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Der Ruf nach der Reform der Reform der Rundfunkreform

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Der Ameisenhaufen ORF, schon unter Gerd Bacher über den Verdacht erhaben, eine Brutstätte von Loyalität und brüderlicher Zusammenarbeit darstellen zu wollen, bleibt, was er ist. Das 8. österreichische Kulturgespräch, das Gesandter Johannes Deng- ler diesmal nach Baden bei Wien einberief, ließ wieder einmal die für Außenstehende ach so behagliche Atmosphäre der unverhohlenen Spannungsfreude zutage treten. Jene Atmosphäre, die die Rundfunkgewaltigen wegen der - bei Gott nicht unbegründeten - Forderung nach einer „Reform der Reform der Rundfunkreform” in Saft geraten ließ und die auch von den anwesenden Kulturschaffenden einiges an Selbstbeherrschung abverlangte, als sie sich von Fernsehintendant Franz Kreuzer Vorhalten lassen mußten, sie benähmen sich ja nur deshalb so ungehobelt, weil sie mit irgendeinem Stück einmal durchgefallen seien. ORF-Monopol in Reinkultur …

Obwohl das Kulturgespräch auf die drei Themenbereiche „Kultur im Fernsehen”, „Fernsehen und Regionalisierung” sowie „Verkabelte Kultur” angelegt war, konzentrierte sich die als Schluß- und Höhepunkt konzipierte Podiumsdiskussion auf die kulturellen Ereignisse im Patschenkino.

Vorbemerkung: Neben vielen

Wahrheiten tauschten die Diskutanten auch so manche Halbwahrheiten aus, die vielfach von der gänzlich irrealen Voraussetzung ausgingen, es stehe in der Macht des ORF, Herrn und Frau Österreicher vom fanatischen Konsumenten geisttötender Showprogramme zum Kulturbegeisterten umzuerziehen; so unter dem Motto: tausche Robert Lembke gegen William Shakespeare.

Abgesehen davon aber ist es sicherlich zutreffend, daß es dem ORF - insbesondere dem Fernsehen - bisher nicht annähernd gelungen ist, einem zumindest latent vorhandenen kulturellen Bedarf seiner „Konsumenten” entgegenzukommen. Uber das einsame Talent der ORF-Programm- Schneider, hochwertige Kultursendungen immer wieder durch Aller- welts-Streifen wie die „Straßen von San Francisco” zu konkurrenzieren, ist bereits viel geschrieben worden. Allein geändert hat sich weniger als gar nichts. Denn seitens des ORF begnügt man sich vornehmlich damit, auf errechnete Einschaltziffern zu verweisen.

Besonders zugkräftiges Beispiel für die Badener Barrikaden-Kämpfer: FS 2 brachte am Sonntag um 21 Uhr eine Aufzeichnung des 8. österreichischen Kulturgespräches. Zur selben Zeit verwöhnte FS 1 seine Anhänger mit der Sendung „Tatort”. Fernsehchef Franz Kreuzer suchte ein Flucht- türl: Er hätte nur die Möglichkeit gehabt, die Kulturgespräche-Aufzeich- nung entweder am Nachmittag oder am ganz, ganz späten Abend auszustrahlen, die Lösung mit dem Tatort als Konkurrenz sei ohnehin noch optimal gewesen. . Eine Antwort, die ungefähr genauso befriedigt wie jene, daß eine Live-Übertragung von der jüngsten Parlaments-Sondersitzung deshalb nicht in Frage gekommen sei, weil man damit das halbe Berufsleben in Österreich wegen der so zahlreich interessierten Fernseher zum Stillstand gebracht hätte. Ein live frei Haus geliefertes Skirennen hingegen (jeden zweiten Tag) ist dem ORF allemal noch eine Arbeitsniederlegung wert

Chefredakteurstellvertreter Kurt Wimmer (Kleine Zeitung) umriß punk- tativ die Forderungen des Arbeitskreises „Kultur im Fernsehen”: Kein eingeschränkter Kulturayftrag, mediengerechte Verpackung der Kultur, wobei dies nicht Verlust an Qualität durch Vordergründigkeit bedeuten dürfe, sowie ein Kulturauftrag, der kein Zuschauergetto heranzüchten dürfte. Ein weiterer, wirklich fälliger Tip: Der Kulturauftrag des ORF sollte so verstanden werden, daß er dem österreichischen zusätzliche Impulse zu verleihen in der Lage wäre.

Zwei weitere Diskussions-Anknüpfungspunkte: Die Zeitungen sollten nicht konsequent Kultur-Produktionen des ORF verschweigen, während sie den Aufführungen von Klein- und Kleinstbühnen halbseitige Berichte widmen. Schließlich — und darin verbarg sich so mancher Zündstoff- gehe es darum, das Kulturmonopol des allgewaltigen ORF zu brechen.

FS-2-Chef Franz Kreuzer wurde den Erwartungen gerecht, die man in sein Auftreten setzte.

Die Vorgeschichte: Vergangene Woche hielt ÖVP-Medien-Mann Heribert Steinbauer eine Pressekonferenz zum , Thema ORF ab, wobei er einen Teil der Kritik der Arbeitskreise der Kulturgespräche vorwegnahm. Was die ORF- Führung wiederum dazu veranlaßte, geharnischte Gegendarstellungen zur Versendung zu bringen, weshalb der Badener Diskussionsboden bereits vorgewärmt betreten werden konnte. Zur Strategie des ORF kam schließlich noch, wie zumindest Insider erzählten, daß man ausgerechnet FS-l-Intendant Gerhard Weis, der im ORF für die Kultur gar nicht verantwortlich zeichnet, in den brisanten Kultur-Arbeitskreis schickte, womit er als Unzuständiger zum Abkassieren der verbalen Kopfnüsse herhalten mußte. Der wirklich verantwortliche Intendant, Franz Kreuzer, trat hingegen anläßlich der Podiumsdiskussion, wie Herbert Kohlmaier ironisch bemerkte, „mit Stahlhelm und voller Rüstung” in Erscheinung, um sich in der am Künigl- berg praktizierten Rundumverteidigung zu üben.

Weder auf die Anregung, gerade die Kultur betreffend müsse das ORF-Ge- setz novelliert werden („… so ein Gesetz kann man nicht wie eine Krawatte Umtauschen”), noch auf Vorschläge, wie, in den Kollektivorganen des ORF sollten mehr Virilisten und weniger Parteileute sitzen, ging Kreuzer einigermaßen sachlich ein. Klarerweise blieb auch ORF-Chef Otto Oberhammer, der sich am Vortag damit entschuldigt hatte, beim ORF sei vieles noch nicht über Ansätze und Anfänge hinausgekommen, von Kreuzer unwidersprochen - und so konnte Kurt Dieman die Lacher auf seiner Seite wissen, als er feststellte: „Wenn der Herr Oberhammer erst zwei Jahre anlernt, dann ist das seine Sache..

Nach Unterrichtsminister Fred Si- nowatz, der vorwiegend das Rundfunkgesetz 1974 verteidigte und es nicht als punktuelles Ereignis, sondern als dynamische Entwicklung verstanden wissen wollte, zerpflückte ÖVP-Kultursprecher Erhard Busek die, so man seinen Ausführungen Glauben schenken will, recht ver- hatschten Organisationsstrukturen des ORF.

Auf die detaillierten Ergebnisse der Arbeitskreis-Gespräche wird die FURCHE demnächst zurückkommen.

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