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Die Ziele der Kartellgesetzgebung

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Das jetzt am 4. Juli 1951 vom Nationalrat beschlossene Kartellgesetz ist das erste österreichischen Ursprungs; aber schon nach der Jahrhundertwende beschäftigte sich eine lebhafte öffentliche Diskussion und sogar schon mit einzelnen Entwürfen das damalige Abgeordnetenhaus, ohne daß aber die Beratungen bis zu einem Gesetz gereift wären. Lediglich Paragraph 4 des Koalitionsgesetzes vom 7. April 1870, Nr. 43, kam in Betracht, wenn man etwa gegen „Verabredungen von Gewerbsleuten“ betreffend Preiserhöhungen „zum Nachteile des Publikums“ einschreiten wollte. 1938 erfolgte die Ausdehnung der deutschen Kartellgesetzgebung auf Österreich, die zwar noch in Geltung ist, aber mangels organisatorischer Voraussetzungen seit 1945 nicht gehandhabt werden kann.

Nun wird die bestehende Gesetzeslücke durch ein eigenes österreichisches Gesetz ausgefüllt. Der Nationalrat hatte bereits 1948 den Handelsminister in einer Entschließung aufgefordert, im Einvernehmen mit dem Justizministerium einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Handelsmonopole und Preiskartelle untersagen sollte, die nicht durch Gesetz ausdrücklich geregelt sind. Es wurde dann auch nach eingehenden Vorarbeiten schließlich von der Bundesregierung ein Gesetzentwurf eingebracht, der im Nationalrat in eingehenden Ausschußverhandlungen unter Beiziehung zahlreicher Fachexperten stark umgearbeitet wurde; die Entscheidung für eine gesetzliche Regelung des Kartellwesens war damit auch in Österreich gefallen. In der Tat war sie schon sehr dringlich geworden, denn der sich seit 1945 entwickelnde Übergang von staatlicher Befehlswirtschaft zur freien Wirtschaft hat naturgemäß dazu geführt, daß die Wirtschaft die frühere staatliche Regelung der Marktbeziehungen durch Privatvereinbarungen zu ersetzen sucht. Auch auf dem Gebiete der Preisbildung traten gewisse Erscheinungen zutage, die an die Wichtigkeit des Problems mahnten.

Die Probleme der Kartellbildung

hängen eng mit den Problemen der Marktwirtschaft und Preisbildung zusammen. Die liberale These ging bekanntlich von der wirtschaftspolitischen Annahme aus, daß das freie Spiel der individuellen Kräfte zum volkswirtschaftlich günstigsten Erfolg führt. In der arbeitsteiligen Gesellschaftswirtschaft kann das freie Spiel der Kräfte freilich nur dann zu einem sinnvollen volkswirtschaftlichen Zusammenspiel führen, wenn das Zusammenspiel gesteuert wird, wobei diese Aufgabe anerkanntermaßen dem Preissystem zufällt, übersteigt der Bedarf das Angebot, so bilden sich hohe Preise. Diese bilden günstige Voraussetzungen zur Produktionsausweitung und eine Hemmung der Kauflust, so daß nach einiger Zeit zwischen Angebot und Nachfrage Gleichgewicht herrscht. Im umgekehrten Fall, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, fallen die Preise und bewirken einen Anreiz zum Kaufen bei gleichzeitiger Drosselung der Produktion, so daß auch unter solchen Umständen nach einiger Zeit Angebot und Nachfrage in einem gesunden Verhältnis stehen werden. Für die praktische Wirtschaftspolitik problematisch werden Marktpreise auf Märkten, auf denen die Bedingungen der freien Konkurrenz nicht gegeben sind. Befindet sich ein Markt in einem Zustand, den man nicht mehr als Wettbewerbszustand bezeichnen kann, so besteht keinerlei Gewähr, daß auf diesem Markt ein Preis entsteht, der die Wirtschaft sinnvoll leitet. Solche häufige Fälle, in denen das Monopol-

element gegenüber dem Konkurrenzelement überwiegt, sind

das Naturmonopol, bei dem Stoff und Leistungen, die nur an gewissen Orten der Erde gefunden werden, aus technischen und natürlichen Gründen nicht von einer großen Zahl von Anbietern hervorgebracht werden können;

das Rechtsmonopol, begründet durch staatliche Verleihung des ausschließlichen Produktions- oder Verkaufrechtes; ferner

die Betriebsmonopole, wenn die Gesamterzeugung in ein em einzigen Betrieb konzentriert ist oder sich verschiedene Unternehmungen eines Wirtschaftszweiges zu einer In-teressengemeinschaft zusammenschließen.

Die Kartellbildung ist anfänglich immer eine Reaktion gegen maßlose Konkurrenzl Zu den positiven Wirkungen zählt diese konjunkturausgleichende und marktstabilisierende Funktion der Kartelle, die den Mitgliedern der Vereinbarung jedenfalls eine stetige, rationelle Produktion und gleichmäßigen Absatz sichern, wodurch Krisen gemildert und das Kapitalrisiko verringert werden. So ist zum Beispiel Produktion und Absatz sogenannter Markenartikel fast immer auf Grund von Kartell vertragen oder wenigstens kartellähnlichen Vereinbarungen erfolgt. Die einheitliche Preisfestsetzung

bei Markenartikeln dient nicht nur den Interessen der Ware und des Unternehmens, sondern in einem nicht unbedeutenden Maße auch dem Schutz der Konsumenten. Den Arbeitnehmern sichert das Kartell vielfach eine gleichmäßigere und stetigere Beschäftigung. Die mit der monopolistischen Stellung auf dem Markt verbundene Macht kann also unzweifelhaft zur Ordnung der Produktion und des Absatzes, also zur Steigerung der öffentlichen Wohlfahrt, eingesetzt werden. Zu den Schattenseiten der Kartellbildung zählt aber die vielfach hemmungslose Verschärfung des Konkurrenzkampfes mit den der Vereinbarung nichtbeigetretenen Unternehmern fowie das Preisdiktat der Kartelle.

Kartelle sind deshalb oft zunächst Kinder der Not, nur herrscht in bezug auf einen Tatbestand unter den Nationalökonomen fast aller Anschauungen eine Übereinstimmung: In vielen Fällen haben sich diese Kinder der Not nämlich zu gar nicht notleidenden Erwachsenen entwickelt, die sich in ihrer Machtstellung nicht nur recht behaglich fühlen, sondern sich gelegentlich oder dauernd auf dem Markt so verhalten, daß sie schädlich und den Gemeininteressen entgegengesetzt wirken.

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