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Die Geldillusionisten

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Der Euphorie nach der Aufwertung des Schillings folgte die große Ernüchterung, als Regierung und Regierte erkennen mußten, daß damit vielleicht ein Gefecht, doch gewiß keine Schlacht gegen den dauernden und deutlich spürbaren Anstieg des Preisniveaus in Österreich gewonnen wurde; der Ernüchterung aber folgte nun — zumindest in Ankündigungen — die Hysterie, in deren Klima sich wirtschaftspolitische Probleme wohl am schlechtesten lösen lassen.

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Der Euphorie nach der Aufwertung des Schillings folgte die große Ernüchterung, als Regierung und Regierte erkennen mußten, daß damit vielleicht ein Gefecht, doch gewiß keine Schlacht gegen den dauernden und deutlich spürbaren Anstieg des Preisniveaus in Österreich gewonnen wurde; der Ernüchterung aber folgte nun — zumindest in Ankündigungen — die Hysterie, in deren Klima sich wirtschaftspolitische Probleme wohl am schlechtesten lösen lassen.

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Fand die Regierung heraus, daß die Manipulation des Verbraucherpreisindex von der Öffentlichkeit nicht unbemerkt blieb, so verspricht sie nun, die Preise mit staatlichem Zwang regeln zu wollen. So faszinierend dieses Versprechen für den ökonomischen Laien auch immer sein mag, gerade so sehr muß es alle jene erschrecken, die bei der Stimmabgabe für die Nationalratswahlen vor fünfzehn Monaten gehofft hatten, die Sozialistische Partei hätte ein Verhältnis zur sozialen Marktwirtschaft gefunden, das weniger von Ressentiments als von Zweckmäßigkeitsüberlegungen, nicht von stiller Ablehnung, sondern von kühler Zustimmung geprägt ist. Indes: das hat sie offenbar nicht. Es fällt dieser Regierung scheinbar leichter als erwartet, dem Druck der durch Geldwertmißtrauen verunsicherten Gewerkschaften nachzugeben;

Handlungen anzukündigen, die marktkonträr sind und dem marktwirtschaftlichen System zu Leibe rücken.

Im Grunde ist der Gedanke dekretierter Preise eine recht logische Fortsetzung der Methode, den Verbraucherpreisindex zu frisieren. Denn beide Maßnahmen dienen dazu, die Tatsache der Geldwertverschlechterung so lange wie irgend möglich vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten, zumindest aber ihr. Ausmaß zu bagatellisieren. Beide Maßnahmen sind zudem keine Instrumente zur Bekämpfung der inflationären Tendenzen, sondern eher geeignet, den Geldschleier zu verdichten, die sogenannte Geldillusion zu verstärken. Wo und wann immer versucht wurde, die Inflation zurückzustauen — zwischen 1938 und 1945 im besetzten Österreich, vor wenigen Jahren auch in England — diese Akte der Desillusionierung der Bevölkerung schlugen fehl. Sobald der Staudamm der künstlichen Preise unter den Wellen der vielfältigen Verteilungswünsche fällt, gewannen die inflationären Tendenzen noch mehr an Kraft und Heftigkeit. Im Grunde erleben wir diese Tatsache jetzt eben in Österreich aufs Neue. Bekanntlich wurden die Preisanträge von der Paritätischen Kommission bis nach dem Datum der Bundespräsidentenwahlen zurückgestellt. Als dann die Regierungspartei die Behandlung von Preisanträgen wieder für möglich hielt, kam, was kommen mußte: eine vom Druck der realisierten Preiserhöhungswünsche provozierte, besonders kräftige Anhebung des Preisniveaus.

Die Bestimmungsgründe von Inflationen sind hinlänglich bekannt: Sie können nachfrage-, kosten- und auslandsinduziert sein. Für die österreichische Situation läßt sich mit einiger Bestimmtheit feststellen, daß die Inflation vor allem kosteninduziert ist. Also müßte hier der Hebel zur Bekämpfung des Preisauftriebes ansetzen. . Nun muß dies einer Regier rung besonders schwer fallen, die sich noch immer in erster Linie als die politische Vertretung nur eines Teiles der Sozialpartner versteht und deren parlamentarische Basis ungenügend ist. Für diese Regierung und in dieser Situation scheint es einfach unmöglich, eine Inflation, deren Ursachen im wesentlichen bekannt sind, wirkungsvoll zu bekämpfen. Denn dies bedeutete, die Sozialpartner an einem Tisch zum Abschluß einer Neuauflage des „Great Bargaining“ zu bewegen.

Übertölpelte Gewerkschaften

Also schlug man vor, wonach schon seit einigen Monaten der Sinn steht: Preisregelungen. Ganz abgesehen davon, daß ein Gesetz, das Preise dekretiert, der staatlichen Verwaltung Rechte und Durchsetzmöglichkeiten einräumt, die jedem Demokratieverständnis widersprechen, kann es nicht funktionieren. Es gibt keine Behörde, die alles kontrollieren kann. Es gibt ferner keine Behörde, die Unternehmern prompt und fundiert nachweisen kann, daß ihre Kalkulationen und Qualitätsänderungen tatsächlich mit den Bestimmungen eines Preisregelungsgesetzes harmonieren. Was dabei herauskommen muß, ist nur erneutes Mißtrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierung.

Im übrigen wären Preisregelungen ohne entsprechende Lohndekrete völlig sinnlos. Würde man im Falle einer nachfrage- und kosteninduzierten Inflation zu diesem Instrument greifen, so würden die Unternehmer entweder mit einem Produktionsstopp reagieren, weil die Preise die Produktionskosten nicht mehr deckten, oder aber es käme zur Entstehung eines „Grauen Marktes“, auf dem die Produktionskosten und der Gewinn in voller Höhe verrechnet und bezahlt würde. In beiden Fällen wären weitere Auftriebskräfte provoziert worden.

Auch einem, freiwilligen Preisr und Lohnstopp der Sozialpartner wäre kein allzuianges Leben beschieden. Vor allem die Gewerkschaften kämen sehr bald zur Ansicht, daß sie bei einer konzentrierten Aktion dieser

Art eher übertölpelt werden. Solchen dirigistischen Eingriffen kommt nun einmal nicht die Funktion sozialer Neutralität zu. Sie verlangen nicht allen sozialen Gruppen gleiche Opfer ab und bringen nicht allen die gleichen Vorteile. Die Unternehmer würden sich dort zur Preisdisziplin verpflichten, wo die Märkte über eine Weile Preiserhöhungen ohnedies kaum zulassen, und auf der anderen Seite würden auch die Gewerkschaf ten nur sektoralen Lohnregelungen zustimmen.

Es hat also wenig Sinn, nach Skandinavien zu schielen, wo schon seit einiger Zeit mit dem Lohn- und Preisstopp erfolglos experimentiert wird. Auch dort wird die Inflation nur verdeckt, aber nicht besiegt. Wer die Symptome einer Krankheit kuriert, vergißt nämlich allzu leicht, auch ihre Ursachen zu bekämpfen.

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