„Wiener Zeitung“ neu
Auch wenn aus vielen Bereichen der (Zivil-)Gesellschaft Unterstützung für die von der Einstellung bedrohte „Wiener Zeitung“ signalisiert wird, ist vor allem medienpolitische Kreativität nötig, damit die älteste Tageszeitung der Welt überlebt. Eine Ideenskizze dazu.
Auch wenn aus vielen Bereichen der (Zivil-)Gesellschaft Unterstützung für die von der Einstellung bedrohte „Wiener Zeitung“ signalisiert wird, ist vor allem medienpolitische Kreativität nötig, damit die älteste Tageszeitung der Welt überlebt. Eine Ideenskizze dazu.
Beeindruckend ist, wie viele renommierte Spitzenkräfte aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sich als Testimonial für die Kampagne „#unverzichtbarseit1703“ zur Rettung der Wiener Zeitung mit klugen Argumenten einfinden. Bedrückend indes empfinde ich das beharrliche Schweigen der für Medienpolitik Verantwortlichen in der Regierung. Dabei wäre längst medienpolitische Kreativität gefragt.
Den klassischen Medien – nicht nur den gedruckten – geht es seit zwei Jahrzehnten wiederholt schlecht. Dafür sind mehrere Ursachen zu nennen. Die primär durch Werbung finanzierte Publizistik verlor durch schwere Wirtschaftskrisen – 2000 das Platzen der Dotcom-Blase, 2008 die durch die Lehman-Brothers-Pleite ausgelöste weltweite Finanzkrise und ab 2020 durch die herben Wirtschaftseinbrüche wegen der Corona-Pandemie – erhebliche Teile ihrer Werbeeinnahmen. Strukturell gesellte sich zudem eine Jahr für Jahr zunehmende Verschiebung der Werbegelder in den Onlinemedien-Bereich und in die sogenannten Social-Media-Kanäle.
Versuche, den Journalismus zu steuern
Journalismus wird seither in den meisten Ländern in insgesamt weniger und zugleich weniger voneinander unabhängigen Titeln angeboten und zudem durch personell zumeist schwächer ausgestattete Redaktionen erarbeitet. Zugleich wuchsen in den meisten Ländern die Aufwendungen der Public Relations von Unternehmen und Organisationen, die damit den Journalismus zu steuern versuchen. In Österreich beobachten wir das im besonders hohen Maß auch im politischen Bereich. Wobei hier mittlerweile zusätzlich beängstigend hohe Ausgaben seitens der Regierung für die Bewerbung von Regierungsmaßnahmen in Medien geschehen. Diese Mittel werden ohne nachvollziehbare Kriterien vergeben und entziehen sich einer Plausibilitätskontrolle. In einer wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit stellt dies ein klassisches Einfallstor für inhaltliche Wünsche seitens der Regierung gegenüber Medien dar und sorgt zum Teil für publizistisches Wohlverhalten.
Für eine liberale Demokratie ist diese Schwächung des klassischen Journalismus aus mehreren Gründen gefährlich: Der Wettbewerb der besten politischen Ideen wird nicht mehr in der gesamten Vielfalt publizistisch begleitet. Positionen der Oppositionsparteien, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, der Kirchen und des kritischen kulturellen und intellektuellen Milieus finden in so unter Druck geratenen Medien zunehmend weniger Resonanzgefäße. Die wichtige Kritik- und Kontrollfunktion des klassischen Journalismus schrumpft auf wenige Medien, die entweder das Risiko eingehen, auf Regierungsinserate zu verzichten, und auf vermehrten Publikumszuspruch durch weiterhin kritischen Journalismus setzen oder sich anders finanzieren.
Will diese Regierung den für eine liberale Demokratie so unersetzlichen klassischen Journalismus stärken, bieten sich mehrere Wege an. Die Wiener Zeitung organisationsrechtlich in eine öffentliche Stiftung transferieren und anstelle der wegfallenden verpflichtenden öffentlichen Ausschreibungen und Bilanzen von börsennotierten Unternehmen eine Grundfinanzierung aus einer Medienhaushaltsabgabe, die vorerst noch als Rundfunkbeitrag (GIS) eingehoben wird. Für diese privilegierte Finanzierung respektiert sie dann eine niedrig eingezogene Obergrenze im Bereich der Einnahmen aus kommerzieller Werbung, um gegenüber den Mitbewerbern am klassischen tagesaktuellen Print- und Onlinemarkt keine Wettbewerbsvorteile zu haben.
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