Sternschnuppe Privatfernsehen

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Wer heute die Privatisierung des ORF mit seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag fordert, riskiert dessen Zerschlagung.

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Wer heute die Privatisierung des ORF mit seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag fordert, riskiert dessen Zerschlagung.

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Hut ab vor den Tschechen, die für die Medienfreiheit demonstrieren. Dabei ging es "nur" um die Bestellung eines parteinahen Intendanten. Unvorstellbar in Österreich, wo man gewöhnt war, dass die Regierungsparteien in den ORF hi-neinregieren. Ganz im Sinne des Konkordats, wo ja auch die Regierung zu jeder Bischofsernennung ihren weltlichen Segen geben kann, wird jeder Landesintendant des ORF in der Regel in den Farben "seines" Landeshauptmannes bestellt und die ORF-Geschäftsführung von der Regierungsmehrheit im ORF-Kuratorium.

Der Griff der Regierungsparteien auf den ORF war immer evident. Die SPÖ war der Meister dieser Machtpolitik und das "Klima-Fernsehen" noch in bester Erinnerung. Doch jetzt erlebt Österreich eine radikale Wendepolitik. Plötzlich betrachten sich die Klub-obmänner von FPÖ und ÖVP als die neuen Herrschaften in Österreichs größter Medienanstalt und haben im Kuratorium auch gleich persönlich Platz genommen. Wenig überraschend tauchte da die Diskussion über die Privatisierung des ORF auf. Wa-rum nicht privatisieren, wenn das doch bei der Spanischen Hofreitschule, dem Arbeitsmarkt-Ser-vice oder der Post möglich ist?

Wer heute die Privatisierung des ORF mit seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag fordert, riskiert die Zerschlagung des ORF. Während in England, Frankreich oder Deutschland die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten kräftige budgetäre Unterstützungen erhalten, streicht diese Regierung dem ORF jene 600 Millionen Schilling, die er als Entschädigung für Rundfunkbefreiungen gesetzlich bekommt. Daher muss der ORF je 47 Prozent seines Budgets aus Gebühren und Werbung einnehmen. Würde nun ORF 1 privatisiert werden, ORF 2 wäre nicht lebensfähig und für ausländische Konzerne ein Schnäppchen. Während durch Werbung die Kosten von ORF 1 zu vier Fünftel abgedeckt werden, ist dies bei ORF 2 nur zu knapp 60 Prozent der Fall. Hinzu kommt, dass die ORF-Gebühren nur zu rund 65 Prozent dem ORF zugute kommen. Der Rest wird anderweitig ausgegeben.

Österreich braucht einen starken öffentlich-rechtlichen ORF, der sich am harten Medienmarkt konkurrenzfähig bewegen kann. Es wird daher zu keiner Privatisierung kommen, die ÖVP hat sich ihren Einfluss gesichert. Westenthaler und Khol wissen sehr genau, was es bedeutet, wenn zeitgleich auf beiden Kanälen die ZIB 1 ausgestrahlt wird. Einen Marktanteil von rund 65 Prozent. Daher will man auf den Inhalt der Sendungen Einfluss nehmen, den ORF politisch kontrollieren. Und der ORF ist ins Rutschen gekommen. Allen Beteuerungen zum Trotz. Das politische Dauerbombardement und die Politik von "Zuckerbrot und Peitsche" zeigen Wirkung. So ergab eine Auswertung des Innsbrucker Mediawatch-Instituts, dass die Koalition 75 Prozent der Rundfunknachrichten für sich verbuchen konnte, dass 16 Pressestunden Regierungsmitgliedern vorbehalten waren und nur sechs der Opposition. Es gibt keine Verhältnismäßigkeit oder Ausgewogenheit mehr. Der Aufschrei des Redakteursrats im Herbst war ein Akt der Notwehr.

Nach dem Strohfeuer Privatisierung kommen die eigentlichen Gefahren für den ORF. Geht es nach den Plänen von Blau-Schwarz, wird aus dem Generalintendanten eine Art tschechischer Regierungsbeauftragter. Wohl unter dem Eindruck der Prager Ereignisse titelte da Österreichs größtes Boulevardblatt überraschend, den ORF in die Hände der BürgerInnen zu geben. Den Bürgern gehörte der ORF schon immer. Nur Regierungsfunktionäre sollten sich nicht im ORF-Kuratorium als Eigentümer verwechseln. Daher soll aus dem Kuratorium ein Aufsichtsrat und Unvereinbarkeitsklauseln geschaffen werden. Ein Landeshauptmann, Klubobmänner oder ein Medienrichter haben darin nichts verloren. Das wäre ein wichtiger Schritt des Abschieds von Parteipolitik aus dem ORF. Über den Appell Catos sollte daher geredet werden.

Der Autor ist ORF-Kurator der Grünen.

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