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Das brisante Produkt

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Der jüngste Medienschock — hervorgerufen durch neuerliche Geschehnisse auf dem Wiener Zeitungsmarkt — fiel zeitlich zusammen mit der Präsentation von Medienkonzepten der beiden großen österreichischen Parteien. Was schon anläßlich des Verkaufes des „Express“, spätestens jedoch nach erfolgtem Verkauf des „Kurier“ durch Polsterer hätte stattfinden müssen, wird nunmehr erneut „in Angriff genommen“: ein zeitgemäßes Medienrecht.

Daß Österreichs veraltetes Pressegesetz den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird, war schon bald nach 1945 erkennbar; damals wurden auch die ersten Schritte zu einer Reform des Presserechts gesetzt, Initiativen, die bis heute zu keinem Ergebnis führten, weil bislang das Interesse der Parteien, die Medien zu gängeln, größer war als die Einsicht, wie dringlich eine Reform ist

Die Medienkonzepte liegen nunmehr vor. Insbesondere die Kapitel „Presse“, „Fernsehen“, „elektronische Medien“ verdienen Beachtung. Obwohl die beiden Großparteien über weite Strecken hinsichtlich der Redakteurstatute oder Entkriminali-Bierung des Pressegesetzes konform gehen, zeigen sich in einigen Kernfragen interessante Divergenzen.

In puncto ORF bieten die beiden Konzepte keine Offenbarungen, sondern legen die bereits mehrmals geäußerten Ansichten erneut dar. Bezüglich der „neuen Medien“ (Kabel-und Kassettenfernsehen) sagt das SP-Konzept: „Die Produktion von Bildplatten und Bildkassetten wird privatwirtschaftlich organisiert sein. Für einen Einfluß der öffentlichen Hand ist rechtzeitig zu sorgen.“ Was das Kabelfernsehen betrifft, so schwebt den Sozialisten eine Gesellschaft vor, „deren Mehrheit sich im Besitz der öffentlichen Hand befindet“. Die ÖVP hat sich auf diesem Gebiet nicht festgelegt, betont jedoch ein Mitspracherecht des ORF bei Konzessionserteilungen; was eine Beteiligung des Bundes oder von Gebietskörperschaften betrifft, so wird deren Möglichkeit begrüßt, wenn es sich um pädagogische oder Informationsaufgaben handelt, nicht jedoch, wenn die Unterhaltungsfunktion im Vordergrund steht.

Beide Parteien betonen jedoch den besonderen Nutzen des Kabelfernsehens für den Bereich der lokalen Information und der außerschulischen Weiterbildung.

Was das Zeitungswesen betrifft, so engeben sich beim Vergleich der beiden Konzepte zwei wesentliche Differenzen, und zwar sowohl bei der künftigen Verhinderung von Konzentrationen wie auch bei der Presseförderung.

Das SP-Konzept, für das der Medienexperte Blecha federführend ist, bezeichnet als langfristiges Ziel „sozialdemokratischer Medienpolitik die Trennung der ökonomischen Macht von der Verfügungsmacht über die Medien“. Das bedeutet für die Presse, daß „marktbeherrschende Presseunternehmungen rechtlich verpflichtet werden sollen, die Vielfalt der Meinungen und Informationen zu garantieren“. Bereits hier zeigt sich jedoch eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Konzepte: beide sind — als Diskussionsgrundlage konzipiert — noch zuwenig konkret und Vertreter beider Parteien drücken sich derzeit noch um genaue Definitionen. Eine Erklärung der Begriffe Marktbeherrschung, Monopol, Teilmonopol, demokratische Kontrolle, Meinungsvielfalt steht noch aus.

Das ÖVP-Konzept formuliert in diesem Zusammenhang: „Die privatwirtschaftliche Organisation der Medien hat sich in Österreich bewährt. Eine breite Medienstreuung ist der beste Garant für Meinungsplurali-tät.“

Es sei an dieser Stelle vermerkt, daß auch die Wirtschaftsverfassung der USA (des Landes, das als Eldorado der freien Marktwirtschaft gelten kann) über eine sehr extensive Anti-Trust-Gesetzgebung verfügt. Es erscheint dringlich, ähnliche Modelle auch in Österreich zur Diskussion zu stellen, um so mehr, als es sich im gegebenen Fall nicht um Stahl oder Bier, sondern um das brisante Produkt „Meinung und Information“ handelt.

Bezüglich der Presseförderung macht der SP-Entwurf keine klare Aussage, während das ÖVP-Konzept eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, die sich zum Teil mit denen des österreichischen Herausgeberverbandes decken. Gerade die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, daß eine effiziente Förderung der Presse unter Umständen den wirtschaftlichen Druck verringern könnte, der den besten Nährboden für Pressekonzentration darstellt Der Entwurf sieht die Schaffung eines „Medienrates“ in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vor (beim ORF war die ÖVP ursprünglich gegen den sozialistischen Vorschlag einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, hat aber in der Zwischenzeit ihre Bedenken fallengelassen; vielleicht bahnt sich hier — wenigstens bezüglich der Rechtsform — eine Einigung der Parteien an). Dieser Medienrat soll über einen Fonds verfügen, der durch Beiträge der Länder und des Bundes gespeist wird. Dadurch soll eine direkte staatliche Subvention vermieden werden die unter Umständen ein Abhängigkeitsverhältnis hervorrufen könnte. Dieser Fonds könnte nicht nur durch Subventionen im engeren Sinn, sondern etwa auch durch günstige Kredite notleidenden Blättern die rettende Kapibalinjektion geben.

Weitere Möglichkeiten einer gezielten Presseförderung liegen vor allem in der Senkung bestimmter Tarife (Telephon, Fernschreiber, Porto, Strom) und in steuerlichen Begünstigungen.

Ausländische Beispiele — wie etwa Italien — haben die Gefahren und Konsequenzen von massiven Pressekonzentrationen aufgezeigt. Nicht nur aus diesen Fehlern sollte man in Österreich die Lehren ziehen, sondern auch aus den positiven Versuchen, die in Sachen Presseförderung in zahlreichen Staaten diskutiert beziehungsweise praktiziert werden, zum Beispiel in Skandinavien und in der Schweiz. (Siehe dazu auch den Artikel „Gegängelte Riesen“ in der FURCHE Nr. 3/1974.)

Bei Karl Steinbuch ist zu lesen: „Information ist Anfang und Grundlage der Gesellschaft.“ In Abwandlung dieses Satzes könnte man sagen, daß die gesicherte Vielfalt des Medienmarktes Anfang und Grundlage einer pluralistischen Gesellschaft ist, der Meinungseintopf jedoch sicherlich ihr Ende.

Die Medienvielfalt aber kann nicht erhalten werden, wenn abseits ' vom Boulevard mit seinen Massenauflagen und Riesengewinnen oder Riesen Verlusten jede herausgeberische Tätigkeit den wirtschaftlichen Selbstmord bedeutet und ohne Subventionsgeber unmöglich ist.

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