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Nein: ORF-Realität, die, auf einen normalen Wirtschaftsbetrieb übertragen, den totalen Ruin mit sich brächte. Dafür sind die neuen, auch schon wieder fast alten Herren laufend unterwegs von einer Sitzung zur anderen: was dabei herauskommt, mag mitunter auch wie ein Aprilscherz anmuten.

Wenn die Primeln sprießen — heuer verspätet, so, als habe die Natur sich ein Beispiel am ORF genommen —, wird es auch Zeit, das Augenmerk auf die Vorproduktionen für das nächste Jahr zu lenken. Denn so erstaunlich dies sein mag: im Rundfunk gibt es noch Dinge, die gründlicher, sach- und fachkundiger Vorbereitung bedürfen und nicht einmal von einem Ministerberater mit der Hand aus dem Hut gezogen werden können (wie ein Generalintendant etwa). Doch wo es am Budget fürs laufende Jahr mangelt, muß es wohl auch an dem fürs kommende gebrechen.

Da Ausgewogenheit ein Ziel der Reform der Reform des ORF war, wird indes der grandiose Wettkampf um „Leistungspläne“ und „Programmschienen“ weitergeführt, der auf Kosten der Leistung und des Programms geht. Der Bildschirm enthüllt die Folgen mit überwältigender Offenheit: tagtäglich beginnt das Striptease einer Rundfunkreform.

Aber die Fernseher scheinen mit der fortschreitenden Schwindsucht ihrer einstigen Geliebten sich ebenso abzufinden wie die umherirrenden Intendanten, die gevierteilten Hauptabteilungsleiter und die ganze Gefolgschaft der mehr oder weniger freien Mitarbeiter sich längst mit dem zu gigantischen Dimensionen anwachsenden internen Chaos abgefunden haben.

Da sausen die Projekte nach Art des Perpetuum mobile durchs ORF-Zentrum: von Weis zu Kreuzer, von Kreuzer zu Weis, von diesen beiden zum kaufmännischen Direktor und wiederum zurück. Der ganze Künigl-berg ist im Begriffe, sich um sich selbst zu drehen. Hoch über allem schwebt ein Oberhammer im olympischen Nebel und erläßt seine „Programmrichtlinien“ in der Hoffnung, möglicherweise doch noch zu verhindern, daß das Fernsehprogramm als Ganzes unter den Hammer kommt. — Doch, das Freistilringen der Kanalbrigaden geht weiter: einstweilen noch ohne Budget.

Das alles ist ORF-Praxis, abseits von der Theorie eines keineswegs schlechten Gesetzes. Nur die Politiker haben von dem, was sich da tut, beziehungsweise nicht tut, anscheinend keinen blauen, schwarzen oder roten Dunst: Kuratoren, Beiräte und Beschwerdekommissare haben es überhaupt leicht: sie müssen nur ihren Leistungsplan im parteipolitischen oder vereinsmeierischen Pro-grammschienenfahren erfüllen. Die mehr und mehr in erbarmungswürdige, menschenunwürdige Mitleidenschaft gezogenen Rundfunkmitarbeiter haben es demgegenüber schwer: man verlangt von ihnen — trotz allem — etwas, mit dem Kuratoren, Beiräte und Beschwerdekommissare weniger befaßt sind: nämlich Leistung. Diese wollen sie auch erbringen: aber sie werden von den Sitzungshengsten wie die Esel in den April geschickt.

Wer heute am ORF Kritik zu üben sich erdreistet, muß erwarten, mit einer parteipolitischen Hypothek belastet zu werden. Wer jedoch vom Zinsenzahlen nicht schwarz werden will, der bekämpfe die Unlogik und bekenne die Logik: Das sachlich Richtige kann niemals das politisch Falsche sein. — „Am 1. April schickt man den Esel, wohin man will.“ Wenn es im ORF so weitergeht, schickt man ihn am 1. April 1977 am besten auf den Küniglberg: Budget machen.

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