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Das Monopol muß fallen;

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Entmonopolisierung ist das gängige Schlagwort in der europäischen Medienlandschaft. Nur Österreich bildet noch immer das Schlußlicht in dieser Entwicklung.

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Entmonopolisierung ist das gängige Schlagwort in der europäischen Medienlandschaft. Nur Österreich bildet noch immer das Schlußlicht in dieser Entwicklung.

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1974 war es soweit. Die SPÖ änderte das Rundfunkgesetz, trotz massiver Einwände von ÖVP und FPÖ. Dem ging eine lange Zeit der Vorbereitung voraus, die uns manches lehrt.

Zunächst ein prinzipieller Punkt. Bürgerliche Parteien werden Medien und bei diesen wiederum den Rundfunk als wesentlichen Bereich immer anders se-

hen als Parteien, die sich auf den alten Marx in Abstammung und Geisteshaltung berufen. Bürgerliche werden letztlich Medien als Partner und Makler der Information verstehen. Von Marx abstammende Parteien denken da anders: Medien sind Instrumente, die man benutzt, um die Gesellschaft auf den richtigen Weg zu bringen.

Wer so ganz grundsätzlich unterscheidet, geht auch mit Medien grundsätzlich anders um. Mit Partnern muß man sich einigen. Instrumente benutzt man.

1971 fand die SPÖ einen durch Rundfunkvolksbegehren und, damit verbunden, durch Rundfunkgesetz geänderten ORF vor. Dagegen, vor allem gegen den nach dem Geschmack der Machthaber zu selbständig agierenden Generalintendanten Gerd Bacher, gab es zunehmend Bedenken. Als die verbale Erziehung und Zurechtweisung nichts fruchtete, wurde im Februar 1973 zunächst eine Kommission vom Ministerrat eingesetzt. Da der Ministerrat monocolor SPÖ war, war die Kommission grundsätzlich darauf abgestimmt, wenn man von ein paar Alibipersonen absieht.

Ganz habdas nicht funktioniert, und es mußte durchgegriffen werden. Eine Gesetzesvorlage wurde eingebracht, deren Kern die Punkte waren:

Beschneidung des Generalintendanten, Teilung der Fernsehdirektion in zwei Intendanten und eine Schlechterstellung der Kompetenz der Länder. Natürlich auch einige Verzierungen, wie eine Beschwerdekommission oder die Direktwahl der Hörer- und Sehervertretung.

Was nicht in den Papieren stand, aber de facto seit Amfang 1973 wirkte, war die Verunsicherung des Unternehmerjs. Was immer am Ende der Verhandlungen stehen würde, die leitenden Herren, vom Generalintendanten über die vielen Etagen der Organisation bis hin zu einfachen Redakteuren, mußten sich in Diskussion gebracht fühlen. Der Regierungschef hatte verkündet, daß man alles ändern werde. So ging es Monat für Monat bis zum Dezember.

1974 ging es dann Schlag auf Schlag. Eine Frist wurde gesetzt Der Verfassungsausschuß mußte mit Mehrheit beschließen. Am 9./ 10. Juli war die Sache im Plenum des Nationalrates, am 16. Juli im Bundesrat, am 19. Juli im Bundesgesetzblatt und am 21. Juli erschien bereits die Ausschreibung des Generalintendanten. Rein zufällig hatte ein Nachrichtenmagazin eine Titelgeschichte mit einem Sektionschef aus dem Justizministerium, der als besonders geeignet dargestellt wurde. All das geschah mit Mehrheit. Nach einiger Zeit wurde auch mit Mehrheit der genannte Sektionschef zum Generalintendanten gewählt.

Was ist die Lehre daraus. Zunächst, daß es in der Medienlandschaft mit dem alles umfassenden Monopol einen Angelpunkt gibt, der zur Eroberung geradezu auffordert. Wer im ORF das Sagen hat, hat für die Riesenbereiche Hörfunk und Fernsehen die Kontrolle. Man soll den Rundfunk nicht überbewerten, und der Bürger bildet sich zweifellos aus einer Fülle von Quellen seine Meinung.

Man soll aber nicht unterschätzen, daß die stündliche Radionachricht eine Informationsgrundlage für den Bürger schafft. Keineswegs darf man aber übersehen, daß täglich um 19.30 Uhr bei „Zeit im Bild“ immerhin die Hälfte der erwachsenen Österreicher darauf wartet, in Ton und Bild erklärt zu bekommen, was am Tag geschehen ist.

Eine andere Lehre ist, daß es offenkundig möglich war, durch brutale und konsequente Machtpolitik als Mehrheit in einer für die Demokratie so wichtigen Frage der Minderheit den Willen aufzuzwingen.

Manches davon ist strukturell und wird sich trotz der Lehre aus der Geschichte wiederholen. Jedoch eines kann man ändern: Das Monopol. Den begehrlichen Politiker wird es immer wieder geben, der seine Partei hineinführt in die Eroberung des Monopols von Radio und Fernsehen, weil damit zentrale Bereiche der Informationsgesellschaft erreicht werden.

Die europäische Diskussion hat sich schon längst dorthin bewegt, und in den meisten europäischen Demokratien hat die Verwirklichung der Entmonopolisierung im Rundfunkbereich eingesetzt. Großbritannien und Italien sind längst schon historische Stationen. In der Bundesrepublik gibt es in den meisten Bundesländern bereits private Stationen und neben den zwei öffentlichen Anstalten, ARD und ZDF, auch bereits zwei Großanbieter im Femsehbe- reich.

In Frankreich, einem Land, in dem Rundfunkpolitik immer in kräftigen Schüben geschehen ist, ist der große Schritt zur Privatisierung auch mit großen Transaktionen verbunden gewesen. Sieht man vom Osten ab, ist Österreich ein Schlußlicht der Rundfunkentwicklung geworden.

Aber die Entwicklung weg vom Monopol geschieht nicht nur innerhalb der nationalen Grenzen. Dazu kommt der Satellit als neues Verbreitungsmittel und damit auch das Ende der Herrlichkeit, durch Mauern an den Landesgrenzen den freien Fluß der Information abzuschirmen.

Auch Monopolherren können dem Ruf der internationalen Femsehkultur, ob er jetzt „Dallas“, „Dynasty“, „Derrick“ oder „Der Alte“ heißt, nicht entgehen. Bei solchem kann nicht einmal die nationale Qualitätsantwort des Monopols, etwa der „Kochstammtisch“ oder der „Musikantenstadl“, ein wirkliches Gegengewicht schaffen.

Aber, Medien in der Informationsgesellschaft sind nicht ausschließlich unter dem Quqjitäts- maßstab zu bewerten. Kann der Bürger wirklich mit einer Zeitung zufriedengestellt werden, oder muß letztlich nicht seine Auswahl, seine Entscheidung Ziel demokratiepolitischer Überlegung sein? Dazu braucht es aber, wie bei den Zeitungen täglich am Kiosk und in der Trafik zu sehen ist, das vielfältige Angebot.

Es ist letztlich die Vielfalt, die dem machthungrigen Politiker die Eroberung vergällt. Nach der Rundfunkgesetzänderung von 1974 konnte man in ganz Österreich im Radio und im Fernsehen natürlich kein schlechtes Wort mehr über diese Gesetzesänderung hören. Das Monopol, einmal politisch besetzt, konnte nicht mehr Träger der Kritik sein.

Solches ist ganz einfach nicht im Einklang mit dem, was unsere Demokratie an Zielsetzungen über Information und Informationsfreiheit kennt. Die Lehre aus 1974 ist nicht nur, daß es sich nicht wiederholen soll, sondern daß in absehbarer. Zeit auch das Rundfunkmonopol zu fallen hat.

Der Autor ist Abgeordneter zum Nationalrat und Mediensprecher der OVP.

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