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Krabbeln ist keine Lösung

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Die einzigartige Monopolstellung des ORF soll endlich beschnitten werden -so fordert es jedenfalls die ÖVP. Mit radikaler Privatisierung allein ist es aber auch noch nicht getan.

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Die einzigartige Monopolstellung des ORF soll endlich beschnitten werden -so fordert es jedenfalls die ÖVP. Mit radikaler Privatisierung allein ist es aber auch noch nicht getan.

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Die Sommerpause hatte die Politik schon fast eingeholt, da kam Bewegung in die sonst so verschlafene Medienpolitik Österreichs.

Generalintendant Gerd Bacher, der das ORF-Monopol durch Jahre hindurch mit „Klauen und Zähnen“ verteidigt hatte, kämpfte beinhart in eigener Sache. Gegen den Nur-noch-Parteivorsit-zenden Fred Sinowatz, der Bacher und dem ORF so manches an seiner mangelnden politischen Fortune anlasten zu müssen glaubte, hatte der amtierende Generalintendant allerdings keine Chance.

Nach erfolgreicher Vergatterung — von Rechts wegen unabhängiger - ORF-Kuratoren im SP-Parteiquartier Renner-Institut war der Wahlgang am Künigl-berg nur mehr Formsache. Der Wunschkandidat von Sinowatz, Teddy Podgorsky, wurde zum neuen Generalintendanten bestellt.

In der SPÖ herrschte ob dieses doch seltenen Erfolgserlebnisses, eine Wahl gewonnen zu haben, eitel Wonne, in der ÖVP rüstete man umgehend zum Sturm auf das Monopol.

Zwar hatte die ÖVP schon bisher von einer Entmonopolisie-rung der Rundfunklandschaft einiges verlauten lassen, allerdings ohne besonderen Druck zu entwickeln und ohne große Unterstützung so mancher Landesfürsten, der mit einem durchaus genehmen ORF-Landesstudio an der Hand Landespolitik gut verkaufen konnte.

Doch wie gesagt: Jede geänderte politische Linie braucht ihren Anlaßfall. Insbesondere in Österreich. Weniger grundsätzliche Überlegungen, auch nicht Podgorsky, brachten den Umschwung, sondern Sinowatz und seine Auffassung von Demokratie.

Die ÖVP schickte ihren Mediensprecher Heribert Steinbauer mit dem Auftrag in die Sommerferien, einen Entwurf für ein neues Rundfunkkonzept zu liefern, das dem ORF seine Exklusivität bei der Programmschöpfung in Österreich nehmen soll und auch Privaten Möglichkeiten gibt, im Inland Rundfunk zu machen.

Ausländer dürfen ja bereits in Österreich ihre Programme vertreiben, ohne Unterschied, ob öffentlich-rechtliche Anstalt oder private.

Ein Blick ins westliche Ausland zeigt dabei, wie anachronistisch der Zustand ist, in dem sich die österreichische Rundfunkordnung befindet. In der Bundesrepublik Deutschland kämpfen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten mit Privaten um die Zusehergunst. In Frankreich hat eine sozialistische Administration die Privatisierung forciert, die Konservativen gehen jetzt einen Schritt weiter und wollen sogar privatisieren. In England lebt die BBC schon lange mit privater Konkurrenz und muß sich mit dieser sogar die Gebühren teilen. In Italien gehören die sogenannten italienischen Verhältnisse am Medienmarkt schon der Vergangenheit an, und selbst die kleine Schweiz hat eine reiche und breit gestreute Hörfunkkultur.

In Österreich hingegen ist nicht einmal die Einspeisung ausländischer Programme in Kabelnetze rechtlich befriedigend geregelt. Auch dazu konnte sich die SPÖ,die letztes Jahr einen Kabel-TV-Gesetzesentwurf vorgestellt hatte, dann aber wieder in der Schublade verschwinden ließ, durchringen. Dabei war auch dieser Entwurf restriktiv und schloß Österreicher von der Programmgestaltung aus.

Das Facit: Noch immer müssen Österreicher, wenn sie Rundfunk machen wollen, ins Ausland gehen. Siehe etwa „Radio Adria“, das der „Kurier“-Konzern in den Sommermonaten betreibt.

Die Monopolphilosophie hat Österreich zum Hinterhof der westeuropäischen Rundfunklandschaft werden lassen, österreichische Kost gibt es nur vom ORF, in den Genuß ausländischer kommt nur, wer an einem Kabelnetz hängt oder so weit im Westen oder Süden Österreichs wohnt, daß er über die Grenze sehen oder hören kann. Ab Herbst kommen dann noch die Satellitenprogramme hinzu, die mittels entsprechender Antennen direkt aus dem Weltall empfangen werden können.

Geht es nach den Vorstellungen Steinbauers, dann wäre die Situation in absehbarer Zeit, jedenfalls innerhalb der nächsten Jahre, ganz anders. „Krabbellösungen“ will Steinbauer nämlich nicht. Für ihn steht nicht zur Diskussion, ob ein Privater irgendwo in Österreich einen Radiosender betreiben darf oder nicht, oder ob ein Radio- oder Fernsehprogramm in ein bestehendes lokales Kabelnetz eingespeist werden darf, sondern wesentlich größere Lösungen.

Da der ORF in Österreich die Sender in Eigenregie betreibt, soll die Mitbenützung durch Private erlaubt sein, falls keine entsprechenden Sendefrequenzen vorhanden sind, soll sie der ORF zur Verfügung stellen, und falls sich Interessenten finden, könnte der ORF überhaupt ein Radioprogramm oder auch einen der beiden TV-Kanäle verkaufen. Statt Entmonopolisierung erfolgt also überhaupt gleich Privatisierung, um eine flächendeckende Versorgung mit österreichischen privaten Programmen zu erreichen.

Äußerst schmerzhaft berühren muß der Diskussionsbeitrag Steinbauers den ORF, wo er dem Monopolbetrieb an den Geldbeutel greift. Mit dem Hinweis auf das englische Beispiel soll der ORF einen Teü seiner Gebühreneinnahmen an die privaten Mitbewerber abtreten, damit diese nicht nur auf Werbeeinnahmen angewiesen sind. Die Parole „Freiheit statt Machtmonopol“ könnte dem ORF somit nicht nur Machtverluste bescheren.

Dennoch ist Steinbauer soweit Realist, daß er der Radioentwicklung Vorrang einräumen will. Für das Fernsehen kommt als erster Schritt eine „Fenster-Lösung“ in Betracht. Das heißt, in ausländische Vollprogramme, die zu bestimmten Tageszeiten Programmfenster eingebaut haben, könnten lokale und regionale Programmanbieter ihre eigenen Beiträge einspielen und so auf relativ kostengünstige Weise Fernseherfahrung sammeln.

Als natürliche Interessenten für den privaten Rundfunk sieht Steinbauer die Zeitungsverleger, die auch im Ausland bei den elektronischen Medien kräftig mitmischen. Bisher allerdings war von dieser Seite kein Wort zu hören. Ob das nur eine vorübergehende sommerliche Funkstille ist, oder ob sich die Zeitungsherausgeber an die Stillhaltevereinbarung mit dem ORF halten, die sie im Zuge des Werbezeitenübereinkommens getroffen haben, wird spätestens im Herbst sichtbar werden.

Dann wird auch die ÖVP ihre Karten auf den Tisch legen müssen. Mittels Parteibeschluß wird sie die Vorstellungen Steinbauers entweder zur Parteilinie machen, oder sie modifizieren oder abspecken, bis nur noch wenig von „dem Mut und der Phantasie“ übrigbleibt, mit der Steinbauer die Rundfunklandschaft bewegen will.

Ob der Wille Steinbauers oder der ÖVP fürs Werk gilt, kann ohnehin erst nach den nächsten Nationalratswahlen gesagt werden. Der erst kürzlich gekürte SPÖ-Zentralsekretär Heinrich Keller ließ nämlich bereits verlauten, „daß die elektronischen Medien nicht ausschließlich zum Spielball privatwirtschaftlicher Interessen und des internationalen Mediensektors werden“ dürfen. Die SPÖ will nur an ihrem Kabel-TV-Gesetz weiterbasteln.

Mit anderen Worten: Unter den jetzigen parlamentarischen Mehrheitsverhältnissen geht gar nichts. Erst die Wende brächte die Wende. Mit Mut und Phantasie soll die 0 VP jetzt das ORF-Monopol zu Grabe tragen. Die Erfolgsaussichten liegen im dunkeln. Die SPÖ jedenfalls hat vorderhand abgewunken.

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