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Eines langen Tages Reise in die Nacht

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Ein Drama nähert sich seinem - und das ist jetzt wirklich das Problem. Seinem was nähert es sich? Von einem Höhepunkt wird man nur schwer sprechen können, von einem Ende sicher nicht. Überlassen wir also dem Leser selbst die Entscheidung über die Benennung des Zwischenziels. Das Drama aber heißt ORF. Statt eines Kommentars genügt eine Aufzählung der Bilder.

1974 wurden Gerd Bacher und seine Partie abgewählt. Eine der Hauptbegründungen lautete damals: Der Generalintendant habe sich als zu eigenmächtiger Herrscher gebärdet, dem Medium habe es an Pluralität und Ausgewogenheit in Information und Kommentierung gemangelt.

Es kamen Otto Oberhammer und sein Team. Jeder wußte vom neuen Generalintendanten, daß er ein Jurist und kein Medienfachmann war. Ihm selber war genügend klargemacht worden, daß man von ihm Verwal-tungs-, aber nicht Programm-Management erwartete.

Das hat Oberhammer offenbar zu ernst genommen. Heute erfährt er, daß alles falsch war. Die Partei, die ihn durchboxte, bekriegt ORF-Journalisten wegen Mangels an Ausgewogenheit mehr als je vor 1974, und die Pluralität, die man vom Oberhammer-ORF erwartet hatte, spielt ihm jetzt die Regierungspartei in ihren eigenen Reihen vor - freilich mit der gleichzeitigen Warnung des Zentralsekretärs, darüber nicht allzusehr zu berichten.

Da sagen die SPÖ-Spitzenpolitiker Blecha, Gratz, Siriowatz, Kery, Wagner und andere: Oberhammer soll gehen und der (1974 mit Bacher zusammen abgehalfterte) Zilk soll kommen. Nein, sagen die SPÖ-Spitzenpolitiker Be-nya, Androsch, Broda und andere, beide sollen vielmehr bleiben, wo sie schon sind. Und um den armen Generalintendanten noch mehr zu verunsichern, läßt man auch noch durchsik-kern, daß er 1974 eigentlich hinter Ministerialrat Dittrich, der abgewunken habe, zweite Wahl gewesen sei.

Was aber sagt Bundeskanzler Kreisky zu alledem? Er sagt, für die Gratz-Linie spreche „manches“, für die „Benya-Linie“ viel, räumt aber nach zwei Tagen ein, daß es in diesem seinen Urteü eine „Akzentverschiebung“ gegeben habe.

Die ÖVP-Spitzenpolitiker Steinbauer und Bergmann wieder sagen: „Jeder, nur nicht Oberhammer!“ Der christlichdemokratische ORF-Gewerkschafter Heinz Fiedler nennt diesen dagegen den „am meisten unterschätzten Mann in diesem Land.“

Wenn der Meisterunterschätzte neuerlich bestellt wird, will freilich SPÖ-Zentralsekretär Blecha seine Stellen als ORF-Kurator und Mediensprecher seiner Partei zurücklegen. Er wirft Oberhammer vor, nur verwaltet und sich nicht ums Programm gekümmert zu haben. Der SPÖ-Betriebsrat Heinz Doucha wieder meint: „In der Medienpolitik des Karl Blecha hat es nie eine klare und deutliche Linie gegeben.“

Eine solche dürfte auch bei der ersten Abstimmung am 20. September noch fehlen. Voraussichtliche Folge: keine Zweidrittelmehrheit. Eine Woche später genügt eine einfache Majorität für die Bestellung eines provisorischen „Gl“. Manche Auguren sagen, wenn's der, Sie wissen schon, wer, so will, könnte das dann der Bacher sein. Und drei Monate später bei der Definitivbestellung wieder ein anderer.

Sagen die Auguren. Der Dramatiker Eugene O'Neill hat schon 1956 ahnungsvoll gesagt: Eines langen Tages Reise in die Nacht.

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