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Haften für alle Schäden?

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Als im Sommer dieses Jahres die Arbeiterkammer die Einführung einer gesetzlichen Produkthaftung forderte, löste sie damit einen eingespielten Mechanismus aus: Konsumentenvertreter begrüßten diese Initiative und befürworteten einen solchen Schritt, die Vertreter der Wirtschaft sprachen sich energisch dagegen aus.

Die breite Öffentlichkeit, die zu diesem Zeitpunkt mit der lebhaften Diskussion über das Konsumentenschutzgesetz beschäftigt war, wußte mit dem Begriff „Produkthaftung“ eher wenig anzufangen. Ein Informa-

tionsdefizit und der fehlende Überblick über die Rechtsentwicklung in vergleichbaren Ländern bestehen in weiten Bereichen wohl auch heute noch. Dadurch wird eine sachliche Diskussion des gesamten Fragenkomplexes erschwert und Polemik nicht immer sofort als solche erkannt.

Worum geht es bei der Produkthaftung eigentlich?

Um es gleich zu Beginn festzuhalten: Es geht dabei nicht um Tatbestände, die unter die Begriffe Garantie oder Gewährleistung, wie sie das Konsumentenschutzgesetz kennt, fallen.

Hier bestehen heute handfeste rechtliche Grundlagen.

Ferner ist darauf hinzuweisen, daß auch schon heute der Erzeuger auf Grund der Gesetzeslage verpflichtet ist, nach dem jeweiligen Stand des Wissens einwandfreie Produkte zu liefern.

Mehr noch: Werden Gefahren eines Produktes erst später erkannt, darf er nicht untätig bleiben. Die immer wieder vorkommenden Rückrufaktionen der Autoindustrie sind ein bekanntes Beispiel dafür.

Was nun aber auch in Österreich zur Diskussion gestellt wurde, ist eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers oder Importeurs eines Produktes für Schäden, die durch sein Erzeugnis verursacht werden.

Diese Forderung mag auf den ersten Blick den mit dem Problem weniger Vertrauten überraschen und als übertrieben erscheinen. Ein Blick über unsere Landesgrenzen hinweg läßt diese Frage jedoch in einem anderen

Licht erscheinen.

Man braucht dabei nicht die Situation in den USA zum Vergleich heranziehen, wo die Frage der Haftung bereits ganz andere Dimensionen angenommen hat. Dort haben sich Rechtsanwälte auf diesen Rechtsbereich spezialisiert und klagen Entschädigungen in Millionen-Dollar- Höhe ein.

Auch in Europa sind die Vorarbeiten zur Einführung einer solchen verschuldensunabhängigen Haftung der Erzeuger für ihre Produkte bereits weit fortgeschritten. So hat der Europarat schon zu Beginn des Jahres 1977

ein Übereinkommen über die Produkthaftung aus gearbeitet. Dieses wurde bereits von mehreren Staaten unterzeichnet, ist jedoch noch nicht in Kraft getreten. Auch innerhalb der EG werden seit längerer Zeit Richtlinien beraten.

Nach diesen Entwürfen haftet einem Produkt dann ein Fehler an, wenn es die Sicherheit nicht gewährleistet, die man von ihm unter Berücksichtigung aller Umstände - auch bei vorhersehbarem unsachgemäßen

Gebrauch - in gerechtfertigter Weise erwarten kann.

Bei der Beurteilung des Fehlerbegriffes spielt auch die Präsentation, sprich Werbung für das Produkt eine wichtige Rolle. Fehlende, falsche oder unvollständige Gebrauchsanweisungen können ebenso ein gravierender

Mangel sein.

Die Diskussion geht nun vor allem darum, ob Hersteller oder Importeure für alle Schäden oder nur für Personenschäden, die durch ein von ihnen erzeugtes oder importiertes Produkt entstehen, Schadenersatz leisten müssen. Geklärt muß auch erst werden, ob die Haftung der Höhe nach und zeitlich beschränkt werden soll.

Davon werden auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Einführung einer solchen Produkthaftung abhängig sein. Der Abschluß der notwendigen Versicherung der Produzenten gegen das Haftungsrisiko führt auf jeden Fall zu einer zusätzlichen Kostenbelastung. Die Schätzungen der zu erwartenden Preiserhöhungen gehen dabei weit auseinander. Sie reichen von Größenordnungen in der Höhe von Zehntelprozentpunkten bis zu gewaltigen Kostenexplosionen.

Zur speziellen Situation Österreichs ist festzuhalten, daß für die heimischen Produzenten bereits derzeit zum Teil sehr harte Bestimmungen bestehen.

Weniger streng sind die Vorschriften in manchen Bereichen der Importgüter. Hier wären, ohne der Einführung verdeckter Handeslhemm- nisse - über die sich so mancher Exporteur auf dem US-Markt beklagt - das

Wort zu reden, am ehesten strengere Bestimmungen am Platz.

Sollten nämlich andere Länder vor Österreich die Produkthaftung gesetzlich verankern, wäre die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß ausländische Produzenten den. verschärften Bestimmungen auszuweichen versuchen und es zu einem verstärkten Import gefährlicher Produkte nach Österreich kommen könnte.

Schon im Hinblick auf die starke internationale Verflechtung der österreichischen Wirtschaft wird es also notwendig sein, daß wir uns mit der Frage der Produkthaftung auseinandersetzen.

Es ist demnach angebracht, die internationale Entwicklung sorgfältig zu beobachten und sowohl im Interesse der heimischen Wirtschaft als auch im Interesse der österreichischen Konsumenten zeitgerecht und in einem sachlichen Verhandlungsklima nach einer wirtschaftsgerechten Regelung der Produkthaftung in unserem Lande zu suchen.

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