6831379-1974_41_05.jpg
Digital In Arbeit

„Mitbestimmung uninteressant”

Werbung
Werbung
Werbung

Was die Öffentlichkeit mit der sogenannten ORF-„Reform” derzeit erlebt, ist eine Dämmerung der Illusionen. Aufgegeben wurde der Re- gierungs-(Partei-)Anspruch, mit dieser Gänsefüßchen-Reform die Allmacht des Generalintendanten (Bacher) über Programm und Rundfunk-Personal zu brechen, die Praxis zeigt vielmehr, daß abseits zahlreicher kabarettistischer Einlagen die SPÖ von der Absicht getrieben ist, eines der wenigen zarten Pflänzchen der Unabhängigkeit in Österreich durch einen Wildwuchs parteipolitischer Einflußmöglichkeiten zu ersetzen. Um dies zu realisieren, ist der SPÖ nichts zu teuer, auch nicht die Aufgabe „heiliger” Prinzipien. Zuletzt mußte die „Mitbestimmung” daran glauben. Weil sich unter den rund 3000 ORF-Dienstnehmern in Urabstimmungen eine außergewöhnliche eindeutige Pro-Bacher- und Anti-Oberhammer-Stimmung zeigt, meint man in der Umgebung des federführenden Bundeskanzlers, daß derartigeAbstimmungen ohnedies uninteressant seien. Preisfrage: Wann, bitte, wird „Mitbestimmung” für die SPÖ interessant?

In sechs der insgesamt neun Bundesländerstudios wurde bisher ganz eindeutig für den noch amtierenden Generalintendanten Bacher und gegen den in Medienfragen gänzlich unerfahrenen Sektionsrat des Justizministeriums, Dr. Otto Oberhammer, votiert. Selbst im eindeutig sozialistisch dominierten Studio Wien waren die Dienstnehmer dar Ansicht, daß es im Zweifelsfall besser sei, einem ORF-erfahrenen Mann den Vorzug vor einem betriebsfremden Kandidaten zu geben.

Es ist nicht anzunehmen, daß sich die Öffentlichkeit und die ORF-Beschäftigten mit ihrer Auffassung durchsetzen werden. Dazu sind die Weichen schon zu lange und zu deutlich gestellt. Und alles spricht auch dafür, daß sich das von Sozialisten dominierte Kuratorium des ORF genau an die Weisungen der Parteizentrale halten, also Otto Oberhammer mit der Generalintendantur des ORF beauftragen wird.

Die Frage ist bloß, ob Otto Obeir- hammer bereit und geeignet ist, über den Schatten eines weisungsgebun- denen Sektionsrates der Ministerial-

bürokratie zu springen, nach der Wahl ungeachtet aller parteipolitischen Einflüsterungen einen gewissen Zug zur Unabhängigkeit und Selbständigkeit zu verraten. Allzu großer Optimismus ist sicherlich nicht am Platz, ganz auszuschließen ist eine solche Haltung freilich auch nicht. Nach allem, was über Dr. Oberhammer bekannt ist, ist er der Prototyp des kanrierebewußten Bundesbeamten in der höheren Verwendungsgruppe. Er kennt demnach die politischen Wechselfälle der Beamtenlaufbahn und dürfte ahnen, daß es sich kaum lohnt, eine Beamtenkarriere allein auf das Wohlwollen einer Partei auszurichten, deren Mitglied man gar nicht ist. Ein Dr. Oberhammer dürfte deshalb stets berücksichtigen, daß er unter bestimmten Umständen auch mit einem Bundeskanzler Dr. Schlein- zer kooperieren muß, und das gar zu einem Zeitpunkt, in dem die Förderer von ehedem längst von der politischen Bühne abgetreten sind. Das ist ein guter Grund, warum man von Dr. Oberhammer eine gewisse Selbständigkeit erwarten darf.

Zu allererst bei seiner Personalpolitik wird sich zeigen, ob diese Einschätzung stimmt. SPÖ und ÖVP drängen darauf, bei der Besetzung vor allem des Hörfunk-Intendanten einen der Ihren berücksichtigt zu finden. Die ÖVP zögert dabei nicht, von „wohlerworbenen” Rechten (Dr. Härtner) zu sprechen und bietet für diese Funktion vor allem den Leiter des Studios Niederösterreich, Kurt Bergmann, auf. Die SPÖ würde sich mit dem parteifireien Wolf in der Maur begnügen, sich aber wahrscheinlich an der Bestellung etwa eines Dr. Skala — der ja aus sozialistischer Sicht für jeden Posten gut genug zu sein scheint —, aber auch eines Franz Kreuzer begeistern.

Auf der Besetzungsliste für die Funktion der TV-Intendanten stehen mehrere Namen, mit denen keine bestimmten parteipolitischen Programme verbunden sind (auch beim Sozialisten Gerhard Bronner dürften andere als ideologische Motive im Spiel sein): so etwa Gerhard Weis, Thaddäus Podgorsky und Franz Kreuzer. Hier dürfte es Dr. Oberhammer nicht sonderlich schwerfallen, mit der Bestellung eines In- tendanten-Duos Weis und Podgorsky/ Kreuzer allgemeinen Vorstellungen beider Parteien zu entsprechen.

Komplizierter wird die Sache bei der Bestellung der Direktoren für die kaufmännischen und technischen Belange. Hier stehen — jedenfalls oberflächlich betrachtet — nur Sozialisten zur Diskussion (Dr. Skala und Dipl.-Ing. Wassiczek). Hier zeigt die SPÖ, daß sie etwas von politischer Bevorratung versteht. Denn von diesen beiden Funktionen aus kann man ohne zu große Schwierigkeiten (und mit Unterstützung des Generalintendanten) große Politik machen. Es ist nicht auszuschließen, daß die ÖVP hier am Vordergründigen hängengeblieben ist und Be- setzungsvorsohläge für diese beiden Funktionen außer acht ließ.

Bei der Besetzung der Landesintendanten dürfte die SPÖ — da es nun einmal ein Regierungs-(Partei-) Rundfunk werden soll — auf einschlägigen Vorschlägen beharren. Ob das in der Praxis zu einer Tabula rasa führen wird, bleibt abzuwarten.

Dr. Oberhammer wird jedenfalls recht bald beweisen können, ob er innerhalb der ihm vom Rundfunkgesetz vargeschriebenen Grenzen zur Eigenständigkeit neigt. Sollte das tatsächlich der Fall sein, stellt sich erst recht die Frage: wozu das Ganze!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung