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Es rührt sich was im ORF

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„... wenn jemand eben unfähig ist, soll er einem Fähigen Platz machen. Man soll es menschlich tun, aber wichtiger ist, daß die Aufgabe erfüllt wird.“ Diese auf ihn gemünzten Worte des Kanzlers Bruno Kreisky im Ohr hatte Otto Oberhammer, Generalintendant des ORF, in der jüngsten Silvesternacht guten Grund auf Glück und Erfolg im neuen Jahr anzuprosten: Er, von Kreiskys Gnaden ORF-Gewaltiger der 2. Wahl (bevor man 1974 Oberhammer „entdeckte“, stand ein anderer Justizbeamter, nämlich Robert Dittrich, zur Debatte) hat derzeit gute Chancen, daß seine erste, von 1974 bis 1978 dauernde, Amtsperiode als ORF-General gleichzeitig zur letzten wird: Viele sozialistische Funktionäre sehen die heranstehende Personalentscheidung wohl unter dem Motto: Seine Schuldigkeit hat er nicht getan. Er kann trotzdem gehen!

Das Bangen des ORF-Generals und auch des FS-2-Intendanten Franz Kreuzer um ihre Wiederwahl durch das Kuratorium im Herbst dieses Jahres kommt nicht von ungefähr. Es ist zwar richtig, daß die Regierungspartei heute dank der Reformköche Kreisky, Blecha und Broda den ORF besser denn je „im Griff hat, daß sozialistischer Wahlkampflavendel mehr (Staatsoperette) oder weniger (ganze Sendereihen) aufdringlich verspritzt wird, was zumindest eine Langzeit-Wirkung haben wird; nicht minder richtig ist aber, daß in letzter Zeit insbesondere das Fernseh-Programm unter starken Beschuß der Öffentlichkeit geraten ist, daß weite Teile des ORF-Publikums sich um die 1974 gehegten Hoffnungen und Erwartungen geprellt fühlen. Einigermaßen problematisch für die SPÖ dürfte auch die undiplomatische Regieführung Oberhammers sein, was daran zu erkennen ist, daß die Bevölkerung nach neuesten Umfragen den ORF für parteipolitisch stärker abhängig hält, als noch vor ein paar Jahren.

Kurz vor Ablauf der ersten Amtsperiode im 1974 neuerlich reformbeglückten ORF mag es reizvoll sein, den Blick zurückzurichten auf damals gegebene Versprechen, damals geweckte Hoffnungen und Sehnsüchte. Eigentlich gibt es fast keinen sinnvollen Wunsch, den 1974 die angetretenen Reform-Vollstrecker nicht zu erfüllen in Aussicht gestellt hätten: Das bis dahin wohl nur dilettantenhaft miese Fernsehprogramm unter „Tiger“ Gerd Bacher, sollte generell ein besseres werden, in Hinkunft sollte nicht mehr soviel Geld für sündteure Filme aus der Bundesrepublik hinausgeschmissen werden; mit der Regionalisierung der Fernsehprogramme sollte einem Bedürfnis der TV-Konsumenten nach bürgernaher Information nachgekommen werden - um nur einige besonders symptomatische leere Versprechungen zu nennen.

Die Qualitätssteigerung der Programme grenzte sich von vornherein auf den Versuch der Produktion besserer (sprich: der Regierungspartei genehmerer) Informationssendungen ein, was daran zu erkennen war, daß man zwei politische Journalisten (Gerhard Weis und Franz Kreuzer) zu den Intendanten der beiden Fernsehprogramme machte. Zugegeben: Die abendliche Informationssendung ZiB 2 fällt positiv auf. Es geht aber nicht an, daß zumeist ein lupenreines „Umsteigen“ von FS 1 auf die Informationsschau im 2. Kanal nicht möglich ist, daß die ZiB-2-Redaktion außerdem offenbar unter das Ladenschlußgesetz fallt, weil sie am Wochenende zugesperrt ist wie ein Postamt.

Der Club 2 ist auch eine ganz nette Bereicherung, die aber fallweise in einen Tummelplatz für rhethorische Exhibitionisten auszuarten droht. Sonst sind im Fernsehen keine neuen Tendenzen festzustellen. Der 2. Kanal ist ein mixtum compositum, seine Konzeption kommt nicht einmal an den einheitlichen Guß des Probekanals unter Bacher heran. Im Gegensatz zu Kreuzer und Weis ist dem Hörfunk Intendanten Wolf In der Maur wenigstens größte Behutsamkeit zu bescheinigen.

Der alte Vorwurf aus der Anti-Bacher-Argumentationskiste, der ORF kaufe zuviele Filme im Ausland, speziell in Deutschland, und vernachlässige die eigenständige österreichische Produktion, hat nichts an Aktualität verloren. An den Marktverhältnissen hat sich nicht das geringste zum Positiven gewandelt: Im Gegenteil.

Der Haupttreffer unter dem Motto „Wie versprochen, so zerbroche-n“ muß wohl Otto Oberhammer selbst zugesprochen werden: Er hat bei seinem Amtsantritt auch als völlig Uneingeweihter ein gutes Gespür gehabt, als er das Wort von der „Regionalisie-rung der Fernsehprogramme“ in den Mund nahm. Seit die Realisten im Kuratorium begriffen haben, daß Re-gionalisierung nur weniger Zugriffsmöglichkeiten durch die Regierung bedeuten kann, wird die Regionalisie-rung auf die lange Bank geschoben: Vorläufig ist das Thema Regionalisie-rung auf Mai 1978 vertagt, aber auch danach wird sich im Regierungslager niemand dafür erwärmen können ... bis - welch ein Zufall das wieder sein wird - die nächsten Wahlen ausgestanden sind.

Gerade angesichts des bislang nicht eingelösten Regionalisierungs-Versprechens stellt sich das ORF-Monopol weiterhin selbst in Frage: Ist ein Monopol überhaupt zu verantworten, solange ein so wichtiges Unternehmen wie der ORF mit seiner zentralisti-schen Struktur jeglicher (förderalisti-scher) Verfassungskonformität entbehrt?

Die vielen offenen Sachfragen werden heuer leider keiner Lösung nähergebracht werden. Dafür stehen wieder einmal Personalspekulationen im Vordergrund. Oberhammer, selbst von Kreisky kritisiert, griff dankbar zu, als der Sonnenkönig auch Franz Kreuzer einen Denkzettel verpaßte: Der Kampf ums Überleben hat begonnen. Jedem sein Privatwahlkampf. Jedem seine Privatangst.

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