Hinter der Chinesischen Mauer

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Das Gerangel um die dritte nationale Fernsehkette macht es deutlich sichtbar: Medienvielfalt ist in Österreich noch immer ein Fremdwort.

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Das Gerangel um die dritte nationale Fernsehkette macht es deutlich sichtbar: Medienvielfalt ist in Österreich noch immer ein Fremdwort.

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Wenn Medientycoon Rupert Murdoch zum Frühstück Tee trinkt, sprudelt er vor Visionen und gibt dabei seinen Kollegen am internationalen Medienparkett gute Ratschläge. Letzteres klingt in sensiblen Ohren bedrohlich, besonders dann, wenn man Murdochs globales Imperium bestehend aus Zeitungen, Fernsehketten und Verlagen vor Augen hat, das er mit eiserner Hand, viel Geschick, aber auch nach seiner Weltsicht regiert.

Spätestens seit seinem Zensurakt beim renommierten amerikanisch-britischen Verlag Harper Collins - der Australier hat anweisen lassen, das Buch des letzten Gouverneurs von Hongkong, Chris Patten, fallenzulassen - werden gegen Murdochs Entscheidungen weltweit schwere Vorwürfe wegen Unterdrückung der Meinungsfreiheit erhoben. Motiv für seine Eskapaden ist in diesem Fall die Eroberung des asiatischen Fernsehmarktes. Chris Patten hatte in seinem Buch die Machthaber in Peking scharf kritisiert, worauf der Medienmogul "Kill that fucking book" ins Telefon gebrüllt haben soll und den Vertrag mit Patten kündigte.

Murdochs Kollaboration mit den chinesischen Machthabern entspringt aber nicht nur dem Wunsch, in Asien Geschäfte zu machen, sondern es geht ihm um viel mehr: Er träumt von einem weltumspannenden Fernsehnetz, unter seiner Ägide, und dabei gilt es, den noch weißen chinesischen Fleck auf der Landkarte zu erobern. Mit diesem Coup hätte er dann auch seine Konkurrenten Viacom und Time Warner endgültig abgehängt. Ein gruseliges Szenarium, das jeden Ratsuchenden wie zum Beispiel Herbert Kloiber gründlich abschrecken sollte.

Wie die Presse am 28. Juli berichtete, soll Kloiber, neuer Haupteigentümer des privaten Kabelsenders Wien1 vor einigen Monaten ein Treffen mit dem Mediengiganten arrangiert haben; es wird vermutet, daß Österreichs verzwickte medienpolitische Lage eines der Gesprächsthemen war. Kloiber, Besitzer der Filmfirma Tele München, ist bei RTL2 beteiligt und hat den deutschen Sender TM-3 aufgebaut, wo sich Rupert Murdoch vor nicht allzu langer Zeit eingekauft hat. Damit sind Kloibers Kontakte zu dem Australier erklärt. Ob seine Partnerschaft der ohnehin starren österreichischen Medienlandschaft Gutes verheißen wird, bleibt allerdings noch abzuwarten.

Die österreichischen Pläne des Münchner Filmhändlers sind jedenfalls ehrgeizig. Kloiber fordert die Einführung von terrestrischem Privat-TV (Empfang via Hausantenne), ist sich aber mit seinem neuen Geschäftsführer Tillmann Fuchs, der Karl Matuschka ablöste, nicht einig. Denn der sieht die Lage und das Gerangel in der österreichischen Medienpolitik realistischer und geht von dem aus, was kurzfristig Erfolg bringen könnte. Fuchs, ehemals in der Chefredaktion von RTL tätig, setzt auf die Erweiterung der technischen Reichweite im Kabelnetz, und versucht die Kabelbetreiber in den Bundesländern für sein Projekt zu gewinnen. Sein Ziel: 850.000 Haushalte sollen mit einem Vollprogramm unter dem neuen Namen Austria TV (ATV) gewonnen werden, aber als österreichische Alternative zu den deutschen Privatsendern und nicht zum ORF.

Damit möchte Fuchs im Gegensatz zu Kloiber das politische Hickhack um die Frequenzvergabe für eine dritte nationale Fernsehkette umgehen. Kloiber dagegen scheute sich nicht, einen der wundesten Punkte der heimischen Politik zu berühren, indem er Interesse an einer entsprechenden Lizenz für seine private Kabel-TV-Station Wien1 anmeldete. Das sorgte für einigen Aufruhr im heimischen Medienbetrieb.

Erinnert man sich an den über zehn Jahre dauerenden Koalitionsstreit rund um die Liberalisierung der Radios wird die unglaubliche Rückständigkeit Österreichs in puncto Medienvielfalt umso sichtbarer auch im Hinblick, daß in anderen Ländern wie zum Beispiel Deutschland ein duales Rundfunksystem - öffentlich-rechtliche Sender neben privaten - bereits seit langem existiert. Das deutsche Privatfernsehen feierte erst Anfang Septemer sein 15jähriges Jubiläum - unter anderem mit der Einweihung des neuen SAT.1-Studios in Berlin.

Das politische Tauziehen in Österreich setzt sich bei der Vergabe der dritten nationalen Fernseh-Sendekette weiter fort, die der ORF insgesamt für die Einführung digitalen Fernsehens zu beanspruchen versucht. Dabei handelt es sich um neunzig freie Frequenzen. Eventuelle private Interessenten sollen auf Vorschlag des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ) die Möglichkeit haben in einem regionalen Fenster im Programm ORF2 senden zu können.

Die Forderung des VÖZ und des ORF könnte bald hitzige Diskussionen auslösen, insofern, weil es auch auf dem TV-Sektor das Sendemonopol des ORF gründlich in Frage stellt. Kritiker bezweifeln, daß der Rundfunk alle Frequenzen für die Einführung digitalen Fernsehens wirklich braucht. Außerdem müßten die Haushalte mit entsprechenden Empfangsgeräten ausgestattet werden, ein Ziel, das selbst in Deutschland vermutlich erst in zehn Jahren verwirklicht werden kann. Ohne die Einführung von terrestrischem Privat-TV würde Österreich einen Teil seiner medialen Entwicklung überspringen, und sich jener Vielfalt verweigern, die einer pluralistischen, fortschrittlichen und mündigen Gesellschaft anstünde.

Deshalb ist die Ablehnung des privaten Rundfunks weit über die Grenzen ihres Landes bekannter Medienmacher wie zum Beispiel Marion Gräfin Dönhoff, Herausgeberin der Qualitätszeitung Die Zeit, mit Vorsicht zu genießen, da immer erst die Situation der Medien im jeweiligen Land genau eingeschätzt werden muß.

Anfang des Jahres meinte sie dazu: "Ein Hauptschuldiger für die Boulevardisierung der Medienlandschaft ist für die Deutschen das Privatfernsehen. Haben Sie das in Österreich auch? Wenn nicht, dann müssen sie es unbedingt aufhalten." Sie hat recht - und auch wieder nicht. Das Argument des "Einheitsbreis" hält nicht stand, wenn Fernsehsender wie der deutsch-französische Kultursender ARTE oder der Informations- und Dokumentationssender PHOENIX in Deutschland Erfolg haben. Schuld an der Boulevardisierung ist letztlich die wirtschaftliche Lage, die kleinen alternativen Sendern - egal ob Hörfunk oder TV - die meistens auch ohne adäquate oder staatliche Förderungen bleiben, keine Überlebensmöglichkeit bietet. Daher steht Armin Thurnhers Forderung am Ende seines wöchentlichen Leitartikels im Falter: "Im übrigen bin ich der die Meinung, die Mediaprint muß zerschlagen werden", nicht nur stellvertretend für die Verhinderung ökonomischer Konzentrationsprozesse, sondern auch dafür, daß es in Österreich erst einmal darum gehen sollte, Medienvielfalt mit allen Vor- und Nachteilen weiter zu verwirklichen.

Dafür kämpft auch Chefredakteur und Miteigentümer von Salzburg TV (zu empfangen nur mit Kabelanschluß), Ferdinand Wegscheider. Die Bevölkerung ist, und das ist auch Teil der maroden medienpolitischen Situation, wenig sensibilisiert und informiert. Seit Monaten sammelt er Unterschriften und versuchte mit Protestaktionen - auch bei den Salzburger Festspielen - auf die Mißstände und Versäumnisse der österreichischen Medienpolitik hinzuweisen. Vor allem geht es ihm und seinen Mitstreitern darum, terrestrischen Fernsehempfang zu ermöglichen. Wenig bekanntes Detail am Rande ist, daß hierzulande der Empfang von Privatfernsehen mit Hausantennen verboten ist, und daß Österreich dafür bereits vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der darin eine wesentliche Verletzung der freien Meinungsäußerung feststellte, verurteilt wurde.

Seither verspricht die Bundesregierung ein Gesetz, das den Privat-TV-Empfang regelt. Das war 1993. Passiert ist bisher eigentlich noch nichts. Die Etablierung einer Medienanstalt (eine unabhängige Regulierungsinstitution, die den Medienmarkt kontrolliert), die es mit Start der Privatradios eigentlich schon hätte geben sollen, um sich objektiver Medienpolitik einmal überhaupt erst anzunähern, ist bisher nicht gelungen. Auch wenn die Erfahrungen mit den Landesmedienanstalten beim deutschen Nachbarn nicht immer gut waren, wäre es notwendig gewesen, solche Institutionen fern von jeder Parteipolitik zu gründen. Statt dessen gab es seit dem Frühjahr eine im Bundeskanzleramt eingerichtete Abteilung, die Experten nur als billigen Ersatz bezeichneten.

Kritische Stimmen, die versuchten darauf aufmerksam zu machen, daß der Frequenznutzungsplan für die Privatradios in einzelnen Bundesländern bis zu sechzig Frequenzen pro Lizenz vorsieht, blieben ungehört. (Spitzenreiter ist Tirol mit 57 Frequenzen bei nur einer Lizenz). Aufgabe einer unabhängigen Medienanstalt wäre es, genau diese Mißstände aufzugreifen und dementsprechende Maßnahmen zu fordern. Wenn der ORF in weiterer Folge die gesamte dritte TV-Sende-Frequenzkette zugesprochen bekommt, würde es im Fernsehbereich jenen Mißstand geben, der auch schon beim Radio vorhanden ist und von vornherein jede Vielfältigkeit abwürgt.

Wie kompliziert die Sache sein kann, auch am öffentlich-rechtlichen Mediensektor überhaupt irgend etwas zu verändern, das zeigte auch der Parteienstreit bei der Umwandlung des ORF in eine Aktiengesellschaft. Die Absicht mit einer neuen Gesellschaftsform den Parteieneinfluß zu minimieren, wurde durch die unterschiedlichen Positionen der Koalitionsverhandler langsam aufgerieben.

Lange dauerte auch der Konflikt zwischen VÖZ und ORF, die sich nun beide auf den Start einer Internet-Plattform geeinigt, um weltweit gegenüber großen Internetprovidern konkurrenzfähig zu sein. Solche Kooperationen sind notwendig, auch, um das Monopol der Mediaprint zu Fall zu bringen. Böse Erfahrungen in der Vergangenheit und auch heute, derzeit steht die Tiroler Tageszeitung erklärtes Feind des Printriesen, zeigen die Notwendigkeit und den Handlungsbedarf, allein es fehlt der der politische Gestaltungswille - oder aber auch nicht?

Im letzten halben Jahr wollte Bundeskanzler Viktor Klima eine Expertise ordern, die sich mit analoges Privatfernsehen oder sanfte Umstellung der ORF-Programme auf digitale Übertragung beschäftigt, daraus ist jüngsten Meldungen zufolge nichts geworden, Bundesminister Wilhelm Molterer, der Mediensprecher der ÖVP, plädierte im Sommer bei einer Pressekonferenz für terrestrisches Privat-TV, Staatssekretär Peter Wittmann forderte im April bei einem Hearing die Optimierung der Frequenzfindung durch private Fachfirmen. Vergessen wird dabei, daß noch nicht einmal technische, kartellrechtliche, vernünftige Rahmenbedingungen existieren, um überhaupt Privat-TV professionell betreiben zu können. Die Regierungsvorlage zum Privat-TV-Gesetz selbst, die vorläufig eine nationale Privat-TV-Frequenzkette vorsieht, liegt seit Monaten beim Unterausschuß. Mit einer Beschlußfassung rechnete vor den Wahlen sowieso keiner mehr.

Angesicht dieser Vorgänge könnte manch Außenstehender boshaften Gemüts versucht sein, das Dilemma so zu beschreiben: Österreich umgibt noch immer eine Chinesische Mauer, mit der man sich vor fremden Einflüssen abschottet. Sie ist zwar unsichtbar, dahinter gibt es aber allerlei Kurioses, und es wird in vielen Belangen, nicht nur in der Medienpolitik, souverän "fortgewurstelt". Das schließt zwar grundsätzlich aus, daß es an Untätigkeit mangelt, bewegen tut sich deshalb trotzdem nichts.

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