Werbung
Werbung
Werbung

Das Drama um den ORF ist keine Comic-Episode. Daher kann ein Happy End nicht garantiert werden.

Seit Montag also sind die Namen der Supermänner und -frauen bekannt, die von sich aus eine Bewerbung für den ORF-Chefsessel abgeschickt haben. Der bisherige General Gerhard Weis ist beinahe der einzige ernsthafte Kandidat dabei, vielleicht noch der Ex-ORF-Mann Karl Stipsicz, zur Zeit Programmchef beim erfolgreichen Privatsender TV2 in Ungarn. Mag sein, dass für die parteipolitischen Player die Bewerbungsfrist nur Formsache war und bis zum Ultimo, dem 14. Dezember, dem einen Stiftungsrat oder der anderen Stiftungsrätin doch noch die Superkarte aus dem Ärmel fällt, auf der der Name des ORF-Retters steht.

Wäre das Drama um den ORF eine Comic-Episode, man wüsste ums Happy End. Aber das Stück findet in Österreich statt: Da ist ein Trauerspiel allemal das realistische Szenario.

"Es ist schon bemerkenswert, wie wenig Bewerbungen es für solch ein großes Unternehmen gibt", meint Caritas-Präsident Franz Küberl, von der katholischen Kirche entsandtes Mitglied des Stiftungsrates, der den ORF-Generaldirektor am 21. Dezember wählt. Entgegen allen Lippenbekenntnissen ist für Küberl evident: "Die Parteien - ich meine hier die Regierungsparteien - mischen ungeheuer mit."

Nach der Schlammschlacht ums neue ORF-Gesetz erwartete niemand, dass die entwürdigenden Schauspiele rund um die Generalswahl, wie sie gelernte Österreicher seit Jahr und Tag gewohnt sind, verschwinden würden. Ganz offensichtlich herrscht politischer Druck auf die heimische Sendeanstalt wie eh und je; augenfälligster Unterschied zu früher scheint nur die Dreistigkeit der Polit-Presser zu sein: Peter Westenthaler wütete etwa gegen die ZIB 2 am 7. und die Ö3-Nachrichten am 10. Dezember: Zu Temelín sei dort "Falschpropaganda" der Opposition übernommen worden. Sein ÖVP-Zwilling Andreas Khol richtete via Presse aus, in der ZIB 2 am Tag der Temelín-Einigung mit Tschechien, bei der es peinliche technische Pannen gab, "wurde das Elend des heutigen ORF deutlich und die Notwendigkeit einer Reform an Haupt und Gliedern". Und dass Jörg Haider in "seinem" Landesstudio ein Interview mit sich selbst durchdrückte, machte nur augenfällig, was bundesweit den ORF-Landesstudios anhängt: primär eine Bühne für die Landeshauptleute zu sein.

Es wundert nicht, dass unter solchen Auspizien Superman mehr als gebraucht würde, und dass bei den Medienprofis aus Fleisch und Blut nur wenige nach dem Folterstuhl auf dem Küniglberg verlangen.

Seit Bruno Kreisky Mitte der siebziger Jahre sich den öffentlich-rechtlichen ORF unter Gerd Bacher wieder politisch richtete, gingen Parteisekretäre in der Anstalt ein und aus. Ein Treppenwitz, dass in den Neunzigern der einstige Politsekretär Gerhard Zeiler den ORF Richtung Kommerz führte. Kein Witz, dass die heutigen Politsekretäre den ORF-Gremien Politikferne verordnen, aber wenig Anstalten machen, politischen Druck auf den ORF zu lockern. Politische Überraschungen sollen ausbleiben: Anno '78, als wegen eines SP-Renegaten im ORF-Kuratorium der 1975 geschasste Gerd Bacher überraschend gewählt wurde, forschte der damalige SP-Zentralsekretär Karl Blecha vergeblich nach dem Abtrünnigen. Heute hätte es Blecha viel leichter, denn nun wird der ORF-General in offener Wahl bestimmt.

Dabei ist das politische Tohuwabohu, dem der neue Generaldirektor ausgesetzt sein wird, nur ein Problem des ORF. Der Neue wird der alten Anstalt ein modernes öffentlich-rechtliches Profil geben müssen. Die Anhaltspunkte, die das neue ORF-Gesetz dafür bietet, deuten wohl eine gute Richtung an, meint auch Stiftungsrat Küberl.

Dass etwa der galoppierenden Kommerzialisierung Einhalt zu gebieten war, darüber sind sich viele einig. Mitspieler auf dem Medienfeld erwarten hier Fortschritte: So glaubt Franz Ivan, neuer Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen, dass das ORF-Gesetz gute Voraussetzungen "für ein vernünftiges Verhältnis von Zeitungen und ORF" bietet.

Prinzip Hoffnung

Dass sich darüber hinaus die seit Monaten nervende unheilige Allianz von Kronen Zeitung, Fellner-Medien und ORF zu einer partnerschaftlichen Beziehung der relevanten Medien des Landes mit dem ORF umgestaltet, wird von Medienleuten und -konsumenten, die nicht in dieser Allianz verhabert sind, einhellig herbeigesehnt.

Einigkeit herrscht auch darüber, dass die Einbußen, die dem ORF durch die Kommerzbeschränkungen verordnet wurden, nicht auf Kosten der Qualität gehen dürfen.

Und auch nicht auf Kosten der Attraktivität: Ende 2000 konnte der ORF mit Taxi Orange die Jungen wieder an sich binden, ein Jahr später verliert er bei dieser Zielgruppe stark. Ein anderes Beispiel: Den Hollywoodfilm Pretty Woman auf ORF 1 sahen letzten Sonntag doppelt so viele wie den Felix-Mitterer-Krimi Elvis lebt auf ORF 2, eine teure Eigenproduktion - Qualitätsfernsehen, wie man es sich viel öfter wünscht.

Den politischen Begehrlichkeiten zu wehren, dem ökonomischen Eiswind zu trotzen und den Spagat zwischen Quote und Qualität zu schaffen: Das alles rechtfertigte tatsächlich den Ruf nach Superman.

Doch eines ist sicher: Superman kommt nicht. Das bedeutet, reale Möglichkeiten sind auszuschöpfen. Ein - letzter? - Hoffnungsschimmer wäre, dass sich Mitglieder des Stiftungsrates doch nicht als Parteisoldaten wie die Politsekretäre im alten ORF-Kuratorium erweisen.

Von den Politauguren fast unbemerkt ist da etwa eine prominente Katholikin, von Oberösterreich nominiert, in den Stiftungsrat gekommen. Margit Hauft, Präsidentin der Katholischen Aktion Oberösterreich und Österreich-Chefin der Katholischen Frauenbewegung, wird zwar bei allen Farbenspielen als "sichere schwarze Stimme" gehandelt. Hauft jedoch weist die Zuordnung zum VP-Lager zurück und pocht darauf, bei der ORF-Wahl nach ihren eigenen Kriterien vorzugehen: Sie will die Bewerber/innen daran messen, welches Menschenbild sie vermitteln, und wie sie den ORF unabhängig halten wollen, "egal, wer an der Regierung ist".

Ob Hauft mit diesen Zugängen reüssieren kann? Man wird - auch in Bezug auf den ORF - ja noch hoffen dürfen: Haufts Worte nicht nur in Gottes, sondern in der Stiftungsräte Ohr!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung