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Geschichte des zweiten Weltkrieges in Dokumenten

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Band I: Der Weg zum Kriege 1938 bis 1939. Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Freund. Verlag Herder, Freiburg. 477 Seiten. Preis 28 DM

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Band I: Der Weg zum Kriege 1938 bis 1939. Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Freund. Verlag Herder, Freiburg. 477 Seiten. Preis 28 DM

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Im Jahre 1936 erschien vom gleichen Herausgeber mitbetreut eine Weltgeschichte in Dokumenten, die bis zum Frühjahr 1938 fortgeführt wurde und stattliche fünf Bände erreichte. Dann wurde die Herausgabe eingestellt; denn trotz der Zustimmung der gelehrten Welt war offenkund- lich die Dokumentation so bedeutsamer Zeugnisse zur damals jüngsten Vergangenheit nicht sehr erwünscht. Nun wird dieses Werk gewissermaßen fortgesetzt, und Prof. Freund, der jetzt einen Lehrstuhl an der Universität Kiel innehat, übernahm die Methode der Publikation auch für die neue Reihe. Naturgemäß bietet eine solche Dokumentation formal dem Historiker ungeheuere Schwierigkeiten, weil die Ueberfülle der vorhandenen Dokumente, Reden, Erinnerungen und sonstiger Zeugnisse des Geschehens schier erdrük- kend wirkt.

Dozent Paul K1 u c k e, der jetzige Generalsekretär des Instituts für Zeitgeschichte in München, hat in seinem grundlegenden Aufsatz im 175. Band der Historischen Zeitschrift auf die Probleme derartiger Publikationen hingewiesen. Noch mangelt es uns an vielen Vergleichsdokumenten. Auch die Bausteine, die Freund verwendet, wie etwa die Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918 bis 1945 herausgegeben von einer britisch - französisch - amerikanischen Historikerkommission in Baden-Baden oder die sogenannte IMT-Reihe des Militärgerichtshofes in Nürnberg und die beachtliche Publikation des britischen Außenamtes sind natürlich nur Mosaiksteinchen für ein wirkliches Gemälde, in dessen Formung noch lange Zeit gewaltige Lücken klaffen werden.

Man kann deshalb nicht die optimistische Meinung des Vorwortes absolut teilen, daß die Reduzierung auf ausgewählte Dokumente und der Mut zur Auswahl allein genügt, um das Zeitdrama schon wirklich zu erfassen. Dazu kommt noch, daß die Versuchung für den Historiker der Zeitgeschichte sehr naheliegt, die sogenannte Erinnerungsliteratur mit heranzuziehen und ihr mangels anderer Beweisstücke dokumentarischen Wett zuzuerkennen.

Dies trifft in manchen Fällen zu, aber keineswegs besitzen etwa die hier verwendeten „Quellen" der Aufzeichnungen Kordts oder Noels, ganz zu schweigen, von Josef Becks Memoiren, eine historische Standfestigkeit, die nicht später noch durch zu erwartende Aktenfunde revidiert werden könnte.

Das Werk setzt mit der großen Krise des März 1938 und damit mit dem Beginn des Entscheidungskampfes um das sudetendeutsche Problem ein und widmet sich fast ganz dem tschechoslowakischen Problem vor und nach München. Wäre es nicht verlockend gewesen, wie dies etwa Holldack getan hat, auch die Oesterreichfrage mit einzubeziehen und die neuesten Erkenntnisse aus den Aufzeichnungen des Generalobersten Beck und den Akten des Guido-Schmidt-Prozesses mit zu verwerten? Erkennen wir doch immer stärker, daß das Oesterreichproblem mit dem Mussolini-Besuch im September 1937 diplomatisch seinen Anfang nahm und der Ablauf der politischen Reaktionen der Westmächte im Fall Oesterreich fast ein Musterbeispiel für die Periode bis München gewesen ist. Der Herausgeber hat sich in einer sehr klaren Aneinanderreihung der Ereignisse und Aussagen bemüht, ein Bild zu erstellen, dessen letzter Pinselstrich der Einmarsch in Prag 1939 ist. Der Fachhistoriker würde wünschen, daß die einzelnen Dokumente und Aussagen kurz quellenkritisch beleuchtet werden und kleine Unrichtigkeiten wie etwa die Zitierung des österreichischen Bundespräsidenten Dr. Karl Renner als Staatspräsident Otto Renner richtig erfolgt wäre.

Im ganzen gesehen, bildet jedoch das Buch einen sehr wertvollen Behelf für jeden an der Zeitgeschichte Interessierten, das vor allem in den Bibliotheken unserer oft leichtfertig mit der jüngsten Vergangenheit umgehenden Journalistik nicht fehlen sollte.

Der Triestkonflikt und die italienisch-jugoslawische Frage. Von Walter Hildebrandt. Arbeitsgemeinschaft für Osteuropaforschung, Göttingen und Tübingen. Preis 12 DM.

Ein handliches Büchlein, das eine sehr eingehende und gut dokumentierte Darstellung des Triestiner Problems in seiner heutigen Gestalt enthält. In kurzen Zügen verfolgt der Verfasser die widerspruchsvolle italienische Politik vor dem ersten Weltkrieg, die sich im Vertrag von Raccönigi mit Rußland 1909 für das Nationalitätenprinzip auf dem Balkan ausgesprochen hatte, sich aber anderseits im Londoner Vertrag vom Jahre 1915 bedeutende Gebiete mit nichtitalienischer Bevölkerung als Preis für den Kriegseintritt zusprechen ließ. Deutlich wird auch die de-facto-Annexion der Zone B des heutigen Freistaats Triest durch Jugoslawien in allen ihren Stadien beschrieben; diese Zone wird jedoch gemäß den Daten der einzigen allgemein anerkannten Volkszählung vom Jahre 1910 ! vorwiegend von italienischer Bevölkerung bewohnt.

Vielleicht hätte man die verkehrstechnisch so unglückliche Grenzziehung von 191819 mehr betonen können: beide Haupteisenbahnen, Wien— Graz—Laibach—Triest und Salzburg—Villach— Rosenbach—Görz—Triest, wurden nicht nur durch die österreichisch-italienische Grenze, sondern auch durch einen Keil jugoslawischen Gebiets durchschnitten. Zwischen Wien und Triest gibt es seitdem vier Grenzkontrollen, zwischen Triest und den böhmischen Industriezentren sogar sechs. Der Autor irrt sich übrigens, wenn er den Bau der Tauernbahn schon in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts verlegt, letztere wurde erst am Anfang dieses Jahrhunderts fertiggestellt.

Ueberhaupt nicht erwähnt wird das inneritalienische Problem des Irredentismus, das die italienische Politik seit der Einigung bis zum ersten Weltkrieg beeinflußte, aber darüber hinaus auch bei Politikern und Publizisten der Westgroßmächte eifrige Förderer gefunden hatte. Eine Untersuchung in dieser Richtung könnte vielleicht auch die Frage beantworten, warum denn 1946 ein Freistaat geschaffen wurde, der von vornherein unmöglich lebensfähig sein konnte.

Der Buddhismus. Wesen und Entwicklung. Von Edward Conze. Autorisierte, in Zusammenarbeit mit dem Verfasser besorgte Uebersetzung aus dem Englischen. Urban-Bücher Nr. 5. Europa-Verlag, Zürich-Wien. 215 Seiten. Preis 3.60 sfrs.

Arthur Waley erklärt zu diesem Buch, daß es „zur Zeit in keiner Sprache eine so umfassende und gleichzeitig so leichtverständliche und lesbare Darstellung des Buddhismus" gibt. Dieses Urteil kann man mit ruhigem Gewissen unterschreiben. Conzes Buch ist das Beispiel einer gewissenhaften populärwissenschaftlichen Darstellung, die dazu noch den Vorteil hat, daß sie die angeschnittenen Fragen als lebendige Gegenwartsprobleme behandelt.

Das Hauptverdienst liegt jedoch in der relativen Vollständigkeit und Uebersichtlichkeit. Wir begrüßen es nicht nur prinzipiell, daß der Verfasser einen „ganz bestimmten Standpunkt" einnimmt, sondern erklären uns auch in großen Linien einverstanden mit der ruhigen, ausgeglichenen Art, in der er gewisse heikle Fragen über „Parallelen" streift, auch wenn wir einzelnen Bemerkungen in ihrer notwendigen Kürze nicht beipflichten können, z. B. über Buddhismus und Christentum, S. 98 und 143. Im allgemeinen wäre zu hoffen, daß die „Urban-Bücher" dieses hohe Niveau beibehalten könnten.

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