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Krise der Ehegeriditsbarkeit

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Alexander Dordett, Professor für Kirchenrecht an der Wiener Universität, derzeit Rektor magniflcus, Präsident des Wiener Metropolitan-gerichtes, weltberühmter Fachmann auf dem Gebiet der kirchlichen Ehepraxis, hat ein kleines Buch über ein bedeutendes Thema herausgegeben, über die (katholischen) Ehegerichte in der Krise.

Die Zahl der Veröffentlichungen über das Thema „Unauflöslichkeit der Ehe“ hat in den letzten Jahren so sprunghaft zugenommen, daß selbst die Orientierung über den Gang der Argumentation schwerfällt. Bereits durch die Titelgebung deutet der Verfasser an, daß er nicht gewillt ist, die vorhandene Literatur zu vermehren. Es wäre dies keine Bereicherung, da neue Gesichtspunkte kaum noch feststellbar sind. Gemeinsam allen Klagen über die Härte der Kirche ist jedoch eine heftige Ablehnung der Ehegerichtsbarkeit in der herkömmlichen Form. Es gehört schon etwas Mut dazu, nicht bedenkenlos in die Klage einzustimmen, sondern eine Bilanz zu ziehen, die frei von Emotionen geboten wird.

So vermag es die kritische Sichtung, sich zwischen Anklage und Verteidigung zu bewegen und die Fragwürdigkeit des Prözeßverlaufes wie auch seines Inhaltes allgemein verständlich darzulegen. Nach diesen beiden Gesichtspunkten sind die zwei Hauptabschnitte des Buches gegliedert. Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, daß manches, was der Verfasser im Laufe einer zwanzigjährigen Tätigkeit als Übelstand empfunden hat, für Reformen richtungweisend werden könnte. Das gilt für die Wünsche zur Vereinfachung und Abkürzung des Verfahrens, um es in menschlich zumutbaren Grenzen zu halten. Nicht weniger bedeutungsvoll erscheint der Ausblick auf eine Neufassung der Ehehindernisse sowie jener Elemente, die zur Willensbildung führen. Dabei sei des Vorschlags gedacht die Täuschung über die Eigenschaft der Person in den Bereich der Hindernisse aufzunehmen. Im Sinne einer Eweiterung liegt auch der Vorschlag, die Geisteskrankheit nicht nur als einen Willensmangel zu betrachten, sondern sie in Analogie zum geschlechtlichen Unvermögen als eigenes Hindernis aufzustellen. Mit Zustimmung wird man es verfolgen, wenn der Verfasser nicht nur von Vorbehalten gegen Wesensgüter der Ehe spricht, sondern die Vorfrage stellt, wann überhaupt ein ehelicher Wille vorhanden ist. Die Einstellung eines Menschen zur kirchlichen Eheschließung kann so sehr von einem völlig zerstörten Leitbild der Ehe beherrscht sein, daß jede Eheschließungsform als eine nichtssagende Zeremonie erscheint. Wenn der Verfasser hier die Einseitigkeit der kirchlichen Gerichtsbarkeit darlegt, so ist es ein Zeichen dafür, wie wenig wirklichkeitsnah die Lehre vom Vorbehalt erscheint.

So sehr der Verfasser sich auch bemüht, neue Wege zu zeigen, kann er nicht umhin, zuzugeben, daß sich das Ehenichtigkeitsverfahren nicht als jener Rettungsanker erweist, der stets in Anspruch genommen werden könnte, sooft eine Ehe zerbricht. Soll es nicht zu einer ungerechtfertigten Überdehnung der kirchlichen Gerichtsbarkeit kommen, so wird in vielen Fällen, nach dem Verfasser sogar in den allermeisten, ein abschlägiger Bescheid nicht zu umgehen sein. Diese Auskunft wirkt ernüchternd und zeigt die Grenzen der ehegerichtlichen Möglichkeiten auf. Damit leitet der Verfasser zum dritten Teil über, der ein verhältnismäßig knappes Referat zum Stand der gegenwärtigen Debatte liefert. Der Wert einer derartigen Sichtung und Orientierung auf engstem Raum soll nicht in Abrede gestellt werden. Ge-rade hier läßt der Verfasser jedoch den Wunsch offen, mehr zu erfahren, als es der begrenzte Umfang des Werkes gestattet. Je mehr sich die Diskussion auf pastorale und moraltheologische Aspekte verlagert, um so mehr droht die Bedeutung einer rechtlichen Regelung zu verblassen. Die herkömmliche Ehegerichtsbarkeit wird schließlich zur Gänze fragwürdig, wenn nach Wegen gesucht wird, die auf Zulassung zur zweiten kirchliehen Eheschließung abzielen. Ob dies nun im Sinne der orthodoxen Tradition, welche die Möglichkeit einer Ehescheidung nicht ausschließt, oder unter Berufung auf eine Erweiterung der kirchlichen Dispensgewalt geschieht, ändert an den Folgen nichts. Der Verfasser kommt nicht umhin, das Ende der herkömmlichen Ehegerichtsbarkeit vorauszusagen, wenn sich von der

Sakramententheologie her eine andere Orientierung ergibt. Die unausbleibliche Folge wäre die Umwandlung der bestehenden Gerichte in Kommissionen, die darüber zu befinden hätten, ob eine Scheidung zu billigen oder eine Auflösung zu gewähren sei. Allenfalls hätten sie festzustellen, daß die vorherige Ehe „gestorben“ sei und damit der Weg zu einer neuerlichen Eheschließung offenstünde.

Die Zurückhaltung des Verfassers hat Vor- und Nachteile. Sie versperrt den Ausblick in die Zukunft, hält sich aber ebensosehr von verfrühten Ankündigungen zurück. Das mindert nicht die Bedeutung der Veröffentlichung als einer sachkundigen und ehrlichen Zwischenbilanz.

Willy Lorenz

EHEGERICHTE IN DER KRISE. Von Alexander Dordett. Wiener Dom-Verlag 1971.154 Seiten, S 64.—. tschechisch ausgewiesen wurde! Der vielsprechende und vielversprechende Benes — so im Urteil seiner Verhandlungspartner — verwies im Memorandum Nr. 3 dann noch auf eine künftige Schweiz als Vorbild. Als mitten in die Verhandlungen die Nachricht von den Opfern der Demonstration für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen in den böhmischen Ländern eintraf — es gab 54 Tote und 107 Verletzte —, stellte Benes sie als „serious bolshevist disturbances“ hin und wurde so der Lehrherr eines gewissen Herrn Schickelgruber. Lloyd George sprach seine Bedenken aus, namentlich gegen Benes Beschuldigungen von „Wiener treibenden Kräften“, die sich auch als Lüge entpuppten. Der Autor bringt interessante Details über die Tätigkeit der amerikanischen Beobachtungskommission in Wien unter der Leitung von Prof. Archibald Coolidge und der Entscheidung des Obersten Rats.

Ich selbst habe während des zweiten Weltkriegs Gelegenheit gehabt, über diese Verhandlungen mit Harold Nicolson in England zu sprechen, der während der Pariser Friedensverhandlungen Sekretär des Premierministers Lloyd George war. Hiebei gab er zu, daß er von diesem angewiesen wurde, sich über Beneä Behauptungen, denen er nicht traute, bei englischen Experten, die in Paris zugegen waren, zu informieren. Diese Experten waren Seton-Watson und W. Steed, die als Freunde Masaryks von Beneä rechtzeitig bearbeitet worden waren. Harald Nicolson wurde so zu einem unwissentlich falschen Kontrollor!

DIE SUDETENDEUTSCHE FRAGE AUF DER PARISER FRIEDENSKONFERENZ. Veröffentlichung des Sudetendeutschen Archivs München, Fides-Verlagsge-sellschaft, München 1971.

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