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Aus für „Scheidung aus Verschulden"?

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Derzeit gibt es bei uns die Scheidung aus Zerrüttung, die Scheidung im Einvernehmen und die Scheidung aus Verschulden. Nur letztere soll verändert werden:

Wer die Ehe durch schwere Eheverfehlungen schuldhaft zerrüttet hat, dessen Ehe kann nach dem geltenden Recht geschieden und sein Verschulden im Urteil ausgesprochen werden. Dieser Schuldausspruch ist zugleich die Grundlage für allfällige Unterhaltsansprüche nach der Scheidung. Die Scheidung wegen bloßer Zerrüttung (das Verschulden wird hiebei bewußt totgeschwiegen) setzt entweder das beidseitige Einvernehmen über alle zu regelnden Fragen oder zumindest eine dreij ährige beziehungsweise sechsjährige Trennung (Scheidungsautomatik) voraus. Aber auch mit dieser Scheidungsform sind Unterhaltsregelungen im Gesetz verbunden.

Nun soll die Scheidung aus Verschulden überhaupt „gestrichen werden". Warum? Man hört: Kostspielige Prozesse würden vermieden, Schmutzwäsche könne man sich ersparen. Hand aufs Herz: Es sindohne-dies nur zehn Prozent der Scheidungen Verschuldensscheidungen. Müssen auch diese noch „weglegalisiert" werden? Reicht nicht vielmehr auch im Rechtsbereich der Scheidung das derzeitige gesetzliche Angebot aus?

Hier sind wir in einem typischen

Bereich unserer derzeitigen Rechtsentwicklung: Das, was vordergründig als Erleichterung ausgegeben wird, wirkt sich gesellschaftspolitisch oft als Belastung aus: Die Ehe wird - wie der Präsident des Wiener Katholischen Familienverbandes mit Recht rügt, so „zwangsweise und von vorneherein zum scheidungsgerechten Geschäftsvertrag degradiert". Im Geschäftsbereich gibt es das Institut „Wegfall der Geschäftsgrundlage".

Davon spricht man dann, wenn bei Dauerschuldverhältnissen ein Geschäftspartner den Eindruck gewinnt, daß die ursprünglich in das Geschäft gelegte Vertrauensbasis zwischenzeitlich verlorengegangen sei. Kann er das beweisen, kann er den Vertrag einseitig auflösen. Diesen Gedanken also hinein in die Ehe? Damit wird sie zu einem reinen Zweckakt mit beigeschlossener billiger Auf lösungsgarantie degradiert.

Und noch etwas: Das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe ist eine Seite der Münze. Auf der anderen Seite steht: „Zuwendung, Fürsorge, Treue". Das Verschulden liegt in der partnerschaftlichen Verletzung dieser Grundwerte. Wenn den Menschen nun durch die Gesetzesnovelle suggeriert wird, an der Ehe könne man sich nicht mehr versündigen, ein Verschulden an einer kaputtgemachten Ehe gäbe es nicht mehr, ist dann der Schluß des kleinen Mannes so fern, der Staat finde einen Verstoß gegen versprochene Zuwendung, Fürsorge und Treue überhaupt gar nicht mehr so schlimm? Die Ehe wird in den Augen der Menschen - wegen der (un-)-moralbildenden Kraft der Gesetze -so zu einem Zweckinstrument, das ein jeder wegwerfen kann, sobald es ihm nicht mehr gefallt. Die Ehe wird zum Ticket des Staates für eine Fahrt, die jeder nach Belieben unterbrechen kann. Und auf der Strecke bleiben wieder einmal vermehrt die Kinder, die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Gründe genug, die Verschuldensscheidung aufrecht zu erhalten.

Anders verhält es sich mit der im Zusammenhang mit der Scheidung vorgeschlagenen (und in manchen Ländern bereits praktizierten, in der FURCHE 12/1992 auch schon vorgestellten) Meditation: Hier handelt es sich um eine begrüßenswerte Begleitung für Eheleute, die sich scheiden lassen wollen und dies alles auf eine würdige Weise und unter möglichster Beachtung der psychischen und wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten. Nur auch hier wiederum die Frage: Wer soll den Mediator bezahlen, der für eine solche Tätigkeit nicht nur Stunden, sondern Wochen an mühsamer Begleitung aufbringen muß?

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