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Das Rundfunkmonopol steht zur Diskussion

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Man spricht von einem „staatlichen Rundfunkmonopol" in Österreich, aber korrekterweise müßte man sagen, daß Rundfunk, also Radio und Fernsehen, derzeit nur als öffentlich-rechtliches Unternehmen betrieben werden dürfen. Soll es künftig auch privaten Gesellschaften erlaubt sein, Rundfunkprogramme zu produzieren und auszustrahlen? Die technische Entwicklung der elektronischen Medien hat die Debatte darüber in Österreich wie in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. „Spiegel" Nr. 51/1979 und „Zeit", 1979-12-21) neu aufleben lassen. Im ORF-Zentrum Wien-Küniglberg veranstalteten der Verband katholischer Publizisten Österreichs und der Club(M) (Verein für christliche Medienarbeit) am 14. Dezember eine Diskussion darüber. Die FURCHE bringt heute und in der folgenden Nummer Stellungnahmen einiger namhafter Diskussionsteilnehmer.

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Man spricht von einem „staatlichen Rundfunkmonopol" in Österreich, aber korrekterweise müßte man sagen, daß Rundfunk, also Radio und Fernsehen, derzeit nur als öffentlich-rechtliches Unternehmen betrieben werden dürfen. Soll es künftig auch privaten Gesellschaften erlaubt sein, Rundfunkprogramme zu produzieren und auszustrahlen? Die technische Entwicklung der elektronischen Medien hat die Debatte darüber in Österreich wie in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. „Spiegel" Nr. 51/1979 und „Zeit", 1979-12-21) neu aufleben lassen. Im ORF-Zentrum Wien-Küniglberg veranstalteten der Verband katholischer Publizisten Österreichs und der Club(M) (Verein für christliche Medienarbeit) am 14. Dezember eine Diskussion darüber. Die FURCHE bringt heute und in der folgenden Nummer Stellungnahmen einiger namhafter Diskussionsteilnehmer.

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Sondersituation

Von GERD BACHER

Ich möchte die Glaubenskriege und den Dogmenstreit um das Rundfunkmonopol nicht anheizen und beschränke mich auf einige Fakten, die in der Diskussion meist untergehen:

1. Schon der Titel dieser Diskussion ist irreführend: „Ende des staatlichen Rundfunkmonopols?" In Österreich gibt es kein staatliches Rundfunkmonopol. Der ORF ist vor allem deswegen als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt verfaßt, um sich nicht im Besitz von Bund oder Länder zu, befinden. Er gehört sich selbst.

Einen Staatsrundfunk haben wir zum Beispiel in Frankreich, wo der Staatspräsident de facto auch oberster Rundfunkchef ist und das Spitzenmanagement ernennt. Wenn wir in Österreich einen Staatsrundfunk hätten, wäre ich mit Sicherheit nicht wieder Generalintendant geworden.

2. Von den Gegnern des Monopols wird behauptet, daß der Rundfunk ein Medium wie jedes andere sei und daher prinzipiell jedermann Rundfunk machen dürfen soll, wie ja auch jedermann eine Zeitung herausgeben darf.

Die Befürworter öffentlich-rechtlicher Monopole verweisen auf die durch Wirkungsforschung international gesicherte These, daß Fernsehen nicht eines von vielen Massenmedien ist, sondern eine Kategorie für sich darstellt. Kein anderes Medium veränderte die Lebensgewohnheiten der Menschen und die Praxis der politischen Gesellschaft in einem mit dem Fernsehen auch nur annähernd vergleichbaren Umfang. Fernsehen steht zum Beispiel in den USA nach Schlafen und Arbeiten an dritter Stelle im Zeitbudget. Kein vernünftiger Mensch wäre je auf die Idee gekommen, den Zeitungs- oder Bücherkonsum zeitlich zu beschränken.

Sehr viele vernünftige Menschen in aller Welt fordern dies für das Fernsehen. Ein dermaßen zwingendes Medium ist nicht mit den herkömmlichen Kriterien von free enterprise zu messen.

3. Was die sogenannte Programmvielfalt anlangt, gibt es kein internationales Beispiel dafür, daß privat-wirtschaftlich organisierte Rundfunkländer bessere Programme als öffentlich-rechtliche Monopole erbringen. Im Gegenteil: Überall, wo Fernsehen privatwirtschaftlich betrieben wird, kommen hochwertige Information, Kulturprogramme und Minderheiten unter die Räder.

4. Was für die Programmvielfalt gilt, ist gleichermaßen belegt für die Informationsvielfalt. Prominentestes Beispiel dafür, daß viele private Gesellschaften nicht zu vielen verschiedenen Meinungen führen, war die Fernsehberichterstattung in den USA zum Vietnamkrieg. Alle amerikanischen TV-Gesellschaften marschierten in der gleichen Einmütigkeit in den Vietnamkrieg hinein wie aus demselben heraus.

5. Die österreichische Monopoldiskussion müßte zusätzlich von zwei Sonderkonditionen bestimmt sein:

• Der ORF ist der größte Radio-und Fernsehproduzent im deutschen Sprachraum. Kein anderes in der Größenordnung mit Österreich vergleichbares Land verfügt über eine Rundfunkanstalt, die täglich drei Radio- und zwei Fernsehprogramme mit 120 Radio- und 15 Fernsehstunden anbietet.

• Radio und Fernsehen hängen hinsichtlich ihrer Machbarkeit existentiell von der Finanzierungskraft des jeweiligen Marktes ab. In kleinen Ländern mit kleinen Märkten, mit einem kleinen Gebühren- oder Werbeaufkommen ist - unabhängig von medienpolitischen Dogmen - nicht möglich, was in großen Rundfunk-

landschaften wie der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Frankreich usw. durchaus realisiert werden kann.

6. Von der Aufhebung des ORF-Monopols wären die anderen Medien und wäre die österreichische Gesellschaft paradoxerweise zumindest so stark - ja, ich glaube, viel stärker als der ORF betroffen. Die wichtigsten vorhersehbaren Konsequenzen:

• Die österreichische Medienlandschaft würde geradezu erdbebenartige Umschichtungen erfahren.

• Die wirtschaftliche Lage der Zeitungen würde noch prekärer werden, die kleinen hätten es noch schwerer, die großen würden noch größer. In diesem Zusammenhang ist auch die Überlegung kein Trost, daß die Verleger dann statt florierender Zeitungen florierende Rundfunkstationen hätten. Es geht ja in dieser Diskussion nicht primär um das Schicksal der Verleger, sondern um jenes der Medien, der Zeitungen.

• Das an sich in Österreich zu geringe kreative Personal der Zeitungen und des ORF würde weiter verdünnt werden.

(Der Autor ist Generalintendant des österreichischen Rundfunks.)

Kontra Monopol

HERIBERT STEINBAUER

Immer wieder flackert die Frage nach dem ORF-Monopol auf. Dies wird sich in der nächsten Zeit intensivieren, hat doch sogar der Bundeskanzler eine Kommission zur Klärung der Zukunft dieser Frage angekündigt.

Was steckt dahinter? Zunächst einmal steckt dahinter, daß die technische Entwicklung des letzten Jahrzehnts viele Gründe für Rundfunkmonopolanstalten öffentlich-rechtlichen Charakters zum Verschwinden gebracht hat. Da war in den 50er Jahren, als das Fernsehen begann, einmal das Problem begrenzter Funkfrequenzen. Für Österreich hieß dies die internationale Zuteilung von zwei bis drei Frequenzen oder, für den Konsumenten, FS 1 und FS 2. Also zwei Fernsehprogramme und nicht mehr.

Die Zuteilungsschwierigkeiten sind durch die Verkabelung verschwunden. Heute hat man in Amerika Kabel mit der Möglichkeit des Transports von vierzig Programmen. Ende der 80er Jahre wird dazu noch der Satellit als Sendungsvermittler für ganze Länder hinzutreten.

Der zweite technische Grund lag in der Aufwendigkeit der Produktionskosten. Was in den 50er und 60er Jahren überdimensionierte Lastzüge mit schweren aufwendigen Kameras leisteten - Investitionen von 50 bis 70 Millionen Schilling - das leisten heute tragbare Kameras, die man in einem VW-Bus unterbringen kann. Die Kosten dafür sind ein Zehntel. Mit anderen Worten: der Schrump-

fungsprozeß in der Elektronik war nicht nur ein solcher der technischen Verkleinerung, sondern auch einer der Verbüligung. Fernsehproduktion ist heute viel erreichbarer geworden als vor zwei Jahrzehnten.

Es besteht also von der Technik her kein Grund mehr, zu sagen, nur eine Anstalt könne Fernsehen leisten. Das gilt auch für das Radio. Vielmehr tritt die Frage auf, warum Pressefreiheit nur für die auf Papier gedruckte Information anerkennenswert ist und nicht auch für das, was täglich an Information über Radio und Fernsehen angeboten wird?

Warum - so lautet die politische Frage - darf jedermann informieren, erziehen und unterhalten, wenn er es am Papier tut, und warum darf er das alles nicht tun, wenn er es mit den Möglichkeiten von Radio und Fernsehen tun will? Auf die Dauer ist die Beantwortung der Frage offenkundig: Das Rundfunkmonopol wird fällen, es läßt sich weder logisch noch politisch auf die Dauer halten.

Für Österreich gibt es einen einleuchtenden Paradefall dafür. Da fahren seit einem Jahr Österreicher Sommer für Sommer nach Italien und machen dort Radiosendungen. Redakteure der Zeitung „Die Presse" machen deutschsprachige Radiosendungen in „Radio Adria". Es sind deutschsprachige Sendungen von Österreichern für die im Sommer an die Adria gefahrenen Österreicher. Warum darf das in Italien geschehen und warum dürfen die Österreicher das in Österreich im Winter nicht anbieten?

Der Fall „Radio Adria" zeigt gleichzeitig, was an unseren Grenzen bereits geschieht. In Italien hat ein Verfassungsurteil die grundsätzliche Gleichheit von Radio und Fernsehen bestätigt. Das hat zunächst zu einem technischen Chaos geführt, aber auf die Dauer wird man in Italien nicht zu einer Monopolanstalt zurückkehren können.

Gleichzeitig diskutiert man im Norden in der Bundesrepublik Deutschland zusammen mit dem Streit um den Nordwestdeutschen Rundfunk über die Errichtung privater Rundfunkanstalten. Bis zum Wahltag im Oktober 1980 wird es wohl kein endgültiges Ergebnis dieser Diskussion geben. Danach wird eine neue Regierung aber diese Diskussion politisch auszustehen haben.

Die Wirklichkeit in Italien und eine mögliche Zukunft in Deutschland wird sich letztlich auf Österreich auswirken. Nun geht es dabei nicht um eine Zerstörung des ORF. Im Gegensatz zur amerikanischen Medienlandschaft ist es ein Kennzeichen der europäischen Rundfunksituation, daß eine nationale Anstalt mit hohen Qualitätsauflagen, mit der Verpflichtung zu Bildung und Objektivität existiert. Diese bestehende Rundfunkanstalt wird niemand zerstören.

Vielmehr muß man die Diskussion

darüber eröffnen, unter welchen Bedingungen neben der nationalen Rundfunkanstalt andere Radio und Fernsehen machen können. Das ist mit anderen Worten der „englische Weg". Da wurde ja auch neben der BBC die Möglichkeit für andere eröffnet. Das Resultat war, daß eine verkrustete BBC nichts an Qualität verloren, aber an Lebendigkeit dazu-gewonnen hat, und die unabhängigen Fernsehveranstalter neben ihrer Lebendigkeit schon aus Konkurrenzgründen Qualität bieten mußten. Ähnliche Entwicklungen wird man auch in anderen europäischen Ländern suchen. Darüber wird auch in Österreich zu diskutieren sein.

Die Diskussion ist unvermeidlich, denn die Zukunft der Medien wird sich nicht teilen lassen in eine sterbende Zukunft der Papiermedien und eine strahlende Zukunft der Elektronik von Radio und Femsehen. Im Verbund beider Wege, im wahlweisen Angebot, liegt die Medienzukunft.

(Der Verfasser ist der Mediensprecher der ÖVP und Mitglied des ORF-Kuratoriums.)

Gut überlegen!

Von FRANZ STAUBER

Es scheint zum guten Ton unserer Tage zu gehören, das Rundfunkmonopol weithin völlig unkritisch, aber mit viel juristischem Aufwand einfach zu verdammen und, ebenso wenig sachlich abwägend, sich alles Heil von möglichst viel privaten Rundfunkanstalten zu erwarten. Es darf dabei nicht verwundern, daß die oppositionellen Kräfte zu den Angreifern und jene, die sich an der Macht befinden, zu den Verteidigern gehören.

Gewiß bergen Monopole auch Gefahren in sich, und es tut ihnen sehr gut, sie immer wieder zu hinterfragen, wie das heute so schön heißt. Jedenfalls bedürfen sie ständiger aufmerksamer Beobachtung, ja, der. wirksamen Kontrolle.

Natürlich gibt es auch eine Reihe juristischer Überlegungen und Gründe, daß es nicht nur eine, sondern mehrere Rundfunkanstalten nicht nur geben könnte, sondern auch sollte. Ebenso bedürfen einige Ungereimtheiten zumindest des Nachdenkens, z. B., daß weitere Rundfunkprogramme Wohl „eingeführt", aber nicht im eigenen Land „erzeugt" bzw. „verkauft" werden dürfen.

Sich aber von mehr Rundfunkan-stalten auch schon mit Sicherheit mehr Vielfalt, höhere Qualität und auch mehr Freiheit - nämlich für den größten Teil des Volkes und nicht nur für einige wenige Kapitalsgewaltige -zu erwarten, scheint einfach ungerechtfertigt. In einem Rechtsgutachten über den Saarländischen Rundfunk zum Streit öffentlich-rechtlicher gegen privatrechtlicher Rundfunk heißt es:

„Beileibe nicht jede gesellschaftliche Gruppierung, die zur Aufrechterhaltung des pluralistischen Gleichgewichtes am Rundfunk beteiligt werden müßte, besitzt auch die wirtschaftliche und finanzielle Potenz, ein eigenes Rundfunkunternehmen zu betreiben. Im Endergebnis "würden sich also doch nur einflußreiche Wirtschaftsgruppen und finanzkräftige Intermediärgewalten des Rundfunks bemächtigen können. Es ist einsichtig, daß diese Ent-Wicklung zu einer gefährlichen Verzerrung des pluralistischen Gleichgewichts führen dürfte."

Die italienische Situation beweist ja, daß sich ini Wellen-Catch-as-catch-can nur die Stationen mit den bestausgestatteten Sendeanlagen durchzusetzen vermögen.

Aus all diesen Gründen scheint auch eine größere Vielfalt in keiner Weise garantiert, zumindest nicht auf dem Informationssektor. Auch dafür gibt es Beispiele: Eine Untersuchung, die den Zeitraum von 1975 bis 1977 umfaßt, stellt unter anderem fest, daß im amerikanischen Lokalfernsehen stets die Sensationsmeldungen Vorzug haben vor allen anderen Nachrichten und daß Hintergrund- oder Magazinsendungen praktisch nicht existieren.

Beim Kabelfernsehen ist trotz Expansion der Kanäle ein Rückgang der lokalen Sendungen zu verzeichnen. In Großbritannien war der staatliche Rundfunk laut dieser Untersuchung aus Konkurrenzgründen zu einer Informationsreduzierung gezwungen.

Nun zu dem Verlangen, daß man nie genug Freiheit haben könne: Freiheit ist gewiß ein sehr hoher Wert im menschlichen Leben. Man schätzt sie meist erst wirklich, wenn man sie entbehren muß. Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, ja wenn es sein muß, auch darum zu kämpfen.

Freiheit steht aber immer auch im Spannungsfeld mit anderen, ebenso bedeutsamen Werten. Freiheit kann und darf weder zum Selbstzweck noch zur Beherrscherin aller anderen .Werte werden. Das heißt mit anderen Worten, daß die Überlegungen zu einer eventuellen Umgestaltung des Rundfunksystems nicht ausschließlich vom,Begriff der Freiheit diktiert sein können.

Gerd Bacher ist durchaus zuzustimmen, wenn er einmal meinte, daß Rundfunk eben kein Erwerbszweig sei und sich daher nicht eigne für das „freie Spiel der Kräfte". Der Wettbewerb muß bei diesem Medium im Bereich des Journalistischen im guten wie im weitesten Sinne bleiben, darf aber nicht zu einem Wettbewerb des Geldes werden.

Privatwirtschaftlich organisierte Medien müssen aber, wie jeder marktwirtschaftlich organisierte Betrieb, Kosten-Nutzen-Rechnungen anstellen und sich auf einen wirtschaftlichen Wettkampf einlassen. Das ist an und für sich weder gut noch schlecht, dürfte aber für die „Ware", die es im Rundfunk zu „verkaufen" gilt, nicht geeignet sein. Die Beispiele aus anderen Ländern - es sei nochmals Italien genannt - zeigen, daß es durchaus nicht wün-schens- und nachahmenswert ist, Rundfunk ohne jede gesetzliche Auflage freizugeben.

Man würde auch bei privaten Rundfunkanstalten ohne legistische Regelungen nicht auskommen. Damit beginnen aber auch schon wieder neue Probleme und eine Einschränkung der Freiheit.

Schließlich sei noch der Hinweis gestattet, daß sich auch die dafür zuständigen kirchlichen Gremien sehr gut überlegen sollten, unter welchen Bedingungen und bei welchem Rundfunksystem die Kirche ihrem Verkündigungsauftrag - in Freiheit -am besten nachkommen kann.

(Der Autor vertritt im ORF-Kuratorium die Interessen der gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften.)

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