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Polit-Auslug Küniglberg

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Das, was sich hierzulande Medienpolitiker nennt, sind Parteienvertreter im ORF-Kuratorium. Sie sehen in „ihrem“ D-ORF nicht über den Kirchturm in die Medienwelt hinaus.

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Das, was sich hierzulande Medienpolitiker nennt, sind Parteienvertreter im ORF-Kuratorium. Sie sehen in „ihrem“ D-ORF nicht über den Kirchturm in die Medienwelt hinaus.

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Es ist erfreulich, daß es endlich zu einer breiten öffentlichen Mediendiskussion in Österreich gekommen ist. Den Anstoß dazu hat der von ORF/Zeitungsherausgeberverband vorgelegte Entwurf für ein „Hörfunkversuchsgesetz“ gegeben. Die Beteiligungen der Essener WAZ-Gruppe an „Kurier“ und „Kronen Zeitung“ sowie der Hamburger Springer-Gruppe am „ Standard“ und an der „Tiroler Tageszeitung“ (FURCHE 48/1989) haben die letzten Schläfer aufgeweckt.

Viele der geäußerten Meinungen zäumen das Pferd vom Schwanz her auf und spiegeln ein verkürztes Medienverständnis wider. Es geht nicht darum, Löcher zu stopfen und Verteidigungsbarrikaden zu flik-ken, sondern es geht um die längst fällige Schaffung von europareifen Rahmenbedingungen für das Wirken von Massenmedien in Österreich.

Medienfreiheit und Meinungs-vief alt sind die demokratisch wichtigen Eckwerte auf der einen Seite, aber auch Finanzierbarkeit und Marktgerechtigkeit sind wesentliche wirtschaftliche Prämissen. Die Medienpolitiker - das sind nun einmal im wesentlichen die in das ORF-Kuratorium entsandten Parteienvertreter - haben sich jahrzehntelang die Medienwelt vom Wiener Küniglberg aus erklären lassen und die Bedürfnisse der Zeitungen dabei nicht gesehen, jedenfalls aber vernachlässigt. Das ORF-Monopol hat man mit Gebühren und Werbezeiten großzügig ausgestattet, die Zeitungen wurden auf den freien Markt und die tägliche Abstimmung beim Kiosk verwiesen.

Während der Staat mit dem Teilnehmerentgelt dem ORF mit jährlich 3,5 Milliarden Schilling unter die Arme greift, hat die vielkritisierte Presseförderung 1989 110 Millionen Schilling betragen.

Niemand bestreitet, daß ein starker ORF eine staatspolitische Notwendigkeit darstellt. Eine auch nur annähernd gleichwertige Behandlung der Zeitungen hätte aber nicht zum Zeitungssterben der sechziger und siebziger Jahre und nicht zu den jüngsten Auslandsbeteiligungen geführt. Nur wirtschaftlich gesunde Medienunternehmen sind frei und unabhängig. Dieser Binsenweisheit wollte man nicht in die Augen sehen.

Diese Tatsache hat die durch zeitungsfeindliche Rahmenbedingungen grundgelegte Verelendungsspirale der österreichischen Zeitungen verstärkt und zum rezenten Würgegriff geführt.

Eine konzeptionelle Medienpolitik müßte primär diesen Sachverhalt erkennen und bei der Schaffung einer neuen „Medienmarktordnung“ viel breiter und grundsätzlicher ansetzen, als dies derzeit geschieht.

Dazu einige Thesen:

• Nicht nur der Zeitungsmarkt, sondern der Medienmarkt insgesamt ist sanierungsbedürftig.

• Entflechtung der Print-Zu-sammenschlüsse und Rückführung auf Vor-WAZ- und Vor-Springer-Zeiten sind kurzschlüssige Ansatzpunkte, weil nicht die Auslandsbeteiligungen die Schwäche der österreichischen Zeitungen begründet haben, sondern weil die Zeitungen in der Vergangenheit zu wenig Luft zum Atmen gehabt haben und deshalb für ausländisches Investment anfällig geworden sind.

• Das ausschließlich duale Mediensystem - hier öffentlich-rechtlicher Rundfunk, dort privatrechtlich strukturierte Zeitungen - hat sich überlebt, weil nicht zuletzt die technologische Entwicklung die überholten Grenzen aufgehoben hat. Nicht Ausschließlichkeitsdenken, sondern integrale Gestaltung der vernetzten Kommunikationsstrukturen ist notwendig.

• Der Hörfunkbereich muß freigegeben werden. Nicht an ir-gendwen, sondern an Medienerfahrene, die bewiesen haben, verantwortungsvoll mit „Medienmacht“ umgehen zu können. Nur die Unternehmensvielfalt schafft einen dauerhaften Meinungspluralismus - auch im elektronischen Bereich.

• Den Zeitungsverlagen müßten die dringend notwendigen Finanzressourcen eröffnet werden. Wahrscheinlich kann nur mehr so etwas wie ein „Marshall-Plan“ die österreichischen Zeitungen vor dem Ausverkauf retten und „Hilfe zur Selbsthilfe“ bewirken.

• Es geht nicht um den Erhalt des ORF oder dieser oder jener Zeitung, sondern um die Frage, was politisch gemacht werden muß, um möglichst vielen österreichischen Medienunternehmen eine gesunde Wirtschaftlichkeit zu ermöglichen. Die Schaffung einer wirklich qualifizierten Journalistenausbildung gehört genauso in dieses Paket wie die Neustrukturierung der Presseförderung und die schon längst überfällige Abschaffung der Anzeigenabgabe.

Den ORF als vermeintlich einzigen Hort österreichischer Identität noch weiter aufzurüsten, die Zeitungen aber weiter abtriften zu lassen - ins Ausland, in den Konkurs, in die Bedeutungslosigkeit -wäre fatales politisches Fehlverhalten.

Der Autor ist Generalsekretär des Zeitungsherausgeberverbandes.

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