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Heiß umfehdet, wild umstritten

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Eine der meistdiskutierten innenpolitischen Fragen der letzten Wochen - Wer wird neuer ORF-Generalintendant? - wird in Kürze zumindest teilweise beantwortet werden. Am 18. September soll es im ORF-Kuratorium zu einer Kandidaten-Anhörung und zwei Tage später zur ersten Abstimmung kommen.

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Eine der meistdiskutierten innenpolitischen Fragen der letzten Wochen - Wer wird neuer ORF-Generalintendant? - wird in Kürze zumindest teilweise beantwortet werden. Am 18. September soll es im ORF-Kuratorium zu einer Kandidaten-Anhörung und zwei Tage später zur ersten Abstimmung kommen.

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Anläßlich der bevorstehenden Abstimmungen im ORF-Kuratorium stellten wir drei Mitgliedern dieses Gremiums, die dort besondere Schwerpunktgebiete der FURCHE vertreten, folgende vier Fragen:

1. Welchen Kandidaten für den Posten des ORF-Generalintendanten werden Sie bei der Abstimmung im Kuratorium wählen?

2. Nach welchen Kriterien werden Sie Ihre Entscheidung treffen?

3. Welcher Kandidat wird Ihrer Meinung nach das Rennen machen?

4. Wie beurteilen Sie die letzten vier ORF-Jahre?

Der Kampf um Oberhammergau, um die Macht im Monopolunternehmen ORF, ist seit Monaten in vollem Gange. Generalintendant Otto Oberhammer, im Oktober 1974 vom Sektionsratssessel im Justizministerium mit der damals berühmt-berüchtigten 16 : 14-SPÖ-Mehrheit im ORF-Kuratorium in die Chefetage des Küniglbergs gehievt und dort nach drei Monaten farbloser Tätigkeit nach einer 15: 15-Abstimmung durch den dirimierenden Kuratoriumsvorsitzenden und Kreisky-De-legierten Othmar Slunsky für vier Jahre etabliert, ist nach wie vor umstritten.

Sogar große Teile der Partei, die ihn einst nominierte, praktizieren nun Goethe mit umgekehrten Vorzeichen: Die Geister, die ihn riefen, wollen den glücklosen Zauberlehrling wieder loswerden. Der Name dessen, den diese Oberhammer-Gegner gerne zum Organisten auf der „größten Orgel des Landes“ (Bacher-Zitat) machen würden, zilkuliert seit Monaten in den Zeitungen.

Die Strategie der ÖVP in dieser Frage zeigt unverkennbar eine gewisse Wirkung. Sie, die insgeheim Oberhammer halten will, nimmt ihn schärfer denn je unter Beschuß, wohl wissend, daß es alte sozialistische Tradition ist, sich mit von außen angegriffenen Schützlingen besonders zu solidarisieren.

Außerdem kann die ÖVP durchaus glaubhaft den Bewerbern aus der alten ORF-Führung (Gerd Bacher, Helmut Zilk, Alfred Hartner, Helmut Len-hardt) größeres Fachwissen als Oberhammer bescheinigen und mit dieser Offenheit auch für Zilk in den sozialistischen Reihen unter Umstanden für einige Verwirrung sorgen. Zumal sich die SPÖ bei einer Abwahl Oberhammers dem Vorwurf aussetzt, daß sie damit selbst eingestehe, vor vier Jahren den falschen Mann durchgeboxt zu haben.

Was sich in diesen vier Jahren an Dubiosem abspielte, ist größtenteils bei Kurt Dieman („ORF - Hintergründe und Abgründe“) nachzulesen, könnte aber noch einige Bücher füllen. Man denke nur an die Personalpolitik, die in der Bestellung Heinrich Kellers zum ORF-Generalsekretär gipfelte, wobei es - wie auch der Verfassungsgerichtshof kürzlich feststellte - nicht mit rechten Dingen zuging.

Man sollte über dem Gerangel an der Spitze nicht darauf vergessen, daß gleichzeitig wichtige weitere personelle Entscheidungen (vor allem bei den Programmintendanten) fallen. Nicht nur über Oberhammer, auch über anderen ORF-Gewaltigen schweben Damoklesschwerter: angesichts der Tatsache, daß sonst im ORF nur die Köpfe mutiger Journalisten (zuletzt Kurt Tozzer) wackeln, direkt ein Zeichen .ausgleichender Gerech-tigkeifr. HEINER RQBERSKl,

1. Vor der Abstimmung ist ja eine Anhörung der Kandidaten vorgesehen, und vor dieser lege ich mich nicht fest. Es gibt eine Reihe qualifizierter Bewerber und ich werde jedem von ihnen drei Fragen vorle-

2. Die erstexlieser Fragen wird das Thema Grundwerte betreffen. Es

geht nicht um irgendein Schlagwort, sondern ich möchte wirklich wissen, wie ein Führungsteam sich zu bestimmten Werten stellt. So ein Wert ist für mich zum Beispiel Vaterland oder Landesverteidigung oder Ehe und Familie, Würde der Frau, Religion, wirklich praktizierte Nächstenliebe. Ohne gemeinsame Werte müßten wir, wie auch Mitscherlich betont, in einen furchtbaren Egoismus verfallen. Meine zweite Frage wird lauten: Wie steht ein Bewerber zur Erwachsenenbildung, und zwar auf der zweifachen Ebene einerseits bestimmter Bildungsprogramme (ORF-Akademie, Zusammenarbeit mit den Bildungsträgern usw.) und anderseits des Gesamtprogramms. Schließlich werde ich mich nach der Lokalisierung des Fernsehens erkundigen - nicht zu verwechseln mit der gleichfalls wichtigen Re-gionalisierung.

3. Ich bin der ehrlichen Überzeugung, daß das Rennen noch offen ist. Jene Gruppe im Kuratorium, die bisher immer 16 Stimmen zusammenbrachte, hat bis zum Tag dieses Interviews (5. September) ihre Meinungsdifferenzen offenbar noch nicht geklärt. Deshalb von einer „Freigabe der Abstimmung“ zu reden, ist angesichts der bisher gezeigten deutlichen Fraktionierung und Disziplinierung Augenauswi-scherei.

4. Es war sicher sehr schwer für einen Generalintendanten ohne Medienerfahrung. Ich erinnere mich noch, als Dr. Oberhammer bei seiner Anhörung sagte, er sei für das Programm nicht zuständig, sondern als Jurist nur für die Gesetzesdurchführung. Hier hat er sich sehr bemüht, aber das ist wohl eine sehr schmale Basis seines Wirkens. Ich würde lieber einen Generalintendanten sehen, der natürlich das Gesetz einhält, aber dann auch noch eine Antenne zum Programm hin hat und der nicht, wie ohnehin alle drei Intendanten, von der Information herkommt, sondern mehr Interesse für kulturelle Belange mitbringt.

1. Auf Grund der gesetzlichen Lage, aber auch auf Grund der politischen Lage, wie sie sich derzeit darstellt, keinen, bevor ich nicht weiß, welche Programmintendanten er präsentiert. Von mir bekommt keiner die Stimme, solange man nicht weiß, in welche Richtung der Zug geht. Ich gebe aber zuf,d£ß ich mir meine Meinung noch endgültig bilden muß

2. Entscheidend wird für mich sein, welche Personalpolitik zu erwarten ist, wie der künftige Generalintendant voraussichtlich den Spielraum nützt, wo er echte Unabhängigkeit hat. Eines ist klar: Wenn die Regierung ihre Mehrheit ausnützen will, dann kann sie es. Ich würde mir einen Mann wünschen, der trotz des engen gesetzlichen Rahmens auf Grund persönlicher Qualitäten eine möglichst unabhängige Linie vertreten kann. In letzter Zeit wurden meiner Meinung nach viel zu viele Interventionen von außen zugelassen.

3. Ich bin lange genug beim Rundfunk, um zu wissen, was gespielt wird. Bestimmt, wer es wird, wird in der SPÖ und von den ihr nahestehenden Kuratoren. Dort fällt die Entscheidung. Vorläufig ist die Diskussion innerhalb der SPÖ aber noch nicht durchgestanden. Die Kritiker der jetzigen Führung können nur hoffen, daß es vielleicht zu keiner Einigung kommt und dadurch vielleicht ein anderer zum Zug kommt.

4. Ganz allgemein: Der ORF leidet unter denselben Schwierigkeiten wie alle anderen Rundfunkanstalten auch, was das Programm betrifft, seien es nun staatliche, private oder auch Kabelgesellschaften. Speziell in Österreich ist die Lage so, daß es Oberhammer nicht gelungen ist, ein wirkliches Team zu bilden. Jeder der Programmintendanten machte, was er wollte, einmal kam etwas Gutes, einmal etwas Schlechtes heraus.

Es ist kein Geheimnis, daß im Fernsehen die Kirche und die von ihr vertretenen Werte im Ersten Programm besser aufgehoben waren. Für den Hörfunk war eine so lückenlose Programmbeobachtung nicht möglich, aber bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine Einwände (jedenfalls nicht viel mehr als früher). Allerdings zeigte sich nicht bei gesprochenen, aber teilweise bei gesungenen Texten eine gewisse Tendenz, entscheidende Werte in Frage zu stellen.

1. Ich habe drei der Bewerber um die Funktion eines Generalintendanten zum Hearing bitten lassen, von denen ich glaube, daß sie auf Grund unterschiedlicher Eigenschaften geeignet sind. Ich halte nichts davon, vor den entscheidenden Sitzungen sein Abstimmungs-verhalten bekannt zu geben) damit Politik zu machen und somit die geheime Abstimmung zur Farce werden zu lassen.

2. Ich werde folgende Punkte für mich zu beantworten suchen: Hat der Bewerber die erforderlichen Managerqualitäten, ist er in der Lage, wirtschaftliche und betriebliche Prioritäten zu setzen und ist er stark genug, diese auch gegen Widerstände durchzusetzen?

Hat er klare Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung der Massenmedien und damit des ORF? Welche Programmvorstellungen präsentiert er? Wie wird sein Team aussehen, mit dem er diese Vorstellungen realisieren soll?

Und nicht zuletzt: Welche Grundvorstellungen, welche

Grundwerte vertritt dieser Mensch in bezug auf die Probleme unserer Gesellschaft, welche Möglichkeiten sieht er unter Heranziehung des wissenschaftlichen Potentials Österreichs, hier kreativ tätig zu werden?

3. Diese Frage gleicht derzeit einem Tototip; 1, 2 oder X. Ich halte nach wie vor die Chancen von Dr. H. Zilk für sehr gut. Eine „Bank“ wird man jedoch erst dann setzen können, wenn sich große politische Gruppen festgelegt haben werden.

4. Durchaus erfolgreich in der Weiterentwicklung technischer und programmlicher Konzepte des ORF vor 1974, weniger erfolgreich im gesellschaftspolitischen Bereich, sei es im Dialog mit den politischen Kräften unseres Landes, sei es im innerbetrieblichen Rahmen. Vor weiteren positiven oder negativen Beurteilungen möchte ich jedoch eher einen Wunschkatalog angeben:

In der nächsten Geschäftsperiode soll der Bereich „Wissenschaft“ nicht als „Ghettobereich“ existieren, es sollen mehr wissenschaftliche Erkenntnisse, journalistisch aufbereitet, das Verständnis der Österreicher für die Probleme von heute und von morgen heben, also mehr bildende Programmelemente in der festen Uberzeugung, daß diese auch unterhaltend gestaltet werden können. g

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