6871282-1978_25_01.jpg
Digital In Arbeit

Ist Broda der FPÖ zu konservativ?

Werbung
Werbung
Werbung

Seit Alexander Götz zum Bundes-parteiobmann der , Freiheitlichen Österreichs designiert wurde, ist die politische Landschaft wieder offen: Eine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ steht vor der Tür zumindest jener politischen Beobachter, die den Sozialisten 1979 eine neuerliche absolute Mehrheit weder gönnen noch zutrauen.

Die verschiedenen Koalitions-Varianten werden in Österreich (und nicht nur in Österreich) traditionell unter wahltaktischen Gesichtspunkten beurteilt: Wer kann mit wem und gegen wen, ist die entscheidende Frage. In den Hintergrund tritt stets, welche Grundsätze der einen Partei mit jenen der anderen Partei vereinbar sind und welche nicht.

Der Schlußstrich, den Österreichs Parlamentarier vergangene Woche unter das sehr umfangreiche und gesellschaftspolitisch äußerst brisante Werk der Familienrechtsreform setzten, mag einmal als Anlaß dafür herhalten, die Einstellung der beiden Großparteien zur Familie und zur Ehe mit den diesbezüglichen Grundsätzen der Freiheitlichen zu vergleichen.

Vorweg sei festgestellt, daß die alle Phasen der Debatte dominierenden Geschütze auf Christian Broda und dessen Scheidungs-Automatik (ursprünglich fünf, jetzt sechs Jahre Frist) gerichtet waren. Kirche, Katholische Organisationen und auch die große Oppositionspartei schössen sich auf die beabsichtigte Beseitigung des Widerspruchsrechts ein. Daß Broda hier als Justizminister und Vertreter der stärksten im Nationalrat vertretenen Partei die passende Zielscheibe abgeben würde, war von Anfang an klar.

Doch der so hitzig geführte Kampf, der für die Sozialisten in einer „Sternstunde des Parlaments“ endete und für die Volkspartei zur verlorenen Schlacht an der „Maginot-Linie des Rechts“ wurde, hat den Blick für so manche Lagebeurteilungen, die nun nachgeholt werden müssen, entschieden verstellt: Etwa für die Tatsache, daß in der Beurteilung von Ehe und Familie die Sozialisten der Kirche und auch der ÖVP wahrscheinlich näherstehen als die Freiheitlichen.

Nach all den oberflächlichen Bürgerblock-Gespenstern der letzten Wochen ist ein solches Wort längst am Platze.

Schon im April wies der Präsident des Katholischen Familienverbandes, Dipl.-Ing. Helmuth Schattovits, im Rahmen einer Pressekonferenz auf die Rolle der FPÖ in der Familienrechtsreform hin: Nach einer Reihe von Gesprächen zwischen dem Familienverband und Broda habe sich in „erfreulich guter Gesprächsathmosphäre“ eine gewisse Neigung des Ministers zu Zugeständnissen herauskristallisiert Dann seien aber den Worten die Taten nicht gefolgt: Sicher nicht zu Unrecht wies Schattovits auf die „Schrittmacher-Funktion“ des FPÖ-Abgeordne-ten Tassilo Broesigke hin.

Schließlich ließ die FPÖ in Presseerklärungen, Artikeln und Reden kaum einen Zweifel, was ihr in der Scheidungsreform am meisten am Herzen lag: Alle Ehepartner, deren Lebensgemeinschaft zerrüttet ist, die einfach nicht mehr wollen, sollen am Auseinandergehen durch nichts gehindert werde«. Weder durch ein Gesetz noch durch eine den Freiheitlichen und Liberalen unbekannte Pflicht zur ehelichen Treue und Beistand.

Im wesentlichen beschränken sich die Freiheitlichen auf drei Auflagen: Die Scheidung selbst soll möglichst elegant und unbürokratisch über die Bühne gehen. Die materiellen Regelungen sollen klar und verständlich sein. Dem Richter sollte schließlich ein leicht judizierbares Gesetzes-Instru-ment in die Hand gegeben werden.

Mit einem Wort: Eine klinisch saubere, von tadellosen Chirurgen durchgeführte Operation, bei der freilich die nicht unwichtige Frage, ob sie überhaupt notwendig war, im Nachhinein gestellt werden darf. 1

ÖVP-Justizsprecher Walter Hauser meinte im Plenum, für viele Rechtslehrer, Anwälte und Richter sei die Ehe durch ihre innere Harmonie charakterisiert, wobei der Vertragscharakter in den Hintergrund trete: Wenn die innere Harmonie wegfalle, höre die Ehe für diese Menschen einfach auf zu bestehen. Eine solche Anschauung unterscheide die Ehe kaum von einer Lebensgemeinschaft ohne Dauerbindung, kaum von irgendeiner Freundschaft: Das Ausschlaggebende sei nicht die innere Harmonie, sondern die permanente Verpflichtung und Herausforderung, sich um diese innere Harmonie zu bemühen.

Freilich raffte auch Broesigke sich zu einem verbalen Bekenntnis zur Institution Ehe auf: „Es gibt wohl keine Partei in diesem Hause, die die Ehe nicht vorbehaltlos bejahen würde... Das tun wir Freiheitlichen jedenfalls.“

Im Vergleich dazu sind die Bekenntnisse der Sozialisten zur Familie doch um einiges engagierter. Freilich besteht kein Zweifel, daß den Sozialisten die nach christlichen Wertvorstellungen zusammengefügte Familie als religiöser Dorn im säkularisierten Staat erscheint: Doch mehr ist ihnen Familie schon, als nur Rechengröße in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.

Die Freiheitlichen fordern schon den nächsten Schritt in der Scheidungsfrage. Das Zerrüttungsprinzip muß zur Gänze eingeführt werden. Jegliche Frist womöglich fallen. Damit der alte Traum in Erfüllung geht: Jeder soll jeden heiraten, jeder sich von jedem scheiden lassen können. „Rent a wife“ statt „rent a car“!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung