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Unsere Wirtschaft braucht mehr Wettbewerb

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Die Preise steigen in Österreich — und nicht nur in Österreich — derzeit stärker an als in früheren Jahren. Es ist daher nur allzu verständlich, daß alle mit der Wirtschaftspolitik befaßten Instanzen nach Möglichkeiten zur Dämpfung des Preisauftriebes suchen. Dabei ertönt immer wieder der Ruf nach verschärften administrativen Preiskontrollen. Und allein schon dieses Wort löst — und das wiederum nicht nur in Österreich — leidenschaftliche Emotionen pro und kontra aus. Erwarten sich die einen von einem weitgehenden Einfluß des Staates auf die Preisbildung einen völligen Stopp oder zumindest eine weitgehende Milderung des Preisanstieges, so sehen die anderen in jedem Eingriff in den Marktmechanismus bereits einen ersten, aber vielleicht entscheidenden Schritt auf dem „Weg in die Knechtschaft“ des Kommunismus, vor dem Friedrich Hayek schon 1944 gewarnt hat.

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Die Preise steigen in Österreich — und nicht nur in Österreich — derzeit stärker an als in früheren Jahren. Es ist daher nur allzu verständlich, daß alle mit der Wirtschaftspolitik befaßten Instanzen nach Möglichkeiten zur Dämpfung des Preisauftriebes suchen. Dabei ertönt immer wieder der Ruf nach verschärften administrativen Preiskontrollen. Und allein schon dieses Wort löst — und das wiederum nicht nur in Österreich — leidenschaftliche Emotionen pro und kontra aus. Erwarten sich die einen von einem weitgehenden Einfluß des Staates auf die Preisbildung einen völligen Stopp oder zumindest eine weitgehende Milderung des Preisanstieges, so sehen die anderen in jedem Eingriff in den Marktmechanismus bereits einen ersten, aber vielleicht entscheidenden Schritt auf dem „Weg in die Knechtschaft“ des Kommunismus, vor dem Friedrich Hayek schon 1944 gewarnt hat.

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Gerade in Österreich ist man, sicher nicht zu Unrecht, stolz darauf, die Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren spürbar versachlicht zu haben. Es ist daher nicht ganz verständlich, warum ein international doch immer häufiger angewandtes Instrument, wie es die administrative Preiskontrolle eben ist, bei uns vielfach noch immer rein ideologisch gesehen wird. Denn das, was bei uns als Gretchenfrage für das Bekenntnis zu Freiheit und westlicher Welt betrachtet wird, ist in eben dieser westlichen Welt heute schon durchaus gang und gäbe.

Beispiel USA

Als Beweis für diese Behauptung kann man nicht zuletzt die USA selbst anführen, und zwar nicht erst seit den im Vorjahr von Präsident Nixon eingeführten Preisfund Lohn-)kontrollen. Seit vielen Jahren werden die Preise und Tarife vieler rein privater amerikanischer Vensorgungsunternehmen von staatlichen Behörden festgelegt. Und in zahlreichen Ländern Westeuropas gab und gibt es eine Fülle amtlicher Preiskontrollen. Statt auf die administrative Preiskontrolle mit ideologischen Reflexen zu reagieren, sollte man daher auch an diese heikle Frage sachlich und unvoreingenommen herangehen.

Dabei kann und soll man ruhig von dem Denkmodell der Preisbildung am Markt, durch den Wettbewerb von Nachfrage und Angebot, ausgehen. Der sich bei diesem Wettbewerb herausbildende Preis wird wohl (von gewissen Ausnahmesituationen abgesehen) auch vom Standpunkt des Käufers ein akzeptabler, wirtschaftlich optimaler Preis sein. Würde dieser Wettbewerb tatsächlich in der Praxis überall so wie in der volkswirtschaftlichen Theorie funktionieren, so wäre eine administrative Preispolitik ein Anachronismus, der wahrscheinlich mehr Schaden anrichten würde, als er Nutzen stiften könnte. Unser ganzes Problem besteht aber darin, daß der Wettbewerb eben in vielen Fällen — und es werden ledder laufend immer mehr Fälle — und aus einer Vielzahl von Gründen nicht oder nur mangelhaft funktioniert.

Und die Monopole?

Das fängt schon damit an, daß es gewisse natürliche oder juristische Monopole vor allem auf dem Gebiet der Versorguingsunternehmungen gibt. Hier wird wohl niemand die Schaffung eines Wettbewerbes für wirtschaftlich sinnvoll erachten, und es wird wohl jeder zugeben, daß in solchen Situationen eine amtliche Preisbestimmung den mangelnden Wettbewerb ersetzen muß.

Eine ganz ähnliche Situation ist in Österreich, zumindest teilweise, im Rahmen der agrarischen Marktordnung gegeben. Wenn die Erzeuger einer Ware (wie etwa Milch) vom Staat eine Abnahinegarantie zu fixen Preisen durchgesetzt haben, und auch auf der Verarbeitungsseite, ja zum Teil sogar bis in den Vertrieb hinein, jeder Wettbewerb gesetzlich ausgeschlossen ist, so bleibt dem Staat wohl nichts anderes übrig, als auch in die Verarbeitungs- und Verbraucherpreise regelnd einzugreifen.

Daneben gibt es aber in Österreich auch eine Vielzahl und Vielfalt von legalen und nicht so legalen Monopolen und Kartellen. Das ist weiter gar nicht verwunderlich. Denn im Zeitalter der Massenproduktion lassen sich viele Waren wirtschaftlich nur noch in Großserien herstellen. Unser begrenzter Markt erlaubt aber oft bestenfalls mittlere Losgrößen — eine wirklich rationelle Produktion ist dann erst bei entsprechendem Export möglich. In einer solchen Situation entsteht aus dem ursprünglichen Wettbewerb heraus dann entweder ein Monopol oder ein Kartell.

Nun gehört es aber zu den Grundkenntnissen der Nationalökonomie, daß ein Kartell oder Monopol in der

Lage ist, den Gewinn dadurch zu vergrößern, daß der Preis etwa über jenem Preisniveau angesetzt wird, der sich bei freiem Wettbewerb ergäbe. Man spricht dabei vom Cour-notschen Punkt, weil der französische Nationalökonom Cournot schon Mitte des vorigen Jahrhunderts den mathematischen Beweis für diese Erscheinung erbracht hat.

Seither hat sich auch immer mehr herausgestellt, daß sich Oligopole (also Marktformen, wo es nur sehr wenige Anbieter gibt) vielfach sehr ähnlich wie Monopole verhalten — eine Gefahr, vor der übrigens auch schon Cournot gewarnt hatte. Eine sehr ähnliche Situation entsteht bei sogenannten marktbeherrschenden Unternehmen. In diesem Fall gibt es zwar eine größere Zahl von Anbietern, von denen aber nur einer oder ganz wenige eine überragende Position am Markt einnehmen. Dieses oder diese Unternehmen haben dann in der Regel die Preisführerschaft, die übrigen Anbieter richten die Preise nach ihnen aus. Die Wirkung auf das Preisniveau ist dann etwa so wie bei einem Kartell oder Oligopol.

Statt Wettbewerb nur Ohnbewerb

Die Stellung solcher Monopole, Kartelle oder marktbeherrschenden Unternehmen gegen eine potentielle Konkurrenz wird auch bei hohem Preisniveau durch eine Reihe von Umständen begünstigt, wenn nicht gar völlig abgeschirmt. Bei vielen Produkten sind sehr große Investitionen notwendig, bevor eine neue Produktion aufgenommen werden kann; Außenseiter sind verständlicherweise nicht ohne weiteres bereit, dieses Risiko einzugehen. Dazu kommt noch, daß der Konsument — insbesondere bei technischen und modischen Produkten — nur sehr schwer in der Lage ist, Preis- und Wertvergleiche anzustellen. Vielfach neigt er daher dazu, einen höheren Preis mit einem höheren Wert gleichzusetzen. Diese Erscheinungen können sich insbesondere jene Unternehmen zunutze machen, deren Markennamen durch einen großen Werbeaufwand popularisiert worden sind, um für das von der Marke her bekannte Produkt einen höheren Preis zu erzielen.

Der Marktwirtschaft wohnen also Kräfte inne, die zur Beseitigung oder zumindest Verminderung jenes Wettbewerbes führen, auf der eigentlich die gesamte marktwirtschaftliche Ordnung beruht. Man spricht in der Literatur in solchen Fällen statt vom Wettbewerb vom Ohnbewerb. Konsequente Befürworter der Marktwirtschaft betrachten es als Aufgabe des Staates, in solchen Situationen durch staatliche

Eingriffe für einen entsprechenden Wettbewerb zu sorgen. Im Rahmen der amerikanischen Karteligesetz-gebung sind nicht nur sämtliche Kartelle verboten; es können auch gewisse Unternehmenszusammenschlüsse untersagt werden und die Behörde hat das Recht, im Falle des Ohnbewerbes die Zerschlagung bestehender Firmen in mehrere miteinander in Konkurrenz tretende Teilfirmen anzuordnen.

Die verschleppte Gewerbeordnung

Sicherlich ist die Situation in einem kleinen Land wie Österreich wesentlich schwieriger. Ein völliges Monopolverbot wird sich in der Praxis nicht durchsetzen lassen. Aber mit etwas mehr Wettbewerbsgesinnung ließe sich noch vieles verbessern. Leider sind aber oft gerade jene Unternehmerkreise, die sich am lautstärksten zur Marktwirtschaft bekennen, am wenigsten bereit, die Konsequenz daraus zu ziehen und die vorhandenen Wettbewerbshindernisse abzubauen.

Das fängt schon bei der Gewerbeordnung und einer Anzahl ihrer Nebengesetze an, wo für viele Branchen der Nachweis eines „Bedarfes“ als Bedingung für die Errichtung eines neuen Betriebes galt. In der Gewerbeordnung soll die Bedarfsprüfung nun genereLl abgeschafft werden — in den Nebenigesetzen scheint man noch nicht so weit zu sein. Zum Schutz vor internationaler Konkurrenz (die gerade bei Bestehen inländischer Monopole, Kartelle usw. besonders wichtig wäre) verfügt Österreich bei vielen Waren noch über extrem hohe Zölle, von den mengenmäßigen Importbeschränkungen ganz zu schweigen. Hier könnte man den Wettbewerb verstärken.

Durch entsprechende Vorschriften über Warenkennzeichnung und Warenprüfung könnte die Markttransparenz noch wesentlich gesteigert und damit der Wettbewerb gefördert werden. Unser Kartellgesetz ist wohl eines der „mildesten“ Europas und sollte dringend verschärft werden. Dabei käme es vor allem darauf an, die De-facto-Kartelle besser zu erfassen und die marktbeherrschenden Unternehmen miteinzubeziehen.

Da es in weiten Bereichen der österreichischen Wirtschaft heute keinen oder nur einen sehr mangelhaften Wettbewerb gibt, kann der wesentlichste Preisregulator in der Marktwirtschaft nicht oder nur ungenügend funktionieren. Auch die Theorie, daß schließlich alle Waren und Leistungen miteinander um die Kaufkraft der Konsumenten konkurrieren und damit dem Wettbewerb Genüge getan sei, hält einer kritischen Prüfung nicht stand. Denn der Grad dieses generellen Wettbewerbes, hängt davon ab, wie weit ein Produkt durch ein anderes ersetzt werden kann und wie lebensnotwendig ein Produkt ist, also ob die Konsumenten gewillt (oder gar genötigt) sind, es auch bei durch Ohnwettbewerb hochgetriebenen Preisen dennoch zu kaufen.

Keine Illusionen über administrative Maßnahmen

Die österreichische Preispolitik sollte sich daher darum bemühen, den Wettbewerb so weit es geht zu fördern und notfalls sogar zu erzwingen. Wo dies aber nicht geht (und dies wird leider für eine verhältnismäßig große Zahl von Waren und Leistungen gelten), muß der fehlende Wettbewerb durch andere Maßnahmen ergänzt oder ersetzt werden. Dafür bietet sich dann die administrative Preispolitik in ihren verschiedenen Formen an.

Dabei sollte man sich aber auch keinen Illusionen über die Wirksamkeit administrativer Preismaßnahmen hingeben. Man kann und darf Preise nicht willkürlich und vor allem nicht ohne Rücksicht auf Angebot, Nachfrage und Kosten festsetzen. Für den Außenstehenden (und das ist der Preisadministrator) ist es oft schwer, die Lage einer Branche und ihrer Betriebe genügend rasch und gründlich zu erfassen. Die Erfahrung zeigt aber, daß eine richtig angewandte administrative Preispolitik trotz immer wieder vorkommender Fehler doch relativ gut funktionieren kann.

Eine solche administrative Preispolitik ist sicherlich nur ein Surrogat für einen funktionierenden Wettbewerb. Bevor man aber dieses Surrogat ablehnt, wird man wohl noch Vorurteile zugunsten einer nüchternen Analyse der Situation aufgeben müssen. Eine vernünftige Formel könnte dabei lauten: Wettbewerb so weit wie möglich — aber wo er nicht funktioniert, Ersatz oder Ergänzung durch Maßnahmen der administrativen Preispolitik.

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