6893959-1980_04_04.jpg
Digital In Arbeit

Produkthaftung wirft viele Probleme auf

19451960198020002020

Am kommenden Freitag findet in Wien eine parlamentarische Enquete über die Weiterentwicklung des Konsumentenschutzes ßtatt. Ein heißes Eisen dabei ist die Produkthaf£u,ngfNQefoK dem in der FURCHE 48/1979 Staatssekretärin Anneliese Albrecht und Kurt Mühlbacher, der Präsident des Freien Wirtschaftsverbandes der SPÖ, das Thema aus ihrer Sicht behandelt haben, nimmt diesmal Wolfgang Schüssel, Generalsekretär des Wirtschaftsbundes der ÖVP, dazu Stellung.

19451960198020002020

Am kommenden Freitag findet in Wien eine parlamentarische Enquete über die Weiterentwicklung des Konsumentenschutzes ßtatt. Ein heißes Eisen dabei ist die Produkthaf£u,ngfNQefoK dem in der FURCHE 48/1979 Staatssekretärin Anneliese Albrecht und Kurt Mühlbacher, der Präsident des Freien Wirtschaftsverbandes der SPÖ, das Thema aus ihrer Sicht behandelt haben, nimmt diesmal Wolfgang Schüssel, Generalsekretär des Wirtschaftsbundes der ÖVP, dazu Stellung.

Werbung
Werbung
Werbung

Unter dem Begriff „Produkthaftung" versteht man die Haftung des Herstellers fehlerhafter Waren für die aus der Verwendung seiner Produkte entstehenden Personen-, Sach- oder Vermögensschäden. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Begriff des Produktfehlers, denn von seinem Inhalt hängt es ab, ob Verkehrssicherungspflichten verletzt wurden und somit eine Haftungsgrundlage überhaupt besteht.

Die Idee der Produkthaftung stammt aus den USA, wo es für eine praktisch verschuldensunabhängige Haftung als repressives Mittel wegen der weitgehenden Gewerbefreiheit und der geringen Produktüberwachung tatsächlich dafür ein Bedürfnis geben mag.

In Österreich aber bestehen im Rahmen der geltenden Rechtsordnung eingehende Präventivbestimmungen zum Schutz der Konsumenten, vor allem die Gewerbeordnung, aber auch das Lebensmittel- und Arzneimittelrecht. Darüber hinaus können tatsächlich geschädigte Konsumenten im Rahmen des bürgerlichen Schadenersatzrechtes ihre einschlägigen Ansprüche geltend machen.

Die österreichische Gesetzgebung geht bei der Behandlung von Schadenersatzansprüchen von der Schuldfrage aus. Stürzt ein Mann von der Leiter, deren Sprossen unzureichend befestigt waren, so hat der Geschädigte Anspruch darauf, daß ihm der Hersteller der schadhaften Leiter den Schaden angemessen vergütet. Der Leiternproduzent maß überdies den Benutzer über denkbare konstruktionsbedingte Schwierigkeiten bei der Verwendung dieser Leiter unterrichten. Geschieht das nicht, so kann er im Schadensfall ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Jeder Rechtsanspruch auf Ersatz des Schadens entfällt dann, wenn dem Benutzer die unsachgemäße Handhabung seiner Leiter nachgewiesen werden kann.

Das dem amerikanischen Modell nachempfundene „Europäische Ubereinkommen über die Erzeugungshaftung für Personenschäden und Tötung" will sich Justizminister Christian Broda für einen einschlägigen Gesetzentwurf zum Vorbild nehmen. Der darin ausgesprochene Grundsatz der „verschuldensunabhängigen Haftung" findet freilich bislang nur in drei europäischen Staaten (Frankreich, Belgien, Luxemburg) Zustimmung, die anderen europäi-

sehen Staaten, darunter auch Österreich, sind diesem Ubereinkommen bislang nicht beigetreten.

Denn die Verwirklichung dieses Grundsatzes würde das Schadensausgleichssystem in der österreichischen Rechtsordnung verschieben, die Konkurrenzsituation mit anderen Haftungstatbeständen vervielfachen und erhebliche ungeklärte Probleme bei einer Schadensverteilung hervorrufen.

Auch unter' den Verbraucherverbänden sind ernste Zweifel an einer dem amerikanischen Modell nach-

empfundenen Produkthaftung aufgetaucht. Einmal werden so ziemlich alle Schwierigkeiten in die Kautschukbestimmung „Berücksichtigung aller Umstände" verwiesen und damit dem Richter eine Lösung zugemutet (beim Wöhn-. und Mietrechtsentwurf lehnt Justizminister Brodadiese Methode rigorosab). Das andereMal wird unterstellt, daß Produktion und Vertrieb den vernünftigen Gebrauch eines Produkts garantieren sollen.

In der Geschäftspraxis würde das bedeuten, daß in der Gebrauchsanweisung eines Fahrzeuges die Formulierung einzubauen wäre, damit nicht gegen einen Baum zu fahren. Gemüsehändler müßten beispielsweise die ihnen von verschiedenen Lieferanten angebotene Ware derselben Gattung getrennt lagern und verkaufen, wollen sie der Produkthaftung ausweichen.

Daß die Produkthaftung eine sehr kostspielige Angelegenheit ist, zeigt ein Blick auf die Situation in den USA. Sie führt dort jährlich zu mehr als einer Million Prozesse, 1980 dürften allein unter dem Titel „Produkthaftung" rund 30 Millionen Dollar an Versicherungsprämien ausgegeben werden. In Einzelfällen machen die einschlägigen Versicherungsprämien schon acht Prozent des Umsatzes aus. In der Pharmaindustrie sollen bei neuen Produkten die Versicherungskosten schon 30 Prozent der Gesamtkosten erreichen.

Der Gedanke eines angemessenen Schutzes der Letztverbraucher vor sittenwidriger Ubervorteilung oder unzumutbaren Risiken im täglichen Geschäftsverkehr ist zu bejahen. Es kann aber nicht Aufgabe des Konsumentenschutzes sein, den mündigen Staatsbürger von jeglicher rechtlichen Sorgfaltspflicht in seinen Angelegenheiten zu befreien und ihm auch Risiken abzunehmen, die zu den durchaus normalen Wechselfällen des Lebens gehören.

Im Interesse eines praktischen und wirkungsvollen Konsumentenschut-zes ist es zweckmäßiger, die verschuldensunabhängige Haftung im Rahmen von Spezialgesetzen (Lebensmittel-, Arzneimittelrecht usw.) auszubauen, für die übrigen Produkte jedoch die Beweislastumkehr gelten zu lassen. Denn eine verschuldensunabhängige Produkthaftung ist angesichts der notwendigerweise hohen Versicherungsprämien teuer. Und diese Kosten hätten die Konsumenten zu bezahlen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung