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Der Käufer sitzt auf dem schwächsten Ast

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Der Entwurf eines Konsumentenschutzgesetzes, der vom Handelsministerium ausgesandt worden ist, wurde von der Bundeswirtschaftskammer in toto abgelehnt. Ob dies taktisch richtig war, bleibt abzuwarten.

Die Notwendigkeit eines verstärkten Konsumentenschutzes und damit rigoroserer und detaillierterer gesetzlicher Bestimmungen läßt sich wohl nur schwerlich bestreiten. Ebensowenig läßt sich aber übersehen, daß vieles am ministeriellen Entwurf unausgegoren ist und teilweise eine - wenn auch gut kaschierte - gesellschaftspolitische Schlagseite hat, daß viele der echten Probleme ungeregelt bleiben, dafür fiktive Probleme hochgespielt werden. Ob aber der ministerielle Entwurf nicht einmal eine Verhandlungsbasis dargestellt hat, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Daß beispielsweise bei allen technischen Apparaturen - vom Auto bis zum Haushaltsgerät - der Konsumentenschutz unzulänglich ist, liegt auf der Hand. Allerdings legt bereits das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch ziemlich präzise Gewährleistungspflichten fest, jedoch ist dies „nachgiebiges Recht“, d. h. die Bestimmungen des ABGB können durch Vertrag ausgeschlossen werden.

Dies erfolgt in der Praxis auf sehr perfide Manier: Dem Käufer wird eine „Garantieerklärung“ in die Hand gedrückt und ihm suggeriert, daß erst diese ihm Schutz verschaffe und eine kostenlose Reparatur - bzw. einen Umtausch in besonders schweren Fällen - innerhalb einer bestimmten Garantiefrist sichere.

In Wirklichkeit erweitert dieser Garantieschein nicht das Recht des Konsumenten, sondern beschneidet es: Durch ihn werden nämlich Gewährleistungspflichten, welche das ABGB generell verfügt, ausgeschlossen. Der Verkäufer übernimmt dadurch keine zusätzlichen Verpflichtungen, sondern entledigt sich im Ge genteil gesetzlich vorgeschriebener Gewährleistungspflichten.

Diesem Ubelstand wäre allerdings auf raschem Wege abzuhelfen, es brauchte nicht zugewartet zu werden, bis ein spezielles Gesetz den Nationalrat passiert: Man müßte nur die Gewährleistungspflichten des ABGB aus nachgiebigem in „zwingendes Recht“ verwandeln und darüber hinaus einige Passagen präzisieren und modernisieren. Für Garantiekarten wäre in Konsequenz daraus festzulegen, daß sie die gesetzlichen Bestimmungen nicht nur nicht einzuschränken haben, sondern nur dann ausgegeben werden dürfen, wenn ihre Zusicherungen über die Gesetzeslage hinausgehen. Eine solche Novellierung des ABGB könnte noch vor Verabschiedung eines Konsumentenschutzgesetzes die schlimmsten Härten beseitigen.

Durch Gesetz auszuschließen wären beispielsweise auch so ärgerliche und durch nichts legitimierte Praktiken, daß auch während der Garantiefrist die Firma - auch dann, wenn es sich um eindeutige Materialfehler handelt - nur das Material beistellt, die Arbeitszeit odef die Wegzeit aber vom geschädigten und an dem Mangel vollkommen unschuldigen Konsumenten selbst bezahlt werden muß.

Von Unternehmerseite wird eingewendet, daß die im Gesetzentwurf des Handelsministeriums festgelegten Garantiepflichten - speziell in bezug auf eventuelle Folgeschäden - die finanzielle Leistungskraft des Handels übersteige. Der Produzent könnte aber allenfalls im Inland, nicht aber bei Importwaren haftbar gemacht werden.

Nun haben aber die meisten westlichen Industriestaaten die gleichen Probleme. Es könnte deshalb ohne weiteres eine internationale Konvention über die Produzentenhaftung geschaffen werden, welche dem Handel die notwendige Absicherung gewährleisten würde. Wenn Staaten dieser

Konvention nicht beitreten oder ihren Normen nur mangelhaft entsprechen, dann wird es am Handel liegen, von dorther nicht zu importieren, auch wenn die Konditionen noch so verlok- kend sind.

Darüber hinaus besteht sicherlich die Möglichkeit, eine Risikoversicherung zu schaffen, welche speziell kleinere Produzenten und Händler vor ruinösen Belastungen schützt.

Ein weiteres Gegenargument ist der Hinweis auf höhere Kosten durch verstärkte Garantiebestimmungen, welche auf die Preise überwälzt werden müßten und daher verteuernd wirken würden. Dazu ist zu sagen, daß in diesem Fall das Solidaritätsargument zu überwiegen hat: eine leichte gleichmäßige Belastung aller Käufer ist einer exzessiven Benachteiligung einzelner Käufer - nämlich jener, welche das Malheur haben, ein schlechtes Produkt zu bekommen - entschieden vorzuziehen.

Des weiteren gibt es von Jahr zu Jahr zusätzliche Belastungen, welche verteuernd wirken - man denke nur an die steigenden Steuern und Abgaben -, deren Notwendigkeit aber eher kontrovers ist. Hiergegen wird nichts unternommen. Partout bei jenen Belastungen, die eine eindeutige moralische und soziale Legitimation haben, steigen Bedenken auf. Abgesehen davon wäre durch verschärfte Qualitätskontrolle dieses Problem wahrscheinlich zu entschärfen.

Die Reihe der Beispiele dafür, daß die Kontroversen vielfach durch Scheinprobleme inspiriert sind, ließe sich beliebig fortsetzen. Freilich müssen die einzelnen Bestimmungen auch richtig und mit allen Konsequenzen zu Ende gedacht sein. Mit halbfertigen Lösungen, auch wenn sie noch so schön klingen, ist niemandem geholfen - am wenigsten dem Konsumenten.

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