscheidet die Kartellkommission beim Oberlandesgericht in Wien.

Das Kartellgesetz zählt die Gründe auf, aus denen die Eintragung in das Register versagt werden muß.

Der wichtigste Gr,und. dafür ist dann gegeben, wenn die Vereinbarung geeignet ist. in einer durchdje gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung b et i i e b & w i r t s ch.a f t-licher Notwendigkeiten n i c h t g e r e chtfertig. ten Weise die Preise der von.

der Vereinbarung erfaßten Sachgüter oder Leistungen zu steigern beziehungsweise ihr Sinken zu verhindern oder die Erzeugung oder den Absatz solcher Sachgüter oder die Erbringung solcher Leistungen zu beschränken.

Ein anderer Grund zur Versagung der Eintragung in das Register ist dann gegeben, wenn eine Vereinbarung in ungerechtfertigter Weise einen inneren oder äußeren Kartellzwang erzeugt. Als Fälle inneren Kartellzwanges statuiert das Gesetz zum Beispiel Vereinbarungen, die — wenn sie auf länger als drei Jahre abgeschlossen werden — nicht vorsehen, daß sie spätestens zum Ende des dritten Vertragsjahres unter Einhaltung einer höchstens sechsmonatigen Frist gekündigt werden können oder bei Kündigung der Vereinbarung eine Konventionalstrafe zu bezahlen ist. Fälle äußeren Kartellzwanges treten nach dem Gesetz ein, wenn die Kartellvereinbarung Verpflichtungen enthält, ausschließlich solche Waren abzusetzen oder solche Leistungen zu erbringen, die Gegenstand der Kartellvereinbarung sind. Hingegen wird auf Grund unseres neuen Gesetzes die Bindung an einen bestimmten Kleinverkaufspreis für Markenschutz genießende Waren nicht schon an sich als wirtschaftlich ungerechtfertigt anzusehen sein. Zur Beurteilung solcher Fälle wurde im Gesetz ein besonderer Hinweis aufgenommen, so daß, um die Untersagung einer Markenartikelvereinbarung auszulösen,

noch ein Umstand hinzutreten muß, der die Bindung an gleiche Kleinverkaufspreise zu einer gesamtwirtschaftlich nichtgerechtfertigten Kartellvereinbarung macht.

Die Strafbestimmungen wurden, damit sie ihren Zweck auch erfüllen können, weitgehend ausgestaltet. Verwaltungsstrafdrohungen erfolgen nur gegen die nicht rechtzeitige Bestellung eines Kartellbevollmächtigten und die nicht rechtzeitige Durchführung der ihm obliegenden Anmeldungen sowie gegen bestimmte Verstöße der Letztverkäufer von Markenartikeln. Alle anderen Tatbestände stellen jedoch Vergehen und Verbrechen dar, deren Ahndung den Strafgerichten zusteht.

Das neue Gesetz zeigt das Bemühen, die in den anderen Staaten gesammelten Erfahrungen zu verwerten und sich der Entwicklung der Kartellgesetzgebung der Welt in einer unseren Verhältnissen angepaßten Art einzufügen. Für Kartellvereinbarungen zur Abwehr ungeregelter Konkurrenz und zur Herbeiführung einer vernünftigen Wettbewerbsregelung ist in diesem Gesetz genügender Raum gelassen, doch gewährt das neue Gesetz dem Staate auch eine genügend große Einflußnahme, um die Kartelle zu gerechten Preisen und einer dem Gesamtwohl entsprechenden Güterversorgung zu zwingen.

Alles Weitere ist nun nicht mehr eine Frage der Theorie, sondern ausschließlich eine Frage der praktischen Bewäh* rung.

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